Die Oberbürgermeisterin von Zwickau, Pia Findeiß, musste um ihre Enkelin bangen. Foto: dpa

Immer wieder werden Politiker Opfer von Straftaten. Die Ziwckauer Oberbürgermeistern Pia Findeiß sah sich in der Vergangengeiht immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Muss man die Mandatsträger besser schützen?

Berlin - Pia Findeiß hat mit diesem Thema ihre unangenehmen Erfahrungen gemacht. Die Sozialdemokratin und Oberbürgermeisterin von Zwickau wurde in der Vergangenheit mehrmals von Bürgern bedrängt und attackiert. 2016 etwa flog ein Stein gegen ihr Wohnhauses und durchschlug ein Fenster. Im Mai 2017 lauerte ihr ein Mann in der Nähe eines Friedhofs auf, wo sich die Politikerin gemeinsam mit ihrer damals zweijährigen Enkeltochter aufhielt. Der Mann filmte das Kind und stellte die Aufnahmen ins Internet. Kommentatoren im Netz machten kurz darauf die Anschrift des Kindergartens öffentlich, den das kleine Mädchen besuchte.

Der Mann wurde inzwischen verurteilt, ebenso wie ein anderer Täter, der 2015 in Leipzig gemeinsam mit anderen einen Anschlag auf Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) verübte. Bei einer nächtlichen Attacke auf die Privatwohnung des Minister waren die Fenster mit Steinen zertrümmert worden. Danach warf der Täter Buttersäure hinterher. Es gäbe viele weitere Beispiele.

Bundespräsident Steinmeier lud Mandatsträger zu einer Diskussion ein

Am Freitag empfing Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin mehrere Kommunalvertreter, um über Gewalt gegen Mandatsträger zu sprechen, unter den Geladenen war auch Findeiß. Steinmeier äußert sich im Anschluss an das nicht öffentliche Gespräch besorgt. Nicht nur Kommunalpolitiker selbst, sondern auch ihre Familien seien von Drohungen betroffen. „Wenn wir diesen Trend nicht brechen, wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die bereit sind, in den Kommunen Verantwortung übernehmen“, sagte Steinmeier.

Jüngste Zahlen aus dem Bundesinnenministerium sind in der Tat besorgniserregend. Seit 2016 werden Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger statistisch gesondert erfasst. Hierzu zählen nicht nur Übergriffe auf Politiker, sondern auch gegen Richter, Gerichtsvollzieher und weitere Behördenangehörige. Gezählt werden verschiedenste Arten von Delikten – von Sachbeschädigung über Propagandavergehen bis hin zu Körperverletzung.

Im Jahr 2017 kam es demnach bundesweit zu insgesamt 1519 solcher Straftaten, darunter 65 Gewaltdelikte. Mehr als 600 wurden dem rechten politischen Spektrum zugeordnet, circa 200 dem linken. Weitere 622 waren nicht zuzuordnen, 34 wurden unter „ausländische Ideologie“ verbucht. Im Jahr 2016 lagen die Zahlen laut einer Kleinen Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Irene Mihalic sogar noch höher, nämlich bei 1840.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sieht vor allem eine Ursache hinter dieser Entwicklung. Ein großer Teil der Bürger sehe den Staat inzwischen als Dienstleister, der dafür zu sorgen habe, dass es jedem gut geht und die individuellen Interessen gewahrt sind, sagt Landsberg unserer Zeitung. „Wenn der Staat das nicht tut, richten viele Bürger ihre Wut und Unzufriedenheit gegen dessen Vertreter. So würden Amts- und Mandatsträger in den Kommunen auch für Dinge verantwortlich gemacht, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fielen, „etwa die Sicherung der Landesgrenzen“. Die Tatsache, dass die Politiker demokratisch gewählt wurden oder Ehrenamtliche sind, spiele für viele keine Rolle.

Eine Gefahr für die Demokratie?

„Die Toleranz und die Hemmschellen sind gesunken, das ist ein Problem“, beobachtet auch Findeiß. „Wir müssen wieder vernünftig miteinander umgehen und Respekt vor der Meinung anderer zeigen“, fordert sie. Trotz der unschönen Erfahrungen, die sie machen musste, sei sie nach wie vor gerne Oberbürgermeisterin, „die vielen positiven Erlebnisse wiegen die Attacken auf meine Person auf“. Trotzdem stelle sich die Frage: „Wer will sich das noch antun“?, zumal ehrenamtliche Bürgermeister lediglich eine Aufwandsentschädigung bekämen. Erschwerend hinzu komme: „Je kleiner der Ort ist, desto mehr ist die Familie mitbetroffen.“

Landsberg glaubt, dass hieraus sogar eine Gefahr für die Demokratie erwachsen kann. Wenn die Übernahme eines solches Amt mit persönlichen Risiken für einen selbst und für die eigene Familie verbunden sei, „sind noch weniger Menschen bereit, sich zu engagieren“. Landsberg fordert daher Hilfe vom Gesetzgeber. Der Strafgesetz-Paragraf 113 zum „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ sei erst vor kurzem ausgeweitet worden. Der Paragraf schützt seither auch Helfer wie Feuerwehrleute und Rettungssanitäter. „Ich plädiere dafür, dieses Gesetz auf politische Amts- und Mandatsträger auszuweiten.“