Jean-Baptiste Joly vor dem Eingang der Akademie Schloss Solitude. Foto: Peter Petsch

„Kultur und Wissen sind die Haupt­ressourcen der Gesellschaft von morgen“, glaubt Jean-Baptiste Joly, Leiter der Akademie Schloss Solitude und zu Gast in der StN-Gesprächsreihe „Über Kunst“.

„Kultur und Wissen sind die Hauptressourcen der Gesellschaft von morgen“, glaubt Jean-Baptiste Joly, Leiter der Akademie Schloss Solitude und zu Gast in der Gesprächsreihe der Stuttgarter Nachrichten „Über Kunst“.

Stuttgart - „Einerseits“, sagt Jean-Baptiste Joly den Stuttgarter Nachrichten, „gehöre ich zu jenen altmodischen Menschen, die glauben, dass – neben Wohlstand – Kultur und Bildung die zwei tragenden Säulen der Demokratie sind, andererseits bin ich davon überzeugt, dass die Zukunft einer wohlhabenden Region wie Stuttgart mit einem neuen Verständnis von Kunst und Kultur zu tun hat.“ Und Joly ergänzt: „Kultur und Wissen sind nicht mehr nur ein Kostenfaktor, sondern die Hauptressourcen der Gesellschaft von morgen.“

Am Anfang war eine Idee, war ein Impuls, war ein Wille und eine Entscheidung – auf die Frage, mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen die Metropolregion Stuttgart und das Land Baden-Württemberg eine zukunftsorientierte Identität entwickeln können, die zudem nicht nur auf dem Papier, sondern real international wirkt. Wesentlich mit initiiert von dem damaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Lothar Späth (CDU), wird die Idee Realität, wird auf dem Areal von Schloss Solitude die Akademie Schloss Solitude eröffnet.

Von Beginn an ist diese Fördereinrichtung des Landes international orientiert, von Beginn an auch setzt sie auf spartenübergreifende Themen. Vor allem Kunst, Architektur und Gestaltung durchdringen sich, bald aber wird die kritische Begleitung der eigenen Projekte durch eine der Analyse verpflichtete Theoriearbeit selbstverständlich.

„Wir brauchen eine neue, europäische Revolution“

„Die Akademie Schloss Solitude ist zukunftsweisend, weil an diesem Ort Kunstschaffende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt ihr Know-how fächerübergreifend verknüpfen und in praktischen Projekten umsetzen“, skizziert denn auch Peter Frankenberg, vormals baden-württembergischer Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, diese besondere Fördereinrichtung.

Von Beginn an steht Jean-Baptiste Joly an der Spitze der Akademie. 1951 in Paris geboren, lebt und arbeitet er seit 1983 in Stuttgart und von Stuttgart aus. Seit Januar 1989 Vorstand der Stiftung Akademie Schloss Solitude, Gründungsdirektor und künstlerischer Leiter der Akademie, hat Joly zudem eine Professur an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin. Sein Rat ist international gefragt. So ist Jean-Baptiste Joly Vorstandsmitglied diverser Stiftungen, unter anderem der Merkur-Stiftung. Zudem ist er Mitglied im Beirat von Transcultural Exchange Boston und Mitglied des Deutsch-Französischen Kulturrats.

Welche Bedeutung hat eine Fördereinrichtung wie die Akademie Schloss Solitude heute? Was bedeutet es, wenn Jean-Baptiste Joly mit Blick auf das aktuelle Europa sagt: „Wir brauchen eine neue, europäische Revolution“? Wie weit kann der von Joly forcierte Dialog zwischen jungen Künstlerinnen und Künstlern einerseits und jungen Managerinnen und Managern sowie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gehen, wie ihn das Solitude-Projekt „Art, Science and Business“ initiiert? Diese und andere Fragen wird Jean-Baptiste Joly am Montag, 9. Dezember, im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Über Kunst“ beantworten.

Ein „anderes Wissen“, das „aus künstlerischer Forschung entsteht“

„Seit Eröffnung im Jahre 1990 haben wir mehr als 1100 Stipendiaten aus mehr als 105 Ländern eingeladen und gefördert“, summiert Jean-Baptiste Joly die Arbeit auf Solitude. „Der Austausch“, so Joly weiter, „den wir dadurch erleben, ist intensiv und hält die Akademie in ständiger Bewegung“.

Und wie sieht Joly die Möglichkeiten der Kunst, in die Gesellschaft zu wirken? „Die Akademie Solitude“, gibt Joly unserer Zeitung ein Beispiel, „organisierte jüngst zusammen mit dem Stuttgarter Literaturhaus und dem Jozsef-Attila-Kreis in Budapest ein internationales Literaturfestival.“ „Mit diesem Festival“, so Joly weiter, „wollen wir unseren ungarischen Freunden mitteilen, dass wir sie von Deutschland aus wahrnehmen, dass wir ihre Werke lesen und publizieren, dass die Debatten, die sie zurzeit in ihrem Land zu führen haben, nicht nur Ungarn betreffen, sondern ganz Europa. Diese Rückwärtsbewegung dürfen wir nicht ausschließlich unter einem nationalen Gesichtspunkt sehen. Es ist ein allgemein europäisches Phänomen, das als solches aufgefasst werden muss und uns als Europäer alle angeht.“

Intensiv wirbt Joly für ein „anderes Wissen“, das „aus künstlerischer Forschung entsteht“. „Das System der Kunst und das System der Wissenschaften schauen sich an wie die Bewohner des Mondes und die der Erde, die im anderen alle Vorteile zu erkennen glauben, die sie bei sich selbst vermissen“, skizziert Joly eine Situation, die wir uns aus seiner Sicht „nicht mehr länger leisten können“.

So können Sie bei "Über Kunst" dabei sein

„Über Kunst“ mit Jean-Baptiste Joly , Direktor der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart , findet statt am Montag , 9. Dezember , in den Räumen der Galerie Klaus-Gerrit Friese in Stuttgart (Rotebühlstraße 87). Beginn ist um 19.30 Uhr .

Haben Sie Fragen an Jean-Baptiste Joly? Gerne nehmen wir diese für unsere Veranstaltung am 9. Dezember mit auf – unter kultur@stn.zgs.de können Sie uns Ihre Fragen senden.

Ihre Anmeldungen nehmen wir gerne entgegen – unter Telefon 07 11 / 72 05 – 75 01 (Frau Arnold, Di bis Fr 11 bis 15 Uhr) oder per E-Mail unter kultur@stn.zgs.de.

Aktuell zeigt die Akademie Schloss Solitude die Gruppenausstellung „Architecture & . . .“. Beiträge von 14 aktuellen und ehemaligen Stipendiaten von Solitude stellen Möglichkeiten vor, Architektur mit anderen Techniken, Wissenschaften oder Kunstsparten zu kombinieren.