Erben heißt nicht automatisch reich werden. Denn auch Schulden wechseln den Besitzer. Zwar lässt sich eine Erbschaft ausschlagen. Dazu bleibt aber nicht viel Zeit, und es ist gar nicht so einfach, die finanzielle Situation des Toten zu überblicken.
Stuttgart - Franziska Stein (Name geändert), 33, hat ihren Onkel nie gesehen. Und doch beschäftigt sie sein Tod nun sehr. Denn alles, was sie über dem Bruder ihrer Mutter weiß ist, dass er nicht mit Geld umgehen konnte. „Er hinterlässt nichts als Schulden und weil weder seine Tochter noch meine Mutter das Erbe annehmen wollen, muss auch ich mich jetzt mit Ämtern und Notaren herumschlagen.“ Eine Erbschaft müssen nämlich alle ausschlagen, die in der gesetzlichen Erbfolge stehen. Und es bleibt nicht viel Zeit. Das ist zu tun:
Von der Erbschaft erfahren: Es gibt keinen Standardbrief, in dem einem mitgeteilt wird, dass man zum Erben geworden ist. Gibt es kein Testament, gilt die gesetzliche Erbfolge. Erfahren nahe Verwandtschaftsmitglieder vom Tod des Angehörigen, wissen sie deshalb, dass sie erben könnten. Wird ein Testament gefunden, müssen sie dies dem Nachlassgericht übergeben. In Baden-Württemberg ist das ein Notariat. Dieses kann die genannten Erben dann in Kenntnis setzen. Seit 2012 wird außerdem jeder Todesfall mit dem Zentralen Testamentsregister abgeglichen, welches die Bundesnotarkammer führt. Alle von Notaren aufgesetzte Testamente sind dort hinterlegt. Die Bundesnotarkammer informiert die Nachlassgerichte, diese wiederum die Erben.
Erbschaft annehmen: Stirbt ein Erblasser, fällt die Erbschaft automatisch an. „Erben müssen diese nicht ausdrücklich annehmen“, sagt Martina Schäfer vom Justizministerium Baden-Württemberg. Sobald man Gegenstände des Erblassers an sich nimmt oder einen Erbschein beantragt, signalisiert man in jedem Fall, dass die Erbschaft angenommen wurde. Dann lässt sie sich später auch nur in Ausnahmefällen wieder ausschlagen.
Erbschaft ausschlagen: Ein Erbe übernimmt nicht nur sämtliche Rechte des Erblassers – also beispielsweise den Besitz einer Villa – sondern auch alle Pflichten – also bestehende Schulden, offene Rechnungen, Mietrückstände, Kredite. Nimmt man die Erbschaft an, haftet man dafür nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem Privatvermögen. Wer das nicht will, muss die Erbschaft ausschlagen. Sobald der Erbe von der Erbschaft weiß, muss er sich innerhalb von sechs Wochen (bei eigenem Auslandsaufenthalt oder Wohnort des Erblassers im Ausland sind es sechs Monate) an das Nachlassgericht wenden und zwar mit einem persönlichen Besuch. Ein Brief reicht nicht. Möglich ist das beim Notariat am eigenen Wohnort oder am Wohnort des Verstorbenen. Der Erbe kann sich auch an einen Notar wenden und diesem erklären, dass er das Erbe ausschlagen möchte. Es fallen immer Gebühren an, die sich nach dem Wert des Nachlasses richten. Bei einer Erbschaft von 50 000 Euro sind es etwa 82,50 Euro. Hinterlässt der Erblasser nur Schulden, ist eine Mindestgebühr von 30 Euro zu zahlen.
Vom Inhalt der Erbschaft erfahren: Um zu entscheiden, ob man ein Erbe annehmen oder ausschlagen will, sollte man den Inhalt der Erbschaft kennen. Als Erbe hat man zwar ein Recht auf Konteneinsicht. Meist muss man der Bank hierzu aber einen Erbschein vorlegen. Das Problem ist: „Sobald ein Erbschein beim Notariat beantragt wurde, ist das Erbe angenommen und kann nicht mehr ausgeschlagen werden“, sagt Schäfer. Am besten hat man also schon wie Franziska Stein aus der Verwandtschaft mitbekommen, dass ein Erblasser Schulden hinterlässt. Oder man geht nach dem Tod die Papiere des Erblassers durch. In komplizierten Fällen hilft ein Rechtsanwalt oder Notar.
Erbe nach Ablauf der Frist ausschlagen: Franziska Stein hat ihren Onkel kein einziges Mal gesehen. In ihrem Fall hätte es sein können, dass sie erst Monate später von dessen Tod und ihrer Erbschaft erfährt – beispielsweise, weil sie Post von Gläubigern bekommt. „In einem solchen Fall kann man die Versäumung der Ausschlagungsfrist anfechten“, sagt Martina Schäfer. Gleiches gilt, wenn man keine Möglichkeit hatte, einen Einblick in die Finanzen des Verstorbenen zu bekommen, weil man beispielsweise keinen Schlüssel zur Wohnung hatte. Aber selbst wenn die Anfechtung nicht erfolgreich ist, kann der Erbe zumindest noch verhindern, dass er mit seinem Vermögen für die Schulden haftet: indem er die Haftung auf den Nachlass beschränkt. Zuständig ist das Nachlassgericht oder – bei einem überschuldeten Nachlass – das Insolvenzgericht. Dann haben die Gläubiger zwar ein Anrecht darauf, dass beispielsweise das Haus des Verstorbenen verkauft und das Geld an sie weitergegeben wird. Reicht das nicht, um die Schulden zu begleichen, gehen sie leer aus – und können sich mit ihren Forderungen nicht mehr an die Erben wenden.
Erbfolge beachten: Franziska Stein ist nur eines von vielen Familienmitgliedern, welches die unerwünschte Erbschaft des Onkels ausschlagen muss. Nachdem weder die Tochter noch die Schwester des Onkels (Steins Mutter) die Erbschaft antreten wollten, ist sie mit ihrem Bruder in der gesetzlichen Erbfolge als nächstes an der Reihe. Die Frist beginnt für sie, sobald das Nachlassgericht ihr mitteilt, dass ihre Mutter das Erbe nicht antritt. Haben alle noch lebenden Familienmitglieder in der Erbfolge das Erbe ausgeschlagen, landet es beim Staat. Zuständig ist das Bundesland, indem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. „Ist noch Geld auf dem Konto oder gibt es Grundstück zum Verkauf, werden damit die Schulden getilgt“, sagt Martina Schäfer. Reicht das nicht oder ist gar kein Vermögen vorhanden, gehen die Gläubiger leer aus.
Unter www.service-bw.de und dem Suchwort „Notariate“ gibt es eine Übersicht mit Adressen der Notariate in Baden-Württemberg.