Nach tagelangem Stellungskrieg sind die prorussischen Separatisten nach eigenen Angaben weiter in den strategisch wichtigen Ort Debalzewo eingedrungen. Foto: dpa

Wenige Tage nach dem Verhandlungsmarathon von Minsk fließt in der Ukraine wieder Blut. OSZE-Beobachter beklagen massive Behinderungen im Kriegsgebiet. Ist das Friedensabkommen bereits Makulatur?

Debalzewo - Der schwierige Friedensprozess im ostukrainischen Kriegsgebiet ist nach neuen Gewaltexzessen ins Stocken geraten. Nach tagelangem Stellungskrieg rückten die prorussischen Separatisten nach eigenen Angaben weiter in den strategisch wichtigen Ort Debalzewo ein. „Der Vormarsch verläuft sehr aktiv“, sagte ein Sprecher der Aufständischen am Dienstag. Die prowestliche Führung in Kiew sprach von heftigen Straßenkämpfen in dem Verkehrsknotenpunkt. In Debalzewo sollen Tausende Angehörige von Regierungstruppen eingekesselt sein.

Die Gefechte gelten als massiver Verstoß gegen ein erst vor wenigen Tagen in Minsk geschlossenes Friedensabkommen. Demnach sollten die Konfliktparteien eigentlich ihre schweren Waffen aus dem Donbass abziehen. „Es gibt vonseiten der Aufständischen keine wirkliche Waffenruhe, deshalb sind die Voraussetzungen (für einen Abzug) nicht gegeben“, sagte Militärsprecher Andrej Lyssenko in Kiew. Die Armee sei weiter bereit zur Bildung einer Pufferzone. „Unsere Stellungen werden aber wiederholt unter Feuer genommen“, beklagte er.

In Donezk warf Separatistensprecher Eduard Bassurin den Regierungseinheiten vor, besonders bei Debalzewo die Waffenruhe nicht zu befolgen. „Wir mussten das Feuer erwidern“, meinte Bassurin.

Im Ringen um eine politische Lösung des Konflikts vereinbarte Kanzlerin Angela Merkel bei einem Telefonat mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, „konkrete Schritte“, um eine Beobachtung der Lage in Debalzewo durch die OSZE zu ermöglichen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll die Einhaltung der Waffenruhe überwachen. Einzelheiten waren auch auf Nachfrage zunächst nicht zu erfahren.

Innerhalb von 24 Stunden seien in der Konfliktregion fünf Soldaten getötet worden, sagte Militärsprecher Lyssenko in Kiew. Er beklagte eine massive Behinderung der OSZE im Krisengebiet. Beobachter der Organisation seien erneut nicht in die Kampfzone gelassen worden, sagte Lyssenko. Vize-OSZE-Missionschef Alexander Hug erklärte, die Beobachter seien nicht nach Debalzewo gelangt, weil keine Sicherheitsgarantien gegeben worden seien. „Alle Seiten versuchen offenbar, bei Kämpfen neue Tatsachen zu schaffen, aber das widerspricht dem Geist des Minsker Abkommens“, sagte der Schweizer.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich besorgt. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der ermutigend begonnene Prozess nicht entgleist“, sagte er bei einem Besuch in Kolumbien.

Der Lugansker Separatistenführer Igor Plotnizki sagte der Agentur Tass zufolge, seine Truppen hätten mit dem Abzug schwerer Waffen begonnen. „Ich war in der Nacht an der Front, unsere Artillerie und Panzer rückten ab“, sagte er. Unabhängige Berichte gab es nicht.