Nach eigenen Angaben haben Regierungsgegner die Macht in Kiew ergriffen. Foto: Getty Images Europe

Die Einigung von Kiew scheint nicht lange zu halten. Zwar gibt es keine neue Gewalt - doch die Regierungsgegner wollen sich nicht an die ausgehandelten Beschlüsse halten. Präsident Janukowitsch hat anscheinend die Hauptstadt verlassen.

Die Einigung von Kiew scheint nicht lange zu halten. Zwar gibt es keine neue Gewalt - doch die Regierungsgegner wollen sich nicht an die ausgehandelten Beschlüsse halten. Präsident Janukowitsch hat anscheinend die Hauptstadt verlassen.

Kiew - Gegner des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch haben nach eigenen Angaben die Macht in der Hauptstadt Kiew ergriffen.

Selbstverteidigungskräfte hätten die Kontrolle über das Parlament, den Regierungssitz und die Präsidialkanzlei übernommen, sagte Andrej Parubij, der Kommandant des Protestlagers, am Samstagmorgen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan).

Janukowitsch soll von Kiew in die ostukrainische Millionenstadt Charkow abgereist sein, wo er seine Machtbasis hat. Dort könnte er Berichten zufolge an einem Kongress der Ukrainischen Front teilnehmen, zu der sich Delegierte aus dem prorussischen Osten und Süden der Ex-Sowjetrepublik versammeln. Nach anderen Berichten hat Janukowitsch dagegen das Land verlassen. Experten schließen nicht aus, dass die Ukrainische Front in Charkow einen gewaltsamen Vorstoß gegen die Regierungsgegner beschließen könnte.

Tausende Menschen harrten in der Nacht auf dem Maidan in Kiew aus. Sie kritisieren, ein vorläufiges Abkommen Janukowitschs mit der parlamentarischen Opposition sei nicht ausreichend. Darin hatten die Konfliktparteien unter EU-Vermittlung vorgezogene Präsidentenwahlen, eine Übergangsregierung und eine neue Verfassung vereinbart. In den vergangenen Tagen waren bei Zusammenstößen von Regierungsgegnern mit der Polizei in Kiew mindestens 77 Menschen getötet worden.

"Wir fordern den sofortigen Rücktritt des Präsidenten", sagte Parubij. Falls Janukowitsch offiziell zurücktreten sollte, übernähme laut Verfassung der Regierungschef die Führung des Landes. Dieses Amt hat derzeit kommissarisch Sergej Arbusow inne, der als Vertrauter Janukowitschs gilt.

"Jetzt kontrolliert der Maidan ganz Kiew", behauptete Parubij, der Abgeordneter der Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist. Die sogenannten Selbstverteidigungskräfte fuhren in Lastwagen durch das Regierungsviertel. "Wir haben den Polizisten gesagt, dass sie zum Maidan überlaufen können, und wir sind zu gemeinsamen Patrouillen bereit", sagte Parubij. Die Sicherheitskräfte hatten das Stadtzentrum am Vorabend verlassen.

Das Parlament sollte dennoch an diesem Samstag erneut zusammenkommen. Die Abgeordneten hatten am Vorabend erste Beschlüsse durchgepeitscht und auch für ein Gesetz gestimmt, das den Weg für Timoschenkos Haftentlassung frei macht.

In rund zwei Dutzend Städten stürzten Regierungsgegner Statuen des sowjetischen Revolutionsführers Lenin. Er gilt ihnen als Symbol des alten Regimes, dessen Vertreter noch im sowjetischen System groß geworden sind.