Überraschender Deal zweier württembergischer Unternehmen: Die Würth-Gruppe übernimmt den Ulmer Schmierstoff-Hersteller Liqui Moly.
Ulm/Künzelsau - Der Ulmer Unternehmer Ernst Prost verkauft die Unternehmensgruppe Liqui Moly, die er stets sein „Baby“ nannte. Diese Wirtschaftsnachricht zum Jahresende hätten die wenigsten Beobachter für möglich gehalten, denn der Selfmade-Unternehmer und gelernte Automechaniker Prost trat nicht zuletzt in einer Reihe von Fernseh-Talkshows stets als rastloser Macher auf, der sich mit seinen Mitarbeitern stark identifizierte. Noch am Donnerstag nannte er sie gegenüber unserer Zeitung mit Bezug auf die Großkonkurrenz von Shell oder BP „meine 820 tapferen Gallier“. 2016, als ein neuer Rekordumsatz erreicht wurde, schüttete der Unternehmer jedem Mitarbeiter eine Gratifikation in Höhe von 11 000 Euro aus.
Kein Nachfolger in der Familie
Mit Wirkung zum 1. Januar wird Liqui Moly der Künzelsauer Würth-Gruppe gehören. Am Mittwoch war es zum entscheidenden Notartermin gekommen. Dabei überschrieb Prost die ihm gehörenden 33 Prozent Anteile an seinem Unternehmen an Würth. Wie jetzt erst öffentlich wurde, besaßen die Künzelsauer in Form einer stillen Teilhaberschaft bereits 66 Prozent an Liqui Moly. Über die Summe, die Prost erhält, wurde Stillschweigen vereinbart. Der Handel muss nach Information der Würth-Gruppe noch von den zuständigen Wettbewerbsbehörden genehmigt werden.
Mit dem Verkauf stelle er „den Fortbestand von Liqui Moly und Méguin für eine Zeit sicher, wenn ich selbst einmal nicht mehr am Steuerrad stehen sollte“, verbreitete Ernst Prost in einer Pressemitteilung. Im Gespräch mit unserer Zeitung präzisierte er seine Entscheidung. Er werde demnächst 61 Jahre alt, sagte er. „Die Wirtschaft wird immer härter. Wir stehen immer größeren Einheiten gegenüber, sowohl auf Lieferanten- als auch auf Kundenseite.“ Immer habe er „große Angst gehabt, was wird, wenn mir was passiert“. Allerdings gebe es keine Krankheit, auch keinen gesundheitlichen Warnschuss. Prost lebt im bayerischen Leipheim, er hat einen 25 Jahre alten Sohn. Doch eine Nachfolge innerhalb der Familie sei ausgeschlossen. „Ihn liebe ich zu sehr, als dass ich ihn da reindrücken möchte.“
Eine überwiegend männlich geprägte Arbeitswelt
Sowohl den Mitarbeitern als auch der Welt der Kfz-Werkstätten bleibt Prost trotz des Verkaufs weiter erhalten. Er wird allerdings vom geschäftsführenden Gesellschafter zum Geschäftsführer. An seine Seite tritt laut der Würth-Gruppe gleichberechtigt Günter Hiermaier (52), bisher Vertriebsleiter des Ulmer Schmierölherstellers. „Unser Ziel ist die nachhaltig erfolgreiche Weiterentwicklung von Liqui Moly in der Zukunft. Dafür vertrauen wir weiterhin voll und ganz auf das unternehmerische Geschick von Ernst Prost“, sagte Peter Zürn, stellvertretender Sprecher der Konzernführung der Würth-Gruppe. Liqui Moly erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit Automotiv-Chemie einen Umsatz von 489 Millionen Euro.
Prost gilt aktuell nicht nur als unersetzlich, weil er ein rastloser Arbeiter ist, sondern weil er auch die Sprache der Werkstätten- und Tankstellenbetreiber spricht – einer überwiegend männlich geprägten Arbeitswelt. Auch in der deutschen Tuner- und Autoschrauberszene ist die Marke aus Ulm stark präsent, unter anderem mit einem jährlichen Kalender mit Rennwagen. Trotz beharrlicher Kritik hält das Unternehmen auch an seinen Erotikkalendern für Kunden fest, die stets nackte Haut in Verbindung mit schnellen Autos zeigen.
Würth seit 1998 stiller Teilhaber
Die stille Beteiligung der Künzelsauer an den Ulmern reicht bis 1998 zurück, dem Jahr, als Ernst Prost das Unternehmen übernahm. Das Geld von Reinhold Würth half ihm bei dem Schritt. „Wir kennen uns seit 30 Jahren. Wir haben dasselbe Unternehmer-Gen“, sagte Prost über den Schraubenfabrikanten. Die Würth-Gruppe beschäftig aktuell 74 000 Mitarbeiter in rund 80 Ländern und besteht aus mehr als 400 Gesellschaften. Liqui Moly, heißt es bei Würth, werde künftig als unabhängiges Unternehmen mit eigenständiger Marke geführt.
Tritt Ernst Prost nach einer Übergangszeit endgültig ab? Der 60-Jährige tritt dieser Spekulation entgegen. Mit Bezug auf Reinhold Würth betonte er: „Der Professor ist 82 und werkelt auch noch kräftig herum. So stelle ich mir das auch vor.“ Der Wandel zur Elektromobilität sei längst die große Herausforderung. „Der Elektromotor wird kommen, aber er wird nicht zu hundert Prozent den Verbrennungsmotor ersetzen“, so Prosts Prognose. Es gelte, mittelfristig wegbrechende Anteile an Motoröl durch andere Produkte zu ersetzen.