Beim Training wird auch gelacht. Im wahren Leben steigt bei Helfern wie Manuela Schoch und Klaus Schneider der Pulsschlag, wenn sie erfahren, dass der Patient ein Kind ist. Foto: red

Im Olgäle haben Notärzte und Rettungssanitäter den Einsatz bei Kindernotfällen trainiert. Denn ein Einsatz mit kleinen Patienten ist immer etwas besonderes und die Routine fehlt.

S-West - Wenn Manuela Schoch zu einem Notfall gerufen wird und sie hört, dass es sich bei dem Patienten um ein kleines Kind handelt, klopft ihr, so sagt sie, das Herz bis zum Hals. Die Anspannung wächst in solchen Fällen, auch bei der erfahrenen Notärztin vom Robert-Bosch-Krankenhaus. Der Rettungsdienstassistent Klaus Schneider von den Johannitern weiß auch davon zu berichten, wie die eigene Herzfrequenz in solchen Fällen steigt. „Wenn ein Notruf eingeht, wissen wir nur, dass es ein Kind ist“, sagt er. Was genau passiert ist, wissen sie nicht, und die Anspannung steigt.

Wie Schoch und Schneider geht es den meisten Rettungsdienstsanitätern und Notärzten. Ein Einsatz mit kleinen Patienten ist immer etwas besonderes. Und die an und für sich gute Nachricht ist, dass Kindernotfälle selten sind. In Stuttgart waren es im vergangenen Jahr insgesamt 214. „In 100 Fällen, in denen der Rettungswagen ausrückt, sind nur in zwei Kinder involviert“, sagt Franz-Josef Kretz, ärztlicher Zentrumsleiter für Kinder- und Jugendmedizin am Olgäle im Westen.

Geübt wird an Simulationspuppen in Baby- und Kleinkindgröße

Doch die Seltenheit birgt Tücken. Denn auch den professionellen Einsatzhelfern fehlt die Routine im Umgang mit Kindern in lebensbedrohlichen Situationen. Aus diesem Grund bietet das Olgäle im Rahmen des Projekts „Stuttgarter Pädiatrie Simulator“ (Stups) vier Mal im Jahr einen recht wirklichkeitsnahen Kurs an – so auch in der vergangenen Woche. Die Teilnehmer, Rettungsassistenten und Notärzte, kommen freiwillig. Sie tragen Dienstuniformen – auch das gehört dazu, um realistische Situationen zu schaffen.

Geübt wird an Simulationspuppen in Baby- und Kleinkindgröße. Die Puppen können schreien, wimmern, blau anlaufen und reagieren, wenn Spritzen falsch gesetzt werden oder die Infusionsmenge nicht stimmt. Die Teilnehmer behandeln in einem von den Johannitern bereitgestellten Wagen – auch das Arbeiten auf begrenztem Raum gehört zum Alltag.

Gemeinsames Training von Notärzten und Rettungssanitätern

Das besondere an diesem zweitägigen Simulationskurs ist, so Christina Juki, Leiterin des Projekts Stups, neben der sehr realistischen Szenerie auch das gemeinsame Training von Notärzten und Rettungssanitätern. „Normalerweise läuft das getrennt und hier lernen sie das gemeinsame Kommunizieren und Kooperieren“, sagt sie, denn die eigenen Fertigkeiten würden allein nicht reichen. „Die Zusammenarbeit muss auch stimmen“, so Juki.

Doch auch die eigenen Fähigkeiten müssen ständig aufgefrischt werden. Bei Notfällen mit kleinen Kindern können die routiniertesten Handgriffe zum Problem werden. Bei Kindern ist eben alles kleiner, Venen beispielsweise sind auf einer speckigen Babyhand schwerer zu finden als bei einem Erwachsenen, und auch das Legen eines Tubus sei komplizierter. Und vor allem, so Juki, sei es schwieriger, die richtige Medikamenten- oder Infusionsmenge zu treffen. „Tatsächlich ist die falsche Medikamentendosierung der häufigste Behandlungsfehler bei Kindern“, sagt die Projektleiterin. Diese wird über das Gewicht ermittelt. „Im Einsatz sind die Helfer im Stress und müssen dann noch im Kopf die richtigen Dosierungen errechnen“, sagt sie. Für Erwachsene haben das im Grund alle Kollegen im Kopf. Und mittlerweile hilft auch die moderne Technik. Die App „Anästhesist“, wie sie Klaus Schneider auf seinem Smartphone hat, errechnet je nach Körpergewicht die richtigen Mengen.

„Manche Teilnehmer vergessen geraten wirklich in Stress“

Und dennoch können Theorie und technische Hilfsmittel nicht die Erfahrung und Übung aufwiegen, die ein Rettungshelfer bei einem Kurs erhält, in dem er in Notsituationen versetzt wird. Klaus Schneider selbst ist zum zweiten Mal dabei. „Manche Teilnehmer vergessen zeitweise, dass hier alles gestellt ist und geraten wirklich in Stress“, sagt Juki. Das sei aber gut, denn dann lernt man. Die Teilnehmer, die selbst gerade nicht im Einsatz sind, verfolgen ihre Kollegen per Videomitschnitt im Hörsaal und anschließend werden die Situationen gemeinsam besprochen.

Die Teilnehmer sind, so ist es das Ziel von Juki und Kretz, nach dem Kurs trainiert und routinierter. Und trotzdem werden sie wohl alle hoffen, dass sie ihre Fertigkeiten bei Kindernotfällen so selten wie möglich anwenden müssen.