Christiane Lange gilt als Mutmacherin. Als Gast in der Gesprächsreihe „Über Kunst“ unserer Zeitung sagte die neue Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart: „Stuttgart hat die Museumsinsel, von der man in Berlin träumt – nur leider hat man einen Fluss dazwischengelegt.“
Christiane Lange gilt als Mutmacherin. Als Gast in der Gesprächsreihe „Über Kunst“ unserer Zeitung sagte die neue Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart in der Galerie Klaus Gerrit Friese: „Stuttgart hat die Museumsinsel, von der man in Berlin träumt – nur leider hat man einen Fluss dazwischengelegt.“
Seit 1. Januar ist Christiane Lange offiziell Direktorin der Staatsgalerie. Stuttgart hat sie mit viel Sympathie und mit noch mehr Erwartungen empfangen. Noch größer scheint nur die Neugier. Zu ihrem Auftritt in der Gesprächsreihe „Über Kunst“ in der Galerie Klaus Gerrit Friese, ihrem ersten öffentlichen Auftritt in der Stadt, war der Andrang so lebhaft, dass er für den Gastgeber zur „logistischen Herausforderung“ geriet. Für an die zweihundert Besucher mussten zusätzliche Stuhlreihen aufgestellt werden.
Das Ansehen der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München, die Christiane Lange seit 2006 als Direktorin leitete, fußt auf zugkräftigen Wechselausstellungen. Mitunter strahle das renommierte Haus heller, als es seine Größe vermuten lasse, formuliert Nikolai B. Forstbauer, Kulturressortleiter unserer Zeitung. Und will folglich wissen, was für ein Gefühl der Wechsel in einen Museumsbetrieb dieser Größe mit sich bringe? 200 Mitarbeiter machen die Staatsgalerie zu einem kleinen mittelständischen Unternehmen.
Priorität habe die „neue Präsentation der Sammlung“
Über die Größe ihrer Aufgabe mache sie sich keine Illusionen; doch wann, wenn nicht jetzt, noch ehe sie fünfzig sei, so Christiane Lange, böte sich ihr die Chance, ein öffentliches Haus dieser Größe zu leiten? Sie habe nicht gezögert, ihre Heimatstadt München zu verlassen, um sich dieser Herausforderung zu stellen. Die liegt nicht zuletzt in der kaum überschaubaren Sammlung der Stuttgarter Staatsgalerie. Wie oft ist sie in den Depots?
„Sehr oft.“ Doch allen Ansprüchen gleichzeitig gerecht zu werden – sich zusammen mit den Mitarbeitern einen Überblick zu verschaffen, die Strukturen zu durchschauen, die Verwaltung, Belange des Ministeriums, der Sammler – , das nähere sich der „Quadratur des Kreises“.
Und – Priorität habe die „neue Präsentation der Sammlung“, die sie mit den Leitern der Referate intensiv vorbereite. Dem Besucher biete sich beim Besuch eines Museums ja stets nur „die Spitze des Eisbergs“. Aber darin sehe sie den Reiz ihrer Arbeit: Künftig solle „aus allen Bereichen der Sammlung mehr zu sehen sein“!
Wie kann man sich diese Neupräsentation vorstellen, die bereits im Sommer realisiert sein soll? Wird sie wie früher der Chronologie folgen? Der Besucher soll auf alle Fälle eine „klare Wegführung“ vorfinden. Die schönen, aber sehr verschiedenen Gebäudeteile der Staatsgalerie seien in dieser Hinsicht fraglos problematisch. Aber die Fixpunkte der Sammlung, der Beuys-Raum, Schlemmers „Triadisches Ballett“, der „Herrenberger Altar“, bildeten klare Vorgaben: „Der Besucher soll wissen, wo er hin muss“, da müsse Logik walten.
Nicht alle Schätze der Staatsgalerie gehören dem Haus selbst
Auch das Verhältnis zur Landesregierung, die sie „aus dem privatwirtschaftlichen Kunstbetrieb“ (Forstbauer) geholt hat, sieht Lange zuversichtlich. Mögliche Bedenkenträger hielten sich zurück. Ihrem Eindruck nach seien alle guten Willens. Und „mit frischem Mut lässt sich mehr bewegen, als man zuerst glaubt“. Selbst Belange des Denkmalschutzes, etwa die „Bestandserhaltung“ von Teppichböden beziehungsweise deren Austausch, stellten sich dann als lösbare Probleme heraus.
Das gelte auch für veränderte Bedingungen wie die geteilte Verantwortung des Direktors mit der Geschäftsleitung, also der Doppelspitze des Landesbetriebs. Oder für das knapper gewordene öffentliche Geld. Für den Zwang, mit weniger Geld auskommen zu müssen. Für die Notwendigkeit, die Besucherzahlen im Interesse der Eigenfinanzierung steigern zu müssen und der Kunstvermittlung größere Bedeutung beizumessen. Der stattliche Mitarbeiterstab sei dafür genauso wichtig wie die Unterstützung der „Freunde der Staatsgalerie“.
Nicht zuletzt trage der Museumsbesucher dazu bei, dass die Kasse stimme. Ob somit auch im Museum die Quote zähle? Gar im Wettbewerb mit privaten Häusern, die nicht weniger würden? Die erfahrene Ausstellungsmacherin schreckt das nicht. „Man muss scharf rechnen können!“
Nicht alle Schätze der Staatsgalerie gehören dem Haus selbst. „Gerade auch in der Alten Kunst stützt sich ihr Glanz auf Kooperationen“, sagt Forstbauer. Ist der Schatz der Staatsgalerie also gefährdet? Um Sammler dauerhaft ans Haus zu binden, müsse man ihre Intentionen erkennen, natürlich. Der Bewahrung des fremden Eigentums größte Bedeutung einräumen. Vor allem: „Den Kunstschatz ins beste Licht rücken.“ Schlimmstenfalls müsse man auf Spenden, auf Stiftungen bauen und Geld auftreiben, um solche Verluste zu verhindern.
Staatsgalerie sei eben kein „Flaggschiff auf dem Trockendock“
Noch optimistischer äußert sich Christiane Lange, als sie auf die Vermittlungsarbeit des Museums angesprochen wird. Kulturarbeit gilt der Regierung Kretschmann ausdrücklich als Bildungsarbeit. Kunstvermittlung sei eine ausgesprochene Stärke des Hauses, betont Lange. Das Angebot der Abteilung werde gerne angenommen: „Die machen tolle Sachen.“ Im Sinne der Devise „Tue Gutes und rede darüber“ sei es umso wünschenswerter, dass auch die Medien die frohe Botschaft nach außen tragen helfen.
Kurz: Die Staatsgalerie sei eben kein „Flaggschiff auf dem Trockendock“, wie von unserer Zeitung einmal skizziert. Und vom eingeführten freien Eintritt für Schüler verspreche sie sich viel. Auch davon, „offensiv auf die Schulen zuzugehen“. Wären junge Leute „erst einmal vom Kunstvirus infiziert“, könne sich ein „positiver Kreislauf“ bilden.
Selbstverständlich sei „die Einbindung der Staatsgalerie in den Stadtraum unglaublich wichtig“. Und die vorhandene Unterführung alles andere als zeitgemäß. Jetzt hätte man hier doch alles neu, die Regierung, den Bürgermeister, eine neue Direktorin. Da gibt es keinerlei Grund mehr, sich mit dem Status quo der Stadtautobahn vor der Haustür abzufinden. Stuttgart habe diesen „Fluss“ durch das von unserer Zeitung ausgerufene „Kulturquartier“ ja selbst gelegt. Wäre diese Straße weg, ergäbe sich die Anbindung an den Stadtraum bis zum Landes- und Kunstmuseum, dem Friedrichsbau Varieté und der Bolzstraße mit ihren Kinos fast automatisch.
Und wie erlebt die Neubürgerin Stuttgart „überhaupt“? Die Ex-Münchnerin wundert sich. „Alle entschuldigen sich für ihre Stadt“, als hätten sie sich für sie zu schämen. Obwohl sie im Herzen Europas liege und man von da im Nu in der Schweiz, in Paris sei, „verkauft Stuttgart sich extrem unter Wert“. Ihr Rat: „Keine falsche Bescheidenheit! Sich besser vermarkten!“ Aufgestellt sei man nämlich gut.
Worauf dürfen sich – bei so schönen Aussichten – die Stuttgarter, und nicht nur sie, „in den nächsten zwei Jahren besonders freuen“? An geplanten Projekten zählt Christiane Lange eine Munch-Ausstellung, eine zum 200. Todestag von Richard Wagner, das Projekt Flechtheim mit der Frage von Provenienz und eine Schau mit niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts auf. Für 2014 ist an die Sammlung Domberger gedacht mit Op und Pop-Art der 60er bis 90er Jahre. Und – ja, nun soll sie endlich kommen, die große Schau zum Werk von Oskar Schlemmer. Erarbeitet wird die Große Landesausstellung von Ina Conzen, zum Beraterteam zählt auch die Schlemmer-Expertin Karin von Maur.
Die Mutmacherin ist auch bei „Über Kunst“ erfolgreich – der anhaltende Beifall zeugt von der Vorfreude auf die Arbeit von Christiane Lange.