In einer unscheinbaren Akte stieß die Museums-Kuratorin auf den roten Separatistenstern von Konrad Schacher – eines des Highlights der Ausstellung. Foto: factum/Granville

Das Gefängnis-Museum auf dem Hohenasperg startet in die Saison – und stellt ungewöhnliche neue Häftlingsbiografien vor. Bewegend ist vor allem die Geschichte des Separatisten Konrad Schacher, der sich von der Obrigkeit nicht brechen ließ.

Asperg - Er führte ein privilegiertes Leben, hatte es als Landwirt zu Wohlstand gebracht, war Bürgermeister in Rottenacker am Rand der Schwäbischen Alb. Dann, irgendwann im Jahr 1799, gab Konrad Schacher alles auf, allen weltlichen Besitz, um sich den Separatisten anzuschließen. Einer Gruppe von radikalen Pietisten, die im späten 18. Jahrhundert Anhänger um sich scharte. Als Zeichen ihrer Erwähltheit hefteten sie sich einen Stern an den Hut. Nur wenige Separatistensterne sind heute noch erhalten, lange hat Franziska Dunkel, die Kuratorin der Ausstellung auf dem Hohenasperg, in Archiven danach gesucht, immer erfolglos. Bis sie eine unscheinbare Akte im Ludwigsburger Staatsarchiv öffnete. „Da war er“, erzählt Dunkel, „der Stern von Konrad Schacher.“

Schacher wurde damals schnell einer der wichtigsten Separatisten, und sein Stern ist jetzt eines der wichtigsten neuen Objekte im Museum auf dem Hohenasperg, das sich der langen und tränenreichen Geschichte der einstigen Festung und des berühmten Gefängnisses oberhalb von Asperg widmet. Vor wenigen Tagen hat die neue Saison begonnen, und wie jedes Jahr hat Dunkel die Ausstellung, in deren Zentrum die Biografien bekannter und weniger bekannter Häftlinge stehen, verändert und ergänzt.

Neu hinzugekommen sind Vitrinen zu Schacher und zu Joseph Fickler, Mitte des 19. Jahrhunderts Außenminister der Revolutionsregierung in Baden, außerdem zu Konstantin Hierl, dem Reichsarbeitsführer im Dritten Reich.

Die Pietisten warteten nicht nur auf Christus, sondern lehnten auch die Obrigkeit ab

Dass Schacher eingesperrt wurde, hat wenig mit seiner Religion zu tun, sondern, wie so oft auf dem Hohenasperg, mit Politik. In Württemberg herrschte Ende des 18. Jahrhunderts Gewissensfreiheit. „Die Menschen durften glauben was sie wollten“, erklärt Dunkel. Die Radikalpietisten warteten aber nicht nur auf die Wiederkehr Christi, sie gingen viel weiter, lehnten die weltlichen Herrscher ab, verzichteten darauf, vor Amtsträgern den Hut zu ziehen. „Und was noch viel schlimmer war: Sie stellten keine Soldaten“, so Dunkel.

Zwei Mal kam Schacher in Beugehaft, aber schmerzhafter dürfte eine andere Strafe gewesen sein. In der Vitrine des Museums liegt eine Liste aus dem Stuttgarter Waisenhaus, auf der die Namen seiner Kinder auftauchen, die man ihm weggenommen hatte. Später jedoch fanden Teile der Familie wieder zueinander. Als Schacher 1817 nach Odessa auswanderte, waren seine Frau und drei seiner Kinder dabei. „Es ist der Obrigkeit nicht gelungen, ihn zu brechen“, sagt Dunkel.

Der Revolutionär Joseph Fickler kam auf den Hohenasperg – was ihm wohl das Leben rettete

Das gilt auch für den zweiten prominenten Neuzugang im Museum. Joseph Fickler war als Redakteur der Konstanzer Seeblätter Mitte des 19. Jahrhunderts eine einflussreiche Stimme der demokratischen Opposition, bevor er als Außenminister der provisorischen badischen Revolutionsregierung 1849 in Stuttgart verhaftet wurde. Was ihm womöglich das Leben rettete. Als der badische Aufstand gescheitert war, drohten den Revolutionären drastische Strafen, ein anderer Redakteur der Seeblätter wurde hingerichtet. Mehrfach forderten die Badener die Auslieferung von Fickler, aber die Württemberger weigerten sich und ließen den Demokraten 1850 auf Kaution frei. Fickler floh nach Amerika. „Wenigstens sicher“ steht auf seiner Vitrine. „Das hat sein Bruder gesagt, als er von der Verhaftung erfuhr“, erklärt Dunkel.

Insgesamt präsentiert das Museum in dieser Saison Biografien von 23 Häftlingen, darunter ganz unterschiedliche Charaktere wie der unbequeme Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart, die Opernsängerin Marianne Pirker, der Remstalrebell Helmut Palmer oder der NS-Täter Konstantin Hierl. Geöffnet ist die Zweigstelle des Hauses der Geschichte bis zum 4. November: donnerstags bis sonntags (auch an Feiertagen) von 10 bis 18 Uhr. Darüber hinaus werden Sonderführungen und Workshops angeboten.