Im Untergrund der Marbacher Marktstraße soll künftig eine Fernwärmeleitung verlaufen. Foto: Werner Kuhnle

Das bislang eher geringe Interesse an Wärmelieferungen in Marbach ist deutlich gestiegen. Auch andere Kommunen setzen auf selbst erzeugte Wärme, die auch an die Bürger geliefert werden soll.

Immer mehr Kommunen machen sich Gedanken über ein Fernwärmenetz. In der Schillerstadt Marbach wird bereits seit dem letzten Jahr daran gebaut, Wärme vom Schulzentrum aus über die Pestalozzischule, die Haffnerstraße und die Güntterstraße bis zum Rathaus und bis zum ehemaligen Art-Hotel zu führen. Der russische Einmarsch in der Ukraine hat auch in anderen Kommunen das Interesse an Fernwärme geschürt.

In den ersten beiden Bauabschnitten in der Marbacher Haffnerstraße und bis zum Ex-Art-Hotel liegen die Rohre bereits, das heißt, dort könnten die ersten Anwohner mit der Wärme versorgt werden, die im Schulzentrum durch eine Holzhackschnitzelanlage, ein Blockheizkraftwerk und mit Gas betriebene Spitzenlastkessel erzeugt wird. Das Interesse der privaten Hauseigentümer sei allerdings überschaubar gewesen, sagt Christian Vockeroth vom Ingenieurbüro IBS, der sich um die Planung von Tiefbau und Fernwärme kümmert: „Es gibt so etwa zwölf bis 15 Privatanschlüsse, was 15 bis 20 Prozent entspricht.“ Und das heiße auch nicht, dass jeder schon eine Übergabestation habe. „Manche überlegen sich das erst später, wenn beispielsweise der eigene Heizkessel sein Lebensende erreicht hat.“

Große Resonanz in der Marktstraße

Allerdings, so der Experte: „Die Akquise ist dort ja schon erfolgt, bevor der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist und sich die Menschen Sorgen um die Energieversorgung machten.“ Deshalb wundert es ihn nicht, dass die Resonanz in der Marktstraße, wo die Bauarbeiten noch laufen, deutlich höher ist: „Da haben etwa 50 bis 70 Prozent Interesse daran, und aktuell sind noch mehr dazugekommen.“

Mit steigendem Interesse für das Fernwärmeangebot rechnet auch der Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter: „Der Krieg in der Ukraine hat deutlich gemacht, dass man sich nicht zu sehr auf fossile Brennstoffe verlassen sollte, die importiert werden müssen.“ Das Feedback zu dem sogenannten Solnet sei jetzt „grundsätzlich sehr positiv“, sagt der Rathauschef.

In Steinheim könnten mehrere Viertel versorgt werden

In der Urmenschstadt ist geplant, das bereits bestehende kleine Netz für die Bildungs- und Sporteinrichtungen am Schulzentrum auszubauen, sodass auch das Wellarium und die umliegenden Wohnviertel umweltfreundliche Wärme bekommen können, die mit Holzhackschnitzeln, Solarthermie, einer Wärmepumpe und – wohl nur in der Anfangszeit – durch zwei Gas-Spitzenlastkessel erzeugt wird. In der ersten Phase bis 2025 könnten Steinbeisstraße und Beethovenstraße mit 395 Gebäuden und mehr als 750 Wohneinheiten versorgt werden, in weiteren Schritten könnten das Dichterviertel, das Musikerviertel und die Gartenstadt hinzu kommen. Damit wäre dann der gesamte Bereich nördlich der Bottwar erschlossen.

Am Freitagabend gab es dazu eine Informationsveranstaltung. Das Angebot ist in vielerlei Hinsicht attraktiv. Zum einen nähern sich wegen des Baujahrs der Häuser ohnehin die meisten dort installierten Heizungsanlagen ihrem Lebensende; zum anderen kann man mit der umweltfreundlich erzeugten Wärme nicht nur mehr Versorgungssicherheit erreichen, sondern auch etwas fürs Klima tun. Man spart Platz, der Heizraum kann anderweitig genutzt werden. Und man muss sich nicht mehr um eine Heizungsanlage kümmern, die Kosten für den Schornsteinfeger entfallen. Da aber in dem vorgesehenen Niedertemperaturnetz nur 50 Grad Wärme in den jeweiligen Gebäuden ankommen, müssten die Besitzer ihr Haus entweder dämmen, mit einer Fußbodenheizung oder größeren Heizkörpern ausstatten, wenn sie von dem Angebot nutzen wollen.

Absage an Gas in Großbottwar

Dass die Zeiten sich im Hinblick auf die Energieversorgung geändert haben, wurde auch in der Sitzung der Großbottwarer Gemeinderäte deutlich. Die lehnten nach intensiver Diskussion eine Beteiligung an der Kawag ab – auch, weil fast einhellig Gas durch den Krieg als praktisch auslaufender Energieträger gesehen wurde. So plädierte Matthias Wien (CDU) dafür, die für die Beteiligung angedachten 100 000 Euro in ein Konzept für die Energieautarkie der Stadt zu investieren. Bürgermeister Ralf Zimmermann erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, man habe der Ludwigsburger Energieagentur LEA den Auftrag erteilt, zu eruieren, wo eine Fernwärmeversorgung wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll sei und wo die Wärme herkommen solle. „In einem klassischen Neubaugebiet ist so etwas sicher leichter als im Bestand. Denken Sie nur an die vielen Fachwerkhäuser, die man energetisch nicht auf Neubaustandard bringen kann.“

Was ebenfalls nicht verschwiegen werden soll: Die Wärmelieferung ist nicht billig, und man kann den Anbieter nicht kurzfristig wechseln. Bei den Stadtwerken Ludwigsburg, die das Fernwärmenetz in Marbach betreiben, muss man sich beispielsweise zehn Jahre lang binden.

Nahwärme oder Fernwärme und wer sie anbietet

Nahwärme
 Meistens versteht man unter dem Begriff, dass die Wärme – anders als bei der Fernwärme – aus nicht allzu großer Entfernung geliefert wird. Eine genaue Definition der Leitungslänge gibt es aber nicht, die Übergänge zur Fernwärme sind hier fließend.

Fernwärme
 Handelt es sich um ein größeres Netz mit längeren Leitungen, wird umgangssprachlich von Fernwärme gesprochen.

Nutzung Christian Vockeroth, der Planer der Marbacher Leitungen, sagt, die Länge und Netzgröße spiele in der Definition keine Rolle. „Bei der Nahwärme sind der Erzeuger und der Verbraucher derselbe, sobald, wie in Marbach, auch private Verbraucher mit dabei sind, ist es Fernwärme.“

Anbieter In Marbach kommt die Wärme aus der Heizungsanlage des Schulzentrums. Auch in Steinheim soll die Wärme selbst erzeugt werden. Die Stadtwerke Ludwigsburg und die EnBW erzeugen ebenfalls in verschiedenen Heizkraftwerken Wärme, die sie jedoch nicht in den Raum Marbach/Bottwartal liefern.