Fingerzeig in die richtige Richtung: Immer mehr Schüler gehen auf die ihnen empfohlene Schule. Foto: dpa

Es ist gut, dass die Stuttgarter Schulleiter eine pädagogische Antwort auf die Fehler in der Bildungspolitik gefunden haben, meint Redakteurin Inge Jacobs. Selbstverständlich ist das nicht.

Stuttgart - Jahr für Jahr scheitern in Stuttgart mehrere Hundert Kinder am Gymnasium. Was das bedeutet? Sie sind verzweifelt, zerreißen ihre Klassenarbeiten, verlieren ihr Selbstbewusstsein, trauen sich nichts mehr zu oder stören und werden aggressiv. Das kann niemand wollen. Es ist mutig und richtig, dass der geschäftsführende Leiter der Stuttgarter Gymnasien, Holger zur Hausen, das Ausmaß dieser Entwicklung und die Not der Kinder öffentlich gemacht hat – auch durch seinen Bericht im Schulbeirat.

Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern eine Folge verfehlter Bildungspolitik. Es passt eben nicht zusammen, für eine Schulart wie das Gymnasium einerseits bestimmte Mindestanforderungen an Intellekt und Selbstständigkeit der Kinder zu stellen, deren tatsächliche Voraussetzungen bei der Aufnahme aber zu ignorieren. Es ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, dass Eltern jetzt wieder bei der Anmeldung an den weiterführenden Schulen die Grundschulempfehlung vorlegen müssen. Das ermöglicht den Gymnasien in abweichenden Fällen eine Beratung. Es zeigt sich nun, dass diese in einigen Fällen erfolgreich ist. Erfolgreich im Sinne der Kinder, denen ein wahrscheinliches Scheitern dadurch erspart werden kann, dass sie auf eine Schulart gehen, die besser zu ihnen passt. Etwa Realschule oder Gemeinschaftsschule. Gut so.

Weiterführende Schularten beraten frühzeitig gemeinsam über Problemkinder

Es ist eine positive Nachricht, dass die Zahl der Kinder, die sich „im Gymnasium absehbar schwer tun“, wie zur Hausen das formuliert, künftig deutlich geringer wird. Und es gibt noch eine weitere positive Nachricht: Auch für die aktuellen, verzweifelten Gymnasialkinder haben sich der geschäftsführende Schulleiter der Gymnasien auf der einen Seite und seine Kollegin von den Real-, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen auf der anderen Seite im Einvernehmen mit dem Schulamt eine vernünftige Lösung ausgedacht – über die Schularten hinweg: Man trifft sich nach den Halbjahres-Zeugniskonferenzen in dieser Runde, um für die dringlichsten Fälle sofort eine passende Alternative zu finden, den anderen aber schon frühzeitig eine andere schulische Perspektive in Aussicht stellen. Das erleichtert nicht nur die Planung, sondern hilft vor allem den Kindern. Chapeau.

inge.jacobs@stzn.de