Alles, was für die Drehleitern der Freiwilligen Feuerwehren zu hoch ist, wird ein Fall für die Höhenretter – zum Beispiel der 26. Stock des Schwabenlandtowers. Foto: Gottfried Stoppel

Aus rund 75 Metern Höhe haben sich Höhenretter der Feuerwehr Stuttgart abgeseilt. Die Spezialisten kommen immer dann, wenn die örtlichen Feuerwehren passen müssen. Eine spektakuläre Übung.

Fellbach - Behutsam stößt sich der Mann mit den Füßen von der Hauswand ab. Lange 75 Meter sind es nach unten, dann noch zehn, noch zwei. Schließlich haben es das Opfer auf der Trage und der Feuerwehrmann an den Kletterseilen geschafft: Aus einer Fensteröffnung des Schwabenlandtowers in Fellbach hat sich der Retter mit dem Verletzten auf den festen Betonboden der Baustelle abgeseilt.

Eigentlich gibt es am Schwabenlandtower (SLT) einen Bauaufzug. Diesen haben die Einsatzkräfte am Donnerstag aber bewusst ignoriert, denn das Szenario war eine Übung. Und zwar eine an einem ganz besonderen Ort: Am Donnerstag konnten sich die Höhenretter der Stuttgarter Berufsfeuerwehr vom 26. Stockwerk des insgesamt 107 Meter hohen Towers in Fellbach auf- und abseilen.

Lange Zeit war der SLT 107 eine nur zuletzt von Falken bewohnte Bauruine, nun soll es nach dem Willen der Investoren bald wieder vorangehen mit den Bauarbeiten. Doch bevor es so weit ist, bot sich für die Retter die einmalige Chance, die Baustelle für Übungen zu nutzen.

Die Ausbildung der Spezialisten braucht viel Zeit

Mit einer Brandschutzbegehung des Wohnturms hatte die Übung nichts zu tun. Stattdessen bietet das Klettern am Fellbacher Riesentower eine willkommene Abwechslung für die Stuttgarter Höhenretter. Die Freiwillige Feuerwehr Fellbach war ebenfalls dabei – allerdings als Beobachter, nicht als Übungsteilnehmer. Die Fellbacher hatten ihren Stuttgarter Kameraden den Tower als Übungsort vermittelt. „Freiwillige Feuerwehren sind für alles bis zu 30 Meter Höhe gerüstet“, erklärt Christian Köder, der Kommandant der Fellbacher Wehr. Diese Höhe ergebe sich aus der Länge der Drehleitern, aber auch der Sicherungsausrüstung.

Die Übung der Stuttgarter Höhenretter im Video:

„Für alles, was darüber hinausgeht, brauchen wir die Höhenretter aus Stuttgart.“ Im ganzen Rems-Murr-Kreis gebe es keine spezialisierte Einheit für Höhenrettung, selbst landesweit agiere nur eine Handvoll. „Da haben wir Glück, dass wir direkt an Stuttgart angrenzen“, konstatiert Köder. Es sei aber auch nicht leistbar, dass jede einzelne Feuerwehr einen Höhenrettungstrupp betreibe.

Übung ist für die Spezialisten der Stuttgarter Berufsfeuerwehr alles. „Die Höhenrettung ist sehr aus- und weiterbildungsintensiv“, erklärt Daniel Anand. 72 Stunden im Jahr an Fortbildungen seien vorgeschrieben – um so besser, wenn auch das Abseilen von Orten wie dem Schwabenlandtower unter sicheren Bedingungen geprobt werden kann. „Wie man am Stuttgarter Fernsehturm am besten vorgeht, wissen sie schon“, meint Köder. Wo der nächste Einsatz die Spezialisten hinführen wird, können die Höhenretter nie wissen. Mal gilt es, einem Brandalarm in einem mit Hochsicherheitstüren gesicherten Hochhaus nachzugehen. Dann muss etwa ein verunglückter Bauarbeiter gerettet werden. Auch auf Windkraftanlagen könnte sich ein Techniker verletzen. „Immer wieder kommt es auch vor, dass adipöse Menschen bei einem medizinischen Notfall nicht einfach durch die Tür gebracht werden können“, erklärt Anand. In solchen Fällen sei oft der Weg über den Balkon der einfachste.

Alle Höhenretter können Verletzte versorgen

Alle Mitglieder der Höhenrettung sind übrigens auch im Rettungsdienst aktiv. Diese Kenntnisse sind im Ernstfall immens wichtig – etwa bei Einsätzen an Orten, zu denen der Rettungsdienst nicht gelangen kann und wo es einen Schwerverletzten rasch zu versorgen gilt.

Die Übung am Schwabenlandtower umfasste mehrere Disziplinen: Erst galt es, sich in den 26. Stock aufzuseilen und die benötigte Ausrüstung nach oben zu schaffen. Dann trainierten die Stuttgarter Wehrleute, einen vermeintlich Verletzten – keine Puppe, sondern einen schwindelfreien Kameraden aus Fleisch und Blut – auf einer Trage sicher nach unten zu befördern. Und schließlich übten sie auch das Abseilen im Aufzugsschacht. Denn, auch wenn der Name etwas anderes glauben lässt: Tiefenrettung beherrschen die Höhenretter nämlich auch.