Vor dem Landgericht Stuttgart hat der fünfte Prozess rund um Bestechungen in der Zulassungsstelle Böblingen begonnen – gegen drei Händler aus Leonberg.
Sieben Jahre nach Beginn des Tatkomplexes um gefälschte Kfz-Zulassungen in den Zulassungsstellen Böblingen und Leonberg hat vor dem Landgericht Stuttgart der insgesamt fünfte Prozess in diesem Zusammenhang begonnen. Auf der Anklagebank sitzen diesmal ein 60-jähriger ehemaliger Autohändler aus Leonberg und seine beiden 30 und 38 Jahre alten Söhne. 40 Minuten dauert es, bis der Staatsanwalt die Anklage mit mehr als 100 Tatvorwürfen verlesen hat. Sie lauten auf Betrug, mittelbare Falschbeurkundung, Bestechung in besonders schweren Fällen und Falschbeurkundung im Amt.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war der 60-Jährige faktischer Betreiber eines Autohandels in Leonberg, der auf seine Frau eingetragen war. Die beiden Söhne sollen für den An- und Verkauf von Autos unter anderem aus Libyen, Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten zuständig gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Trio im Wesentlichen vor, zwischen 2017 und 2020 zahlreiche Fahrzeuge, die nicht aus dem EU-Bereich stammten, eingeführt und in Leonberg als zulassungsfähige EU-Fahrzeuge verkauft zu haben.
46 Autos zugelassen, obwohl wichtige Unterlagen fehlten
Zu diesem Zweck hätten sie mit vier Tüv-Prüfern zusammengearbeitet, die die dafür notwendigen Hauptuntersuchungsberichte und Gutachten gegen Bezahlung ausgestellt hätten. Laut Anklage sollen die Prüfer für jedes der insgesamt 62 Fahrzeuge 210 Euro und die ersparte Gebühr von 70 Euro erhalten haben. Teilweise sollen die Prüfer die Prüfberichte erstellt haben, ohne die Autos überhaupt zu Gesicht bekommen zu haben.
Anschließend haben die drei Männer, so die Anklage weiter, vor allem über zwei Mitarbeiterinnen der Zulassungsstelle Leonberg insgesamt 46 Autos zugelassen, obwohl wesentliche Unterlagen wie Verzollungsnachweise und Datenblätter gefehlt hätten. Die beiden – mittlerweile verurteilten – Mitarbeiterinnen sollen dafür zwischen 100 und 230 Euro pro Zulassung erhalten haben.
Ein Auto war in Schweden gestohlen worden
Schließlich hätten die drei Angeklagten insgesamt 24 Autos mit EU-Zulassung verkauft, was bei den Käufern zu einem Schaden von knapp 10 000 Euro wegen der nachträglich notwendigen Gutachterkosten geführt habe. Eines der Autos, das für 14 300 Euro verkauft wurde, sei in Schweden gestohlen gewesen, die Fahrzeugidentifikationsnummer sei gefälscht worden.
Die drei Angeklagten wiesen die Vorwürfe über ihre Verteidiger allesamt von sich. Rechtsanwalt Manuel Paz erklärte für den 60-jährigen Hauptangeklagten, er habe weder Tüv-Prüfern noch Mitarbeiterinnen der Zulassungsstelle jemals Geld angeboten. Auch Manipulationen an Datenblättern habe er nie angewiesen. Er sei stets davon ausgegangen, dass alles seine Richtigkeit habe. Zudem habe kein einziger Käufer jemals Klage wegen der Zulassungen erhoben.
Verteidiger moniert späten Prozessbeginn
Rechtsanwalt Markus Bessler erklärte, der 38-Jährige habe als Angestellter im Familienbetrieb gearbeitet. Zulassungen habe er nur wenige gemacht. Bestechungen seien gar nicht möglich gewesen, da die Sachbearbeiter nach dem Zufallsprinzip der gezogenen Nummer zuständig gewesen seien. „Ich habe den Eindruck, dass ich hier für alles verantwortlich gemacht werden soll“, erklärte Bessler für seinen Mandanten. Der Anwalt äußerte zudem Unverständnis, warum der Prozess erst jetzt beginne, nachdem die Ermittlungen bereits 2021 abgeschlossen wurden.
Rechtsanwalt Sebastian Dzuba erklärte für den 30-jährigen Angeklagten, dieser habe nur am Wochenende im elterlichen Betrieb mitgeholfen. Er habe nie jemanden bestochen, jemanden angestiftet oder etwas falsch beurkundet, das werde dieser Prozess zeigen.
Für den Prozess sind zwölf weitere Verhandlungstage bis Mitte Juli angesetzt.
Bisher vier Personen verurteilt
Im Zusammenhang mit den gefälschten Kfz-Zulassungen in den Zulassungsstellen Böblingen und Leonberg gibt es bisher vier Urteile: Im Mai 2021 hat das Landgericht Stuttgart eine Ex-Mitarbeiterin der Zulassungsstelle zu vier Jahren und fünf Monaten Haft wegen Bestechlichkeit in knapp 300 Fällen und ihren zeitweiligen Lebensgefährten im August 2021 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Außenstelle Leonberg wurde vom Amtsgericht Leonberg im Oktober 2022 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten wegen Bestechlichkeit in 25 Fällen verurteilt. Ebenfalls wegen 25-facher Bestechlichkeit hat das Landgericht einen ehemaligen Tüv-Prüfer zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.