Im Landtagsuntersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre ist der frühere Inspekteur der Polizei geladen. Die Vorwürfe gegen ihn hatten ein Beben im Innenministerium und in der gesamten Landespolizei verursacht.
Der seit drei Jahren laufende Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der baden-württembergischen Polizeiaffäre steuert auf einen mit Spannung erwarteten Höhepunkt zu. Am Montag soll der frühere Inspekteur der Polizei (IdP), Andreas Renner, im Plenarsaal des Landtags als Zeuge gehört werden. Doch die Situation ist paradox. Sein Auftritt könnte nur wenige Minuten dauern. Dass Renner tatsächlich Fragen beantworten wird, ist nicht zu erwarten.
Vorfall sorgte für Beben im Innenministerium
Die Vorwürfe gegen den Inspekteur der Polizei verursachten im Jahr 2021 ein Beben im Innenministerium und in der gesamten baden-württembergischen Landespolizei – im Zuge des Verfahrens wurde gegen Innenminister Thomas Strobl (CDU) ermittelt und die Polizeispitze umgebaut. Im Landtag gipfelten die Vorgänge in einem Untersuchungsausschuss. „Handeln des Innenministers und des Innenministeriums im Fall des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg“, heißt es in dem sperrigen Titel.
Eine Hauptkommissarin hatte Renner sexuelle Nötigung vorgeworfen. Das Landgericht Stuttgart sprach ihn im Sommer 2023 frei. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Der Untersuchungsausschuss befasst sich trotzdem weiter mit dem Fall, denn sein Auftrag ist es auch zu untersuchen, ob bestimmte Strukturen in Polizei und Landesverwaltung Vorfälle dieser Art begünstigen.
„Die Geschichte ist nicht fertig, ohne dass wir ihn gehört haben, weil er da an vielen Punkten eine Rolle spielt“, sagte die FDP-Obfrau Julia Goll im Verlauf des Ausschusses. Dass Renner am Montag die fehlenden Puzzleteile liefern wird, ist ausgeschlossen. Ihr Mandant werde von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen, kündigte seine Verteidigerin, die Münchner Rechtsanwältin Ricarda Lang, an.
Mehrere Verfahren laufen noch
Das kommt nicht überraschend. Denn aktuell laufen noch mehrere Verfahren gegen Renner. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt weiterhin wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit. Es geht um ein Telefonat mit der Beamtin, die ihn der sexuellen Nötigung bezichtigt hatte und das im Strafverfahren als Beweismittel zugelassen war. Darin spricht der Vorgesetzte mit der Beamtin darüber, dass ihr eine persönliche Beziehung mit ihm helfen könne, ihre weiteren Karriereziele zu erreichen. Andere Ermittlungsverfahren waren eingestellt worden.
Noch nicht abgeschlossen ist auch das Disziplinarverfahren. Dem Inspekteur war im November 2021 verboten worden, seinen Dienst auszuüben. Sein Gehalt in Höhe von mehr als 8000 Euro bezog er aber weiter. Erst vergangenen Sommer wurde er vorläufig des Dienstes enthoben, seitdem wird ein Teil seines Gehalts einbehalten. Dafür muss sein Dienstherr davon ausgehen, dass die Vergehen eines Beamten so schwerwiegend sind, dass er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird. Der frühere Inspekteur hat dagegen Klage eingereicht. Dass Renner auf seine Position zurückkehrt, ist ohnehin ausgeschlossen: Der Innenminister hat das Amt mittlerweile abgeschafft.
Die schwebenden Verfahren sind wie erwartet der Grund dafür, dass sich Renner nicht befragen lassen wird. Warum er trotzdem in den Landtag kommen soll, kann sich seine Anwältin nicht erklären. Sie hatte seine Abladung beantragt. „Das ist ein weiteres Vorführen seiner Person“, sagte sie. „Der Untersuchungsausschuss sollte sich lieber die Frage stellen, ob das Vorgehen des Innenministeriums gegen Herrn Renner, für den die Unschuldsvermutung gegolten hat, richtig war.“ Auch im Strafprozess hatte Renner keinerlei Angaben gemacht. Stattdessen hatte seine Anwältin am ersten Verhandlungstag eine Erklärung verteilen lassen. Eine solche Mitteilung wäre im Untersuchungsausschuss nicht einmal nötig. Renner könnte, wie andere Zeugen, eine ausführliche Einlassung abgeben und sich dann immer noch Fragen verweigern. Auch das werde er aber nicht tun, sagte seine Anwältin.
Es droht ein erkenntnisfreier Sitzungstag
Dabei gibt es einige Themen, zu denen Renner wohl etwas zu sagen hätte. Seien es die Vorgänge im Innenministerium, die fragwürdige Ermittlungstaktik in seinem Fall oder das Verhalten von Führungskräften – nicht zuletzt von Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz, die bis zu den Vorfällen als seine Vertraute galt. Als oberster uniformierter Polizist im Land könnte er auch Fragen zum zweiten Themenkomplex des Ausschusses beantworten: der Beurteilungs-, Beförderungs- und Stellenbesetzungsverfahren in der Polizei. Der IdP war nicht nur selbst für Besetzungen verantwortlich, Renner war auch selbst in einer steilen Karriere erst zum LKA-Vizepräsidenten und dann zum Inspekteur befördert worden.
Nun droht der Sitzungstag weitgehend erkenntnisfrei zu bleiben. Außer Renner ist kein weiterer Zeuge geladen. Möglicherweise ein Zeichen dafür, dass sich der Ausschuss dem Ende zuneigt. Danach sind nur noch drei Sitzungstage anberaumt, dann soll die Beweisaufnahme abgeschlossen sein. Als sicher gilt, dass Innenminister Strobl noch einmal befragt wird. Vor allem der SPD-Abgeordnete Sascha Binder will ihn mit Widersprüchen in seinen Aussagen konfrontieren.