Emotionales Wiedersehen in Kiew. Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Die Ukraine und Russland lassen ihre Feindschaft für einen Moment ruhen und tauschen Dutzende Gefangene aus – mit dabei der bekannte Filmemacher Senzow. Bereitet das den Weg für eine Verbesserung der Beziehungen - oder sogar eine Lösung des Ukraine-Konflikts?

Kiew/Moskau/Berlin - Im Konflikt der Ukraine und Russlands haben beide Länder mit dem größten Austausch von Gefangenen seit Jahren begonnen. Fast zeitgleich starteten auf den Flughäfen in Kiew und in Moskau am Samstag Maschinen mit den freigelassenen Gefangenen, wie ukrainische und russische Fernsehsender zeigten. Auf dem Airport Wnukowo-2 in Moskau hob ein Flugzeug unter anderem mit den seit November inhaftierten 24 ukrainischen Seeleuten an Bord ab. Deutschland und die EU hatten immer wieder ihre Freilassung gefordert. In Moskau und Kiew warteten Angehörige und offizielle Vertreter der Staaten auf die Freigelassenen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fuhr zum Kiewer Flughafen Borispol, um die Männer in Empfang zu nehmen. An Bord der Maschine soll auch der ukrainische Regisseur Oleg Senzow sein. Kremlchef Wladimir Putin hatte zuvor den großen und richtungsweisenden Austausch angekündigt, der die Beziehungen beider Länder verbessern soll. Ausgetauscht werden sollten auf jeder Seite 35 Gefangene. Offiziell bestätigt war das aber nicht.

„Schritt vorwärts in Richtung Normalisierung“

In Kiew hatte Selenskyj immer wieder versprochen, alles für die Freilassung der ukrainischen Seeleute zu tun. Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hatte bereits im Mai ihre Freilassung gefordert. Zuvor hatte Selenskyj am Freitagabend mehrere Inhaftierte begnadigt und damit den Austausch mit Russland vorbereitet.

Präsident Putin hatte den Austausch als eine konkrete humanitäre Aktion angekündigt. „Das wäre ein guter Schritt vorwärts in Richtung einer Normalisierung“, sagte Putin am Donnerstag auf dem fernöstlichen Wirtschaftsforum. Über einen Gefangenenaustausch war zuletzt immer wieder spekuliert worden.

Die nun freigelassenen Seeleute waren Ende November mit ihrem Schiff auf dem Weg vom Schwarzen ins Asowsche Meer vor der Halbinsel Krim vom russischen Grenzschutz gewaltsam gestoppt worden. Moskau wollte die Matrosen wegen Grenzverletzung bestrafen. Ihnen drohten jeweils lange Haftstrafen.

Filmemacher Senzow ist bekanntester Gefangener

Ein solcher Austausch von Gefangenen gilt als ein wichtiger Erfolg für Staatschef Selensky in Kiew. Er hatte im Mai in seiner ersten Rede im Amt gesagt, dass die Rückkehr der Ukrainer für ihn Priorität habe. Er und Putin telefonierten in den vergangenen Wochen mindestens zweimal. Danach gab es die Hoffnung, dass alle Gefangenen auf beiden Seiten schnell freikommen. Wie viele insgesamt in Haft sind, ist nicht bekannt. Kiew übergab im Juli eigenen Angaben zufolge Moskau eine Liste mit den Namen von 150 Ukrainern, die in russischen Gefängnissen säßen.

Hintergrund ist der Konflikt zwischen beiden Ex-Sowjetrepubliken. Russland hatte vor gut fünf Jahren die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Seit 2014 stehen zudem Teile der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk an der Grenze zu Russland unter Kontrolle von Aufständischen, die von Moskau unterstützt werden. Bei Kämpfen dort wurden nach UN-Schätzungen rund 13 000 Menschen getötet.

Der prominenteste Gefangene ist der ukrainische Filmemacher Senzow. Der Künstler wurde 2015 trotz internationaler Proteste wegen Terrorismusvorwürfen zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt. Erst im Juli hatte Selenskyj einen Austausch des Regisseurs gegen den mittlerweile von der Ukraine unter Auflagen freigelassenen Journalisten Kirill Wyschinski angekündigt. Wyschinski, der für die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti in der Ukraine arbeitete, war am Samstag ebenfalls in der Maschine von Kiew nach Moskau.

Gericht ließ Separatisten-Kämpfer frei

In Verbindung mit dem geplanten Gefangenenaustausch könnte auch die überraschende Freilassung eines ehemaligen Kämpfers aus dem Separatistengebiet Donbass stehen. Ein Gericht in Kiew ließ den 58-Jährigen am Donnerstag frei. Der Ex-Kommandeur einer Luftabwehreinheit der prorussischen Rebellen soll ein Schlüsselzeuge sein für den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Juli 2014 im Gebiet Donbass. Damals kamen alle 298 Insassen ums Leben.

Ein internationales Ermittlerteam unter Führung der niederländischen Staatsanwaltschaft verdächtigt Russland, ein Buk-Flugabwehrsystem ins Rebellengebiet gebracht zu haben. Damit soll die Maschine abgeschossen worden sein. Zuvor hatten 40 EU-Parlamentsabgeordnete an Präsident Selenskyj appelliert, den Verdächtigen nicht an Russland zu übergeben. Die Ermittler in den Niederlanden befürchteten nun, dass der Mann als Zeuge nicht mehr zu Verfügung stehen wird.