Auf dem Cannstatter Wasen erzählen Frauen von Griffen unter das Dirndl und Männern, die den Rock hochziehen (Symbolbild). Foto: imago/Lichtgut

Mit Radlerhosen unter dem Dirndl schützen sich einige Frauen auf dem Cannstatter Volksfest. Es braucht mehr gesellschaftliches Bewusstsein für Übergriffe an Frauen – denn sie dürfen nicht als normal gelten, meint unsere Autorin Annika Mayer.

Eine Radlerhose besteht aus wenig Stoff – aber sie sagt viel über die Situation von Frauen auf dem Cannstatter Volksfest aus. Viele junge Frauen tragen die kurze Hose unter dem Dirndl. Wenn man danach fragt warum, hört man von haarsträubenden Situationen, die andere Frauen oder sie selbst erlebt haben. Dirndl werden einfach hochgezogen, Frauen in den Schritt gegrapscht, Fotos unter dem Rock geschossen.

 

Wütend machen nicht nur die Taten selbst und wie viele Personen davon berichten können – sondern auch, wie sehr Grenzüberschreitungen von Männern für Frauen zur Normalität gehören. Du willst als Frau ins Bierzelt? Dann musst du dir eine Radlerhose anziehen, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass du einen Übergriff erlebst. Frauen sollten feiern können, ohne vor sexualisierter Gewalt Angst haben zu müssen. Sie sollten sicher sein, egal wie viel Alkohol um sie herum fließt, egal wie kurz oder wie tief ausgeschnitten ihr Dirndl ist.

Dafür braucht es dringend mehr gesellschaftliches Bewusstsein für sexualisierte Gewalt an Frauen. Die Gesellschaft muss hinschauen auf dieses Thema, statt einfach unbekümmert weiterzufeiern. Dabei darf aber nicht im Fokus stehen, wie Frauen sich gegen Übergriffe schützen können. Dass sie etwa einen Taschenalarm mitnehmen und nicht alleine unterwegs sein sollten. Stattdessen muss mehr Bewusstsein für das gewaltvolle Verhalten selbst, das Frauen erleben, herrschen. Denn nur, wer für sexuelle Übergriffe sensibilisiert ist, erkennt diese auch im Bierzelt und schreitet ein, wenn ein Mann einer Frau unter den Rock fasst oder ihre Unterwäsche fotografiert.