Ein „historischer, trauriger und herausfordernder Tag“: Die Schweizer Großbank UBS übernimmt die ins Straucheln geratene Credit Suisse. Ist damit ein internationales Bankenbeben abgewendet?
Axel Lehmann sprach nicht lange drum herum: Es sei ein „historischer, trauriger und herausfordernder Tag“ gewesen. Mit diesen Worten beschrieb der Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse das Ende im dramatischen Ringen um die Zukunft des schwer angeschlagenen Schweizer Bankhauses. Nach einem mehrtägigen Verhandlungsmarathon stand die Lösung fest, die der Schweizer Bundespräsident Alain Berset am Sonntagabend erleichtert als „solide“ feierte: Die UBS übernimmt die Credit Suisse für drei Milliarden Franken (gut 3 Mrd Euro). Die Rettung wurde weltweit von Notenbanken mit Erleichterung aufgenommen.
„Dies ist eine Notfallrettung“, sagte der Verwaltungsratspräsident der UBS Group, Colm Kelleher. Die Vertrauenskrise, die der Credit Suisse zum Verhängnis wurde, hätte bei einem Crash der Bank auch international gestrahlt, zeigte sich die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter überzeugt. „Das hätte mit ziemlicher Sicherheit eine Finanzkrise ausgelöst“, sagte die Ministerin. Die Schweiz habe daher „ihre Verantwortung über die eigenen Landesgrenzen hinaus wahrnehmen“ müssen.
Die UBS und die Credit Suisse gehören zu den 30 Banken weltweit, die als systemrelevant eingestuft werden. Ihre Insolvenz hätte verheerende Auswirkungen auf die globale Gesamtwirtschaft. Die Schweizer Regierung in Bern stand deshalb unter erheblichem Druck, die Credit Suisse zu stützen.
UBS wird eine Mammutbank
Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Mit dem Deal wird die UBS ein Mammutinstitut, das größer sein wird als die Deutsche Bank. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken (rund 101 Mrd Euro) an beide Banken. Um Risiken für die UBS zu reduzieren, spreche der Bund der UBS zudem eine Garantie im Umfang von 9 Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus, hieß es. Mit den Maßnahmen werde sichergestellt, dass die SNB der Credit Suisse im Bedarfsfall umfassend Liquidität bereitstellen könne.
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, betonte, die Maßnahmen seien „entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und die Gewährleistung der Finanzstabilität“. Der Bankensektor im Euroraum sei widerstandsfähig und verfüge über eine starke Kapital- und Liquiditätsausstattung. Der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, und US-Finanzministerin Janet Yellen sprachen von einem Schritt zur Stützung der Finanzstabilität. Auch die Bank of England begrüßte das „umfassende Maßnahmenpaket, das die Schweizer Behörden zur Unterstützung der Finanzstabilität vorgestellt haben“. Das britische Bankensystem sei gut kapitalisiert und finanziert und bleibe sicher und solide.
Vertrauen der Kunden wiederherstellen
Bundespräsident Berset sagte, „der Bundesrat ist überzeugt, dass die Übernahme die beste Lösung ist, um das Vertrauen wiederherzustellen“. Credit Suisse habe Vertrauen der Kunden verloren, Liquidität habe gewährleistet werden müssen. Deshalb habe die SNB einen Kredit zur Verfügung gestellt. Die Transaktion sei wichtig für die Stabilität des schweizerischen Finanzplatzes. Eine rasche stabilisierende Lösung sei unabdingbar gewesen. SNB-Präsident Thomas Jordan betonte, die Reputation sei für die Volkswirtschaft der Schweiz zentral. Die Übernahme wird nach Aussage der Finanzmarktaufsicht (Finma) nicht an wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen scheitern.
Finanzministerin Keller-Suter sagte, der Bund habe die Garantie von 9 Milliarden Franken gegeben, um Risiken der Credit Suisse abzufangen. „Die Steuerzahler haben nur geringes Risiko“ - jedes andere Szenario hätte mehr Kosten verursacht. Man habe einen privaten Partner und eine solide Bank, die die Credit Suisse übernehme. Es handele sich nicht um eine staatliche Rettung, betonte die Ministerin. Der Bund habe lediglich eine Garantie übernommen.
Die Credit Suisse hatte zuletzt unter erheblichem Vertrauensverlust der Anleger gelitten. Der Aktienkurs war auf ein Rekordtief gefallen, nachdem der größte Investor der Bank die Bereitstellung von weiterem Kapital ausgeschlossen hatte und das Institut weiter mit Geldabflüssen zu kämpfen hatte.
Durch den Zusammenschluss soll laut UBS ein Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 5 Billionen US-Dollar entstehen. UBS-Verwaltungsratchef Kelleher sagte, diese Übernahme sei für die UBS-Aktionäre attraktiv. „Aber was die Credit Suisse betrifft, so handelt es sich um eine Notlösung.“ Den Kaufpreis bezahlt die UBS in eigenen Aktien, er entspricht einem Preis von 0,76Franken je Credit-Suisse-Anteilsschein.
Die Bilanzsumme der UBS mit mehr als 72 000 Beschäftigten belief sich 2022 auf umgerechnet 1 030 Milliarden Euro, die der Credit Suisse mit gut 50 000 Beschäftigten auf umgerechnet 535,44 Milliarden Euro. Die UBS hatte 2022 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar (aktuell 7,07 Mrd Euro) erwirtschaftet. Credit Suisse wies dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken (7,4 Mrd Euro) aus.
Credit-Suisse-Schräglage „ein Weckruf“
„Diese Rettung schafft neue Probleme“, erklärte Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende. Mit der Fusion zweier Banken, die schon zuvor systemrelevant waren, „erhalten wir einen noch größeren Akteur, der erst recht nicht pleite gehen darf“, kritisierte er. Das Scheitern der Credit Suisse sei „ein Weckruf, endlich wichtige Finanzmarktreformen durchzusetzen“.
Die Credit Suisse war nach einer Reihe früherer Skandale zuletzt weiter unter Druck geraten - unter anderem durch die Schließung der beiden US-Banken Silicon Valley Bank und Signature Bank, die den Finanzsektor beunruhigt hatten. Äußerungen des größten Anteilseigners der Credit Suisse, der Saudi National Bank aus Saudi-Arabien, die Investitionen in die zweitgrößte Schweizer Bank nicht erhöhen zu wollen, schickten den Kurs dann auf Talfahrt.