Startbahn des Flughafens Friedrichshafen vor schöner Kulisse: Tragfähiges Geschäftsmodell gesucht. Foto:  

Der Flughafen Friedrichshafen steckt tief in den roten Zahlen, die Aussichten sind trüb. Jetzt wird über ein Unternehmermodell nach Mannheimer Vorbild nachgedacht.

Friedrichshafen - Die Flughafengesellschaft Friedrichshafen hat ihren Geschäftsbericht 2015 karg gestaltet: 27 Seiten in einem Schnellhefter. Solche Sparsamkeit ist dem Betriebsergebnis angemessen. 1,6 Millionen Euro betrug der Verlust im Vorjahr. Die Pleite der belgischen Regionalfluglinie VLM vor einem Monat ist da noch gar nicht berücksichtigt. Zunächst sei der Flugbetrieb dank eines Ende 2015 gewährten Sonderdarlehens der Gesellschafter in Höhe von 3,5 Millionen gesichert, sagt ein Flughafensprecher. Trotzdem muss rasch ein neues tragfähiges Geschäftsmodell her.

Die Antwerpener VLM schien nach der Pleite der Bregenzer Fluggesellschaft Intersky im vergangenen Jahr die unerwartet schnelle Rettung für den Flugbetrieb in Friedrichshafen zu sein. Intersky flog von dort die Flughäfen Düsseldorf, Hamburg und Berlin an. Diese Strecken hat dann VLM übernommen. Von den Schwierigkeiten, die die Belgier bei ihrem Einstieg bereits hatten, wusste am Bodensee offenbar niemand etwas. Nun heißt es in Friedrichshafen, VLM habe mit ihren drei Städteverbindungen nach Berlin, Düsseldorf und Hamburg durchaus Geld verdient, sei vielmehr durch Altschulden vom Himmel geholt worden.

Nachprüfen lässt sich das kaum mehr. Fast aussichtslos scheinen jedenfalls die Chancen für den Bodensee-Airport, noch einmal einen Carrier zu finden, der bereit ist, drei Maschinen in Friedrichshafen mit einer rentablen Größe von je 50 bis 70 Sitzen zu stationieren. Der Luftfahrtexperte und Publizist Peter Pletschacher, Präsident des deutschen Luftfahrt-Presse-Clubs und aus seiner Zeit als Dornier-Pressereferent mit den Verhältnissen am Bodensee vertraut, sagt: „Ich sehe keine Gesellschaft, die in der Größe, die Friedrichshafen braucht, einsteigt.“

Aufteilung der Flughafengesellschaft wird überlegt

Das dämmert wohl auch dem Airport-Management am Bodensee. „Keiner hat drei Flugzeuge auf der Seite stehen und sagt, damit gehe ich jetzt nach Friedrichshafen“, bestätigt der Flughafensprecher. Derzeit werden mehrere alternative Rettungsoptionen durchgespielt. Eine ist, die drei vakanten innerdeutschen Streckenverbindungen einzeln am Markt anzubieten und dabei notfalls mit Garantien für Ticketkontingente ins betriebswirtschaftliche Risiko zu gehen. So könnte sich womöglich auch eine Lufthansa interessieren, die bisher täglich Frankfurt anfliegt. Zumindest rechnerisch geht es um bis zu 100 000 Passagiere, die sich nach der VLM-Pleite aktuell nach Stuttgart, München oder Memmingen orientieren müssen.

Eine weitere Option ist die Aufteilung der Flughafengesellschaft in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft, um frisches Geld in die Kasse zu bringen. So hat es in diesem Jahr der ebenfalls defizitäre Konkurrenzflughafen im nahen Memmingen vollzogen. Bayerische Landkreise und Städte haben sich in zwei neue Besitzgesellschaften eingekauft, die für den Geld verschlingenden Erhalt und Ausbau der Infrastruktur und die Vermarktung von Gewerbeflächen zuständig sind. In Friedrichshafen macht zum Beispiel die Technik des 1952 gebauten Towers zunehmend Sorgen. Eine Komplettsanierung sei aus Eigenmitteln nicht zu schaffen, warnt der Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr.

Auch über Hilfe der regionalen Wirtschaft wird diskutiert

Die aktuell wohl spektakulärste Rettungsidee ist die Gründung einer eigenen Airline mit Hilfe der regionalen Wirtschaft. Der Sprecher des Flughafens bestätigt immerhin solche Überlegungen, will sich aber zum Stand der Gespräche nicht äußern. Vorbild könnte die Gründung der Rhein-Neckar-Air im Jahr 2013 sein. Zehn Unternehmen, darunter SAP, Heidelberg Cement und Südzucker, hatten eine Anschubfinanzierung gestemmt, nachdem 2012 Cirrus Airlines zahlungsunfähig wurde und die Verbindung von Mannheim nach Berlin-Tegel gekappt war.

In Friedrichshafen wären an erster Stelle wohl die ZF AG, die Luftschiffbau Zeppelin, Airbus und Dornier sowie die MTU gefordert, die zwischen einem und vier Prozent der Gesellschafteranteile halten. Doch risikofrei ist so ein Engagement keinesfalls. So ist im Oktober 2014 die Gesellschaft Augsburg Airways pleite gegangen. Bei Augsburg Airways hatte maßgeblich der Papierhersteller Haindl starkes Interesse an firmeninternen Flugverbindungen zwischen Augsburg und Düsseldorf. Am Ende fehlten eben doch die Fluggäste, um profitabel zu werden. Unternehmensfinanzierte Airlines seien zwar ein kleiner Trend, sagt der Luftfahrtexperte Pletschacher, „aber man muss wissen, dass das ein sehr steiniger Weg ist.“

In Friedrichshafen wird die Zeit für Lösungen knapp. In der Folge des gescheiterten Putsches in der Türkei schwächeln bereits die Verbindungen der Turkish Airlines sowie der türkischen Touristikflieger Corendon Airlines, Freebird und SunExpress. Für den nächsten Winter rechnet das Management mit Einbrüchen in Folge des Brexit. Bisher hatte vor allem British Airways Skitouristen von London-Gatwick aus an den Bodensee geflogen. Eine weitere frühere Winterverbindung mit Rotterdam mussten sich die Friedrichshafener schon im vergangenen Jahr vom Flughafen Innsbruck abjagen lassen. Auch der Weg nach Süden ist teilweise versperrt. Der nahe Schweizer Flughafen St. Gallen-Altenrhein wirbt mit einer täglichen ganzjährigen Verbindung nach Wien.

Subventionswettlauf im Süden

Eine weitere Drohkulisse ist das Vorhaben der Europäischen Union, bis 2024 den Subventionswettlauf der Regionalflughäfen zu stoppen, indem staatliche Beihilfen für Betrieb und Investitionen verboten werden. Ohne Steuergelder aber wäre der Bodensee-Airport – wie praktisch alle deutschen Regionalpisten – derzeit nicht lebensfähig. Hauptgesellschafter sind mit jeweils knapp 40 Prozent der Geschäftsanteile die Stadt Friedrichshafen und der Landkreis Bodenseekreis. Das Land Baden-Württemberg hält knapp sechs Prozent der Anteile.

Kurzfristig heizt das Land Bayern den Subventionswettlauf im Süden sogar noch an. Aktuell laufen Gespräche über einen millionenschweren Einstieg des Freistaats in Memmingen, wie das Finanzministerium in München bestätigte – die Rede ist von bis zu 25 Prozent der Anteile. Vor allem unter der grün-roten baden-württembergischen Landesregierung, heißt es aus Friedrichshafen, sei von solchem Förderelan nie etwas zu spüren gewesen.

Friedrichshafen steckt laut Experte Pletschacher in einem „Teufelskreis“. Es ist aus seiner Sicht unmöglich, einen Regionalflughafen solcher Größe aus sich selber heraus profitabel zu machen. Zugleich stünden die Airport-Gesellschaften unter ständigem Rechtfertigungsdruck. „Bei Flughäfen erwartet man immer, dass sie Geld verdienen. Rentieren sich eigentlich die Autobahnen?“, fragt er. Der Friedrichshafener Flughafensprecher wagt sich nicht in solche Argumentationsfelder. Er sagt: „Wir haben den Anspruch, auf die schwarze Null zu kommen.“