Die Entdeckung der U-19-EM in Ungarn: Torjäger Davie Selke Foto:  

Die deutsche U-19-Fußball-Nationalmannschaft steht im EM-Finale. Ein Mann hat mit sechs Toren im bisherigen Turnierverlauf maßgeblichen Anteil daran: Davie Selke. Der Stürmer von Werder Bremen spielte bis kurz vor Beginn der B-Jugend noch für den VfB Stuttgart.

Budapest - Die Jungs wollen mehr! Keine drei Wochen nach dem WM-Triumph der Fußball-Nationalmannschaft träumen die deutschen U-19-Junioren von ihrem ganz persönlichen Sommermärchen. An diesem Donnerstag (19 Uhr/Eurosport) geht es gegen Portugal um den Titel bei der EM.

Unabhängig vom Ausgang des Endspiels, einen Gewinner gibt es jetzt schon: Davie Selke. Der Torjäger von Werder Bremen ist die Entdeckung dieser Europameisterschaft. In vier Spielen hat er sechs Treffer erzielt, so viele wie kein anderer bei den Titelkämpfen in Ungarn. Groß darüber reden möchte er aber nicht: „Wir wollen als Team erfolgreich sein. Nur das zählt! Wenn ich dabei auch noch EM-Torschützenkönig werde, umso besser.“ Und überhaupt: Nicht sein Torriecher sei das Erfolgsgeheimnis, sondern das „Verhältnis zwischen Spielern und Trainer“.

Der Trainer – das ist Marcus Sorg. Mit ihm hat Davie Selke eines gemeinsam: Beide stürmten früher für den VfB Stuttgart. Sorg von 1987 bis 1993 für die Amateurmannschaft, Selke bis kurz vor Beginn der B-Jugend für den Nachwuchs des Bundesligisten. Der 19-Jährige, dessen Vater aus Äthiopien stammt, ist in Schorndorf geboren und aufgewachsen. Von Normannia Gmünd wechselte er in die VfB-Jugend, ehe ihn 2009 die TSG 1899 Hoffenheim in ihr Nachwuchsleistungszentrum lotste. 2013 ging er dann nach Bremen. Der VfB überlegte vor einem Jahr ebenfalls ihn zurückzuholen, entschied sich aber dagegen. Mit seinen 1,92 Meter erinnert Selke nicht nur von seiner Statur her an Schwabenpfeil Dieter Hoeneß. Selke ist kein Stürmer, der übermäßig ins Kombinationsspiel eingebunden ist. Keiner, der auf die Flügel ausweicht oder sich ins Mittelfeld fallen lässt. Selke ist ein Strafraumstürmer, er lebt von seiner Physis, von seinem Durchsetzungsvermögen. Und er besitzt etwas, das man nicht lernen kann: Torinstinkt. „So wie Davie Selke bei der EM seine Tore macht, muss man feststellen, dass er gereift ist – auch in Sachen Technik“, sagt der frühere U-21-Nationaltrainer Rainer Adrion, aktuell sportlicher Leiter des VfB-Nachwuchses.

Als es Selke nach Hoffenheim und später zu Werder zog, war Adrion nicht beim VfB. Ob er die Wechsel hätte verhindern können? Es könne immer mal ein Spieler durchs Sieb fallen. „Manchmal entwickelt sich ein junger Spieler auch erst später“, weiß Adrion. Hinzu kommt: Auch Selke muss seine starken EM-Leistungen erst einmal bestätigen. In der Regionalliga-Mannschaft von Werder Bremen II erzielte er in 26 Spielen neun Tore, in der Bundesliga kam er erst zu drei Einsätzen. Mehr Schlagzeilen machte er vergangenen Winter außerhalb des Platzes: Da geriet der Nachwuchsmann mit Kapitän Clemens Fritz aneinander. Es kam zu Handgreiflichkeiten.

Leicht einschüchtern lässt er sich offensichtlich nicht. Werder kennt seine Qualitäten und will den bis 2015 laufenden Vertrag vorzeitig verlängern. Der VfB sieht laut Sportdirektor Fredi Bobic „keinen Bedarf auf dieser Position“ – und hat für seinen ehemaligen Jugendspieler auch keine Rückkauf-Option. Bei Joshua Kimmich verhält es sich dagegen anders. Der an Zweitligist RB Leipzig ausgeliehene Mittelfeldspieler gehört bei der EM ebenfalls zu den auffallenden Persönlichkeiten – ihn könnte der VfB nach der Saison 2015/16 zurückholen.

Dass die komplette deutsche U-19-Nationalelf bei einem EM-Triumph gestärkt aus Ungarn zurückkehren würde, steht für Adrion fest: „Ein Titelgewinn begleitet einen während der kompletten Karriere, bringt einen Spieler weiter, festigt einen. Man erfährt eine ganz andere Anerkennung im Verein. Dies erleichtert manches.“ VfB-Star Timo Werner (30 Bundesligaeinsätze, vier Tore) kann darauf aktuell nicht bauen. Ihn ließ sein Verein nicht zur EM. Sein Trost: Werner, vergangenen März erst 18 Jahre alt geworden, wäre auch noch bei der EM in zwei Jahren für die U 19 spielberechtigt.