Foto: Frank Kleinbach

150 Leserinnen und Leser lassen sich von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder begeistern.

Welche Rolle spielt die Kunst im gesellschaftlichen Wandel? Dieser Frage gilt unsere Veranstaltungsreihe „Über Kunst“ in der Galerie Klaus Gerrit Friese in Stuttgart. Über die Position von Museen sprachen wir am Dienstag mit Klaus Albrecht Schröder, seit 2000 Direktor der Albertina in Wien

Wer glaubt, der optimale Werdegang eines erfolgreichen Museumschefs führe über das Studium der Kunstgeschichte und über eine Serie glücklich kuratierter Ausstellungsprojekte, täuscht sich offenbar. Natürlich hat auch Klaus Albrecht Schröder, der als Direktor der Wiener Albertina eines der führenden Museumshäuser in Europa leitet, mit dem Studium der Geschichte – Mediävistik – und Kunstgeschichte die klassische Ausbildung absolviert. Doch viel geholfen, sagte er im Gespräch mit Nikolai B. Forstbauer, Kulturressortleiter unserer Zeitung, habe ihm das nicht. Woher kommt also das diplomatische Geschick, das man dem 1955 in Linz geborenen „Kunstmanager“ gerne nachsagt? Und „wie führt man ein Museum an die Spitze“? Unter dieser Fragestellung fühlte sich das Auditorium nicht allein gut unterhalten. Es erfuhr auch, charmant vorgetragen, so manches Detail aus der Kulturszene, das sich nicht von selbst versteht.

Museum als Unternehmen

Sein Ausflug in die Politik Mitte der 1980er Jahre? Eigentlich ein Fehler, räumt Schröder ein. Als zeitweiliger Kabinettschef der Wiener Kulturstadträtin Ursula Pasterk sei sein Scheitern im Kräftefeld widerstreitender Interessen programmiert gewesen. Ein Aus aber mit positiven Folgen. Denn die Berufung in den Vorstand des als Kunstforum der Länderbank gegründeten BA-CA-Kunstforums bescherte Schröder die Chance, ein Unternehmen zu führen, also Arbeitsabläufe zu organisieren, Arbeitsteilung zu praktizieren, sich auf Marketing einzulassen – „Fähigkeiten zu trainieren, die eine typische Museumskarriere überhaupt nicht kennt“. In der Regel bedeute die Berufung zum Museumsdirektor für den Betroffenen, der seinen Job als Kurator zuvor allein oder mit einer Sekretärin bewältigt habe, einen Sprung ins kalte Wasser. Kein anderes (Wirtschafts-)Unternehmen lasse sich auf ein derartiges Risiko ein.

In der Folge war Schröder als Bau-Koordinator beim Neubau des Leopold-Museums und als kaufmännischer Leiter der Stiftung Leopold erste Wahl. Die Genugtuung darüber, ein solches Vorhaben mit Erfolg durchgeführt, nämlich „etwas ex nihilo gegründet“ zu haben, war deutlich zu spüren. Heute beherbergt der quaderförmige moderne Bau die größte Egon-Schiele-Sammlung der Welt und stellt im Museums-Quartier nahe der Hofburg einen Hauptanziehungspunkt für Besucher dar.

Baustelle Albertina



Drei Jahre später, 1999, folgte als nächste Herausforderung die Albertina. In welchem Zustand hat Klaus Albrecht Schröder das Haus vorgefunden? Es befand sich „in der tiefsten Krise seiner Geschichte“. Und wurde zur Baustelle. Überfällig, dringend gefordert sind ein Studiengebäude und ein Depot. Doch Schröder erkennt: „Die Achillesferse (der Albertina) ist ihr Alleinstellungsmerkmal“, ihre Beschränkung als Hort der grafischen Künste. Alle anderen Museen könnten auf der Basis einer Sammlung in größerem Zusammenhang agieren. Der damals schmerzhaft spürbare Vertrauensverlust des Publikums, ein demoralisiertes Personal und ungenügende Ausstellungsflächen runden das Bild. Von Geld gar nicht zu reden. Sollte er sich darauf einlassen?

In einem denkwürdigen Telefonat mit der zuständigen Ministerin machte Schröder zur Bedingung, dass er in Personalunion die Leitung der Albertina mit seiner Funktion im oben genannten Kunstforum vereinen wolle. Nur so blieben Ausstellungen möglich. Nur diese Kombination habe ihn gerettet. „Und nur deshalb sieht die Albertina so aus, wie sie heute aussieht.“ Das bedeutet grob die Verzehnfachung der Ausstellungsflächen, eine neue Ausstellungshalle oben und gänzlich neue Räume im Untergeschoss, restaurierte historische Prunkräume sowie das von Hans Hollein neu gestaltete Entree mit seinem anfangs heftig diskutierten Flugdach. Kein Wunder daher, wenn Klaus Albrecht Schröder, der die jahrelang geschlossene Wiener Museumsadresse zu neuem Glanz geführt hat, auf diese Leistung mit Befriedigung zurückblickt: „Es ist faszinierend, wenn man ein Museum so völlig neu im Inneren wie im Äußeren gestalten und positionieren kann.“

Museen sollen auf Besucher zählen, nicht auf den Staat

Entsprechend entspannt reagiert Schröder auf die Frage nach der Kritik, die derart gravierende Umbauten, aber auch die Neukonzeption der Albertina zu einem Museum jenseits ihrer traditionellen Rolle als Forum grafischer Künste ausgelöst haben. Von den Tausenden, die an diesem „Schaufenster“ vorübergehen, seien es nur wenige, die verächtlich spuckten. Dass plötzlich große Ausstellungen stattfinden, wird dankbar begrüßt, was auch den Museumsmann freut. Auf die Frage, wie unabhängig so einer sein müsse, spricht sich Schröder für klare Rollenverteilung aus. Aufsichtsräte hätten sich auf wirtschaftliche Belange zu beschränken. „Wenn’s Budget passt, passt es“, lautet ein Kernsatz. Seit aber im Zeichen der Finanzkrise Subventionen sich in Luft auflösen, bildeten die „Besucher das Rückgrat unserer Museen“. Auf sie, die Besucher, sollten die Museen zählen, nicht auf den Staat. Sie „bringen das Geld“.

Wie aber ist das Vertrauen der Besucher zu gewinnen? Mit der Konzentration auf die eigene Sammlung oder mit attraktiven Sonderausstellungen? Schröder bekennt sich als „Verfechter der Wechselausstellung“, weil damit auch die Sammlung an Interesse gewinnt. Und das Publikum sei anspruchsvoller geworden. Allerdings machen diese Erwartungen die Finanzierbarkeit von Großprojekten zum Problem. Der Transport von Leihgaben, hauptsächlich aber anfallende Versicherungskosten verknüpfen sich auf üble Weise mit Prestigefragen. Wie hoch ist zum Beispiel ein Rothko versichert!? Der Wert eines Kunstwerks würde immer mehr durch die Brille des Kapitalanlegers betrachtet und so auch veranschlagt – zum Nachteil der künstlerischen und letztlich menschlichen Bedeutung.

Eine Marke bilden

Sogar Erwartungen zu enttäuschen gehört zu Schröders Erfolgsrezepten. Gustav Klimt wurde „komplett auf eine Schwarz-Weiß-Welt zurückgeworfen“. Früher hätte er das nicht gewagt. Auch den „Impressionismus“, die jetzt am 13. Mai auslaufende Ausstellung, ausschließlich mit Papierarbeiten zu bestreiten wäre früher nicht gegangen. Doch „die Marke Albertina hat heute einen hohen Stellenwert“. Schröder verweist auf eine Sängerin namens Wolter, deren legendärer „Wolter-Schrei“ am Ende schon begeisterte, wenn sie nur stumm den Mund aufriss. „Wir treiben es mal ganz bunt und werden schwarz-weiß“, so Schröders Pointe.

Vertrauen spielt da eine große Rolle, auch bei den Leuten, die die Arbeit machen. „Wenn das Ziel stimmt, dann zerreißen sich alle.“ Schröder weiß: Allein macht er’s nicht. Das betrifft auch den privaten Sammler. „Die meiste Kunst kaufen Sammler, nicht Museen.“ Die Gefahr, dass Sammler Museen als „Durchlauferhitzer“ für ihre Glanzstücke missbrauchen, sei so groß nicht. Ähnlich pragmatisch und sympathisch ist die Einstellung des Museumschefs zur Rolltreppe, die zur Gegenwartskunst führt. Soll man denn im Theater schlecht sitzen und im Museum Mühsal tragen? Kunst zu betrachten sei ja per se anstrengend. Also gelte es, den Besucher zu schonen.

Kunst braucht Vermittlung

Was er auf alle Fälle vermeiden will, ist aber, dass Besucher mit der Zeit genau wissen, wo sie verlässlich mit diesem oder jenem Werk rechnen können. Sein Haus soll eine „Wechselausstellungsmaschine“ sein, die jedes Mal in ein neues Kleid trägt. Umso bedeutsamer ist unter solchen Umständen die Vermittlung. Als „glühender Verfechter von Vermittlung“ sollen Texte vor Ort, in enger Nachbarschaft zum Exponat, den Leuten Muße zum Verweilen gönnen. Auch da macht sich Schröder für den Wechsel zwischen Lesen und Schauen stark.

Allein die Frage nach seiner Vorstellung von dem, was kommt, lässt der kluge Mann im Ungefähren. Er sei ja kein Volkswirt. Er wisse nicht, was die Zukunft bringe. Doch habe er vor nichts so sehr Angst, als dass er seine Zeit nicht mehr verstehen könne. Dass ein Museum sich erneuern muss, versteht sich von selbst. Deshalb wolle er auf alle Fälle im Hause einen Generationswechsel durchführen. Und seine Erfahrung mit Vorgängern, die in der Einschätzung von Kunst mitunter beklagenswert falsch gelegen hätten, nährten in ihm Zweifel auch an sich selbst. Wer hat schon eine Ahnung, wie die Welt, wie die Albertina in 20 Jahren aussieht? Gleichwohl steht 2013 Klaus Albrecht Schröders Vertragsverlängerung auf der Agenda. Darüber hat die Ministerin zu entscheiden – und zweimal zuvor hat sie seit 1999 bereits ein klares Bekenntnis zu Schröder abgegeben.