Der NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart prüft die Terrorverbindungen eines Mannes aus Marbach. Foto: dpa

Hat ein Neonazi aus Baden-Württemberg die Pistole besorgt, mit der die NSU-Terroristen neun Morde begangen haben? Dieser Frage will der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag nachgehen.

Stuttgart - Die tschechische Pistole ist längst zum Symbol des rechten Terrors geworden. Neun migrantische Kleinunternehmer ermordete der „Nationalsozialistische Untergrund“ zwischen 2000 und 2006. Die Tatwaffe: eine Ceska 83 vom Kaliber 7,65 mm. Hat ein Neonazi aus Baden-Württemberg diese besorgt? Dieser Frage will der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag nachgehen. An diesem Montag haben die Abgeordneten den Thüringer Sven R. als Zeugen geladen. Der 44-Jährige wurde nach der Wiedervereinigung als militanter Skinhead aktiv. Als „Waffenfreak“ und „echten Psychopathen“ beschreiben ehemalige Weggefährten den Mann, der Kopf einer Kameradschaft in Rudolstadt war. Dabei lernte er auch die späteren NSU-Mitglieder kennen.

Laut einem Hinweisgeber soll R. Waffen von dem Marbacher Jug P. bekommen haben. Darunter eine Ceska von derselben Art, wie sie im Unterschlupf der Terroristen in Zwickau gefunden wurde. Jüngste Ermittlungen des LKA haben nach Informationen unserer Zeitung jedoch ergeben, dass sich der Hinweis auf die Ceska nicht bestätigen ließ. Die Kriminalen warnen aber: es lasse sich nicht ausschließen, dass der 43-jährige P. in illegaler Weise mit Waffen zu tun hatte oder hat. Recherchen zeigen, dass sich der rechtsextreme Kraftsportler seit Jahren im Umfeld von Rockergruppen und dem Rotlichtmilieu bewegt.

Als Lieferant der NSU-Ceska kommt der tätowierte Muskelprotz schon laut einem Papier des Bundeskriminalamts (BKA) aus dem Jahr 2012 nicht in Frage. Damals hatte der Erfurter Michael H. den Beamten von einem Besuch bei Sven R. im Sommer 2000 in Rudolstadt berichtet. In seiner Erdgeschosswohnung habe der ihm sein Arsenal präsentiert. Darunter eine Ceska 83 mit Magazin und ca. 50 Schuss Munition, eine Kalaschnikow und eine Pumpgun. Die Waffen seien über Jug P. aus der Schweiz beschafft worden, den H. bei einer Bildvorlage wiedererkannte. Weitere Personen aus Stuttgart seien beteiligt. Die Ermittler schlossen aufgrund kriminaltechnischer Untersuchungen aber „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ aus, dass es sich bei der von H. beschriebenen Ceska 83 um die Waffe handelte, mit der später der NSU mordete. Markante Merkmale wie ein verlängerter Lauf zum Anbringen eines Schalldämpfers stimmten nicht überein.

Als er in den Fokus der NSU-Ermittlungen geriet, zerstörte P. seinen Personalausweis

Sowohl das baden-württembergsiche Innenministerium wie auch das BKA halten aber – abgesehen von der Mord-Ceska – Waffengeschäfte zwischen Jug P. und Sven R. für möglich. Brisant: in den Neunziger Jahren bewegte sich P. im Umfeld jener Ludwigsburger Neonaziclique, mit der Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ihre spätere Komplizin Beate Zschäpe regelmäßig feierten. Bereits 1993 fiel er den Behörden auf, weil er illegal ein Gewehr besaß. Als P. später nach Erfurt zog, wurde er Teil der dortigen Skinheadszene. Weil P. immer wieder zuschlug, verurteilten ihn mehrere Gerichte wegen Körperverletzung. In der Schweiz jobbte der Sohn eines Bosniers als Fahrer in einer Transportfirma. Als er 2014 im Rahmen der NSU-Ermittlungen in den Fokus geriet, zerstörte P. seinen Personalausweis und meldete sich in die Alpenrepublik ab.

Mittlerweile ist der stämmige Bodybuilder wieder in seine Heimat zurückgekehrt. In Sachsenheim hat er Unterschlupf bei einem Ehepaar aus dem Umfeld der von den Hells Angels übernommenen Rocker-Gruppe „Bones MC“ gefunden. P. selbst scheint der Bruderschaft „Fist Fighter Nomads Elite“ anzugehören. Deren Mitglieder posieren im Internet mit Lederkutten und pflegen Kontakte ins Drogen- und Rotlichtmilieu. Dort fühlt sich P. offensichtlich wohl. Schon in Erfurt hatte er laut Akten Bezüge in den Rotlichtbereich. Am Januar 2016 fiel er Polizisten bei einer Kontrolle des Stuttgarter Bordells „Rote Wölfin“ auf.