In Überlingen erhitzen sich wegen der OB-Wahl die Gemüter Foto: Mende

Fast sah Jan Zeitler in Überlingen schon wie der sichere Sieger aus. Doch vor der Stichwahl um den OB-Posten wird es plötzlich spannend. Familiäre Verwicklungen könnten Zeitler Stimmen kosten.

Überlingen - Ein bisschen hat Jan Zeitler am Sonntag vor drei Wochen schon feiern können. 44,3 Prozent hatte der Verwaltungsbürgermeister aus Horb (Kreis Freudenstadt) bei der Oberbürgermeisterwahl in Überlingen (Bodenseekreis) eingefahren. Satte zwölf Prozentpunkte lag er vor dem Zweitplatzierten Klaus Kirchmann (32,2 Prozent), die amtierende Oberbürgermeisterin Sabine Becker landete mit 17,3 Prozent gar nur auf Platz drei. Die Stichwahl an diesem Sonntag schien für den SPD-Mann ein „g’mähtes Wiesle“ zu sein, wie man in einer Stadt, in der 2020 die Landesgartenschau stattfindet, schon mal formulieren darf. Doch nun wird es noch einmal spannend. Schuld ist eben jene Landesgartenschau – und Schuld sind die beruflichen Ambitionen von Zeitlers Ehefrau.

Annette Stoll-Zeitler ist nämlich eine ausgesprochene Gartenschau-Expertin. In Sigmaringen war sie für die Gartenschaufördergesellschaft BW-Grün schon als Projektleiterin tätig und ebenso in Horb, wo sie ihren heutigen Mann kennenlernte. Gegenwärtig bereitet sie als Geschäftsführerin die Schlussabrechnung der gerade zu Ende gegangenen Gartenschau in Öhringen (Hohenlohekreis) vor. Jetzt will BW-Grün die Landschaftsarchitektin als zweite Geschäftsführerin nach Überlingen entsenden. Das Pikante daran: Würde ihr Mann gewählt, wäre er zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Überlinger Laga-Gesellschaft und somit oberster Kontrolleur seiner Partnerin.

Die Personalie wird erst spät bekannt

Erst in der Endphase des Wahlkampfs wurde die Personalie bekannt , doch seither befindet sich Zeitler in der Defensive. Bei einer Podiumsdiskussion musste er sich peinlichen Fragen stellen, während Kirchmann und Becker als verbliebene Konkurrenten kein Blatt vor den Mund nahmen. Vor allem die Rathauschefin fühlt sich von BW-Grün hintergangen. Schon bei einem Besuch in Öhringen im Sommer war ihr Stoll-Zeitler als künftige Co-Geschäftsführerin vorgestellt worden. Doch die habe damals abgewinkt. Man müsse erst den Herbst abwarten. „Ich habe den Hintergrund damals gar nicht verstanden“, sagt Becker. Als dann Zeitlers Kandidatur bekannt wurde, habe sie geglaubt, dass die Bemerkung hierauf abgezielt habe. Klar, der Wechsel von Frau Stoll-Zeitler ist vom Tisch, habe sie gedacht. Aus der Presse erfuhr sie nun vom Gegenteil.

Mit heiklen familiären Konstellationen kennt sich die Becker aus. Als sie, das einstige CDU-Mitglied, vor sechs Jahren ihre Beziehung zum damaligen Überlinger Grünen-Fraktionschef bekanntgab, ging dies mit dessen Mandatsverzicht einher. „Gesetzlich notwendig war das nicht“, sagt Becker. Ähnlich steht es wohl im Fall Zeitler. Es gebe keine rechtlichen Vorgaben, in welcher Familienbeziehung die Geschäftsführer und Mitglieder des Aufsichtsrats stehen dürfen oder nicht stehen, zitiert der „Südkurier“ den Stuttgarter Wirtschaftsprüfer Rudolf X. Ruter.

Will auch die Zeitung lieber Zeitler?

Was die Lokalzeitung verschweigt, sind die Sätze, die Ruter dem Journalisten anschließend in den Block diktiert hat: Nicht alles was legal sei, sei auch legitim. Die Konstellation mache Überlingen „zu einem Familienunternehmen“. Die geforderte Unabhängigkeit und Transparenz seien aus seiner Sicht nicht sichergestellt. Insgesamt handle es sich bei dem Fall um ein „absolutes No-Go“. Man habe hier nur eine Sachinformation publizieren wollen, die sich auf Paragrafen stütze, rechtfertigt der „Südkurier“-Lokalchef Stefan Hilser die Kürzung. Die Interpretation wolle man dem Wähler überlassen. Ruter ist allerdings über die „Entstellung“ (O-Ton Ruter) seiner Aussagen in der Zeitung nicht glücklich. „Für mich ist klar: Der ‚Südkurier’ will Zeitler als OB“, sagt er.

Zeitler hat ohnehin einflussreiche Freunde. Die Freien Wähler haben ihn an den See gelotst, seine Parteifreunde von der SPD unterstützen seinen Wahlkampf, die Junge Union klebt Plakate. Doch allzu große Nähe zum Establishment kann in diesen Tagen schaden. „Ich werde die Wahl gewinnen“, prophezeit der Gegenkandidat Klaus Kirchmann. Ein polternder Trump ist der aus Überlingen stammende parteilose Verwaltungswissenschaftler allerdings nicht, sondern ein Mann der Mitte, mit dem der Gemeinderat vermutlich leben könnte. Auch Becker hat trotz ihres schlechten Abschneidens im ersten Wahlgang nicht aufgegeben. „Ein Stimmungsumschwung ist spürbar“, sagt die 50-Jährige. Zeitler sieht sich derweil als unbelastet: „Ich bin doch der Kandidat von außen.“ Er wolle OB werden. Auf den Vorsitz im Laga-Aufsichtsrat könne er auch verzichten.