Die EU-Ratspräsidentschaft wünscht sich ein Ende der Kontrollen an den Grenzen von Schengen-Staaten. Foto: dpa

Auf designierten Bundesinnenminister Horst Seehofer wartet der erste Konflikt: Entgegen den Brüsseler Wünschen wollen die Innenpolitiker von Union und SPD die Kontrollen verlängern.

Berlin - Den ersten Streit mit der EU-Kommission kann der designierte neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) schon in seinen Terminkalender eintragen: Es geht um die Verlängerung der deutschen Grenzkontrollen. Die bulgarische Ratspräsidentschaft hat Deutschland, aber auch Österreich, Dänemark und Schweden, aufgefordert, die Kontrollen an den Grenzen von Schengen-Staaten aufzuheben. „Binnengrenzen widersprechen den europäischen Werten der ungehinderten Freizügigkeit“, sagte die bulgarische Außenministerin Ekaterina Sachariewa. Die Grenzen innerhalb des Schengen-Raumes müssten offen sein, damit die Wirtschaft nicht leide.

Tatsächlich sind die Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raumes nur in Ausnahmefällen möglich. Der Schengen-Raum ist nicht deckungsgleich mit der EU. Zu den 26 Staaten gehören etwa auch Norwegen und die Schweiz, nicht aber Bulgarien und Rumänien. Deutschland hatte die Grenzkontrollen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im September 2015 eingeführt und sie seither mehrfach verlängert, zuletzt im November 2017. Die aktuelle Frist läuft aber im Mai dieses Jahres aus. Die Kontrollen beschränken sich auf die deutsch-österreichische Landesgrenze sowie auf Flugverbindungen von Griechenland nach Deutschland.

Begründet hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Verlängerung damals mit der „nach wie vor angespannten Sicherheitslage im gemeinsamen europäischen Gefahrenraum“. Auch bestünden „weiterhin Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen sowie ein erhebliches Maß illegaler Migration innerhalb des Schengen-Raums“.

„Die Zeit ist noch nicht reif“

Das Bundesinnenministerium wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung am Dienstag nicht zu einer möglichen weiteren Verlängerung äußern, da die künftige Bundesregierung das Thema regeln muss. Dennoch gilt eine weitere Verlängerung als so gut wie sicher, auch wenn das zu einem Konflikt mit der EU-Kommission führen könnte. Tatsächlich sind sich die potenziellen Partner in einer neuen großen Koalition in diesem Punkt weitgehend einig. Stephan Mayer (CSU), der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte unserer Zeitung, für eine Aufhebung der Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze und bei Flügen aus Griechenland sei „die Zeit noch nicht reif“. „Im Gegenteil, nach wie vor stellen unsere Behörden rund 400 bis 500 illegale Zuwanderer pro Tag fest“, sagte Mayer. Erst wenn der EU-Außengrenzenschutz effektiver funktioniere, sei an eine Aufhebung der Binnengrenzkontrollen zu denken. Unter dem mangelhaften Schutz der Schengen-Außengrenzen „leidet niemand so wie Deutschland“, sagte der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster. Solange es in der EU und unter den Schengen-Staaten „nicht zu einer gemeinsame Asylpolitik, gemeinsamen Asylstandards und einer Einigung auf eine gerechte Verteilung kommt“, sei an der deutschen Kontrolle der Grenzen nicht zu rütteln.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl erklärte gegenüber unserer Zeitung: „Solange wir die Kontrollen brauchen, brauchen wir sie eben. Je schneller wir einen funktionierenden Außengrenzschutz haben, umso schneller können wir die Binnengrenzkontrollen lockern.“

Zahl der illegal in die EU eingereisten Migranten geht stark zurück

Die SPD sieht das im Grundsatz nicht anders. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, „dass Kontrollen der Binnengrenzen so lange vertretbar sind, bis der Schutz der EU-Außengrenzen funktioniert“, erklärte der innenpolitische Sprecher, Burkhard Lischka. „Dem ist leider noch nicht so, weshalb wir noch eine Weile mit innereuropäischen Grenzkontrollen leben müsse.“

Nach Angaben der Grenzschutzagentur Frontex ist die Zahl der illegal in die EU eingereisten Flüchtlinge und Migranten im vergangenen Jahr um 60 Prozent zurückgegangen. Insgesamt kamen 2017 noch 205 000 Menschen über verschiedene Flüchtlingsrouten in die EU. 2016 waren es 511 000, 2015 sogar 1,8 Millionen. Besonders stark war mit 80 Prozent der Rückgang auf der östlichen Mittelmeerroute über die Türkei nach Griechenland.