Mit dem Motto „Willst du mein Superheld sein?“ warb die Hochschule der Medien im November für ihre Typisierungsaktion 422 Studenten ließen sich damals registrieren. Foto: Julia Schuster

Eine Typisierungsaktion der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) an der Hochschule der Medien im vergangenen November war erfolgreich: Der 25-jährige Johannes Kammerer hat seine Stammzellen einem Blutkrebspatienten gespendet.

Vaihingen - Ein kleines, weißes Wattestäbchen: Für viele Blutkrebspatienten ist es ihre einzige Hoffnung. Die Helfer der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) verwenden die Stäbchen zur Registrierung von potenziellen Stammzellenspendern. Eine Stammzellenspende ist oft die einzige Überlebenschance für Leukämiepatienten. Nun könnte das Wattestäbchen eines Studenten der Hochschule der Medien ein Leben retten.

Die Suche nach dem genetischen Zwilling

Über eine Typisierungsaktion im vergangen November an der Hochschule der Medien konnte die DKMS einen Spender finden. Im Mai gab der 25-jährige Student Johannes Kammerer einem Krebspatienten seine Stammzellen. Kammerer studiert audiovisuelle Medien im achten Semester. Als er von der DKMS den Brief erhielt, dass er in Frage käme, steckte er gerade mitten in einer stressigen Filmproduktion. Sein erster Gedanke: Eigentlich habe ich gerade genug zu tun. „Im zweiten Moment habe ich mir aber gedacht: Da gibt es einen Patient, der ist angewiesen auf mich“, sagt Kammerer.

Denn jeder Spender gehört zu einem Patienten, der die selben Gewebemerkmale besitzt. Nur diesem genetischen Zwilling können die eigenen Körperzellen transplantiert werden. Das erschwert die Suche. Jeder siebte Krebspatient findet keine Übereinstimmung. Die DKMS unterhält die größte Datei in Deutschland. Mehr als sechs Millionen Menschen haben sich bereits über sie typisieren lassen.

Als Kammerer im vergangenen November an der Typisierungsaktion der Hochschule der Medien teilnahm, ahnte er noch nicht, dass er einem Leukämiekranken die Chance auf ein zweites Leben geben würde. „Ich habe ganz spontan mitgemacht – was eine Spende bedeutet, war mir da noch nicht so bewusst“, sagt der angehende Akademiker.

Flucht aus dem Alltag

Vor der Stammzellenentnahme musste sich Kammerer ärztlich untersuchen lassen. Erst als sicher war, dass er gesund ist und seine Zellen mit dem Patienten übereinstimmen, folgte der nächste Schritt. „Zuerst muss man eine Woche ein Medikament nehmen, um die Produktion der eigenen Körperzellen anzureichern“, sagt der 25-Jährige. Während sich bei ihm die Stammzellen vermehrten, bereiteten die Ärzte den Patienten für die Transplantation vor.

Anfang Mai wurde Kammerer dann in eine Klinik in Tübingen eingeladen, die auf Stammzellenspenden spezialisiert ist. Vor seiner ärztlichen Behandlung zeigte ihm ein Mitarbeiter die Blutkrebsstation. Sie öffnete ihm die Augen. „Ich bin aus meinem Alltag herausgefallen. Es gibt Menschen in meinem Alter, die hängen auf dieser Station ab“, sagt Kammerer. Er habe realisiert, dass die eigenen Sorgen nicht so groß sind. „Man weiß natürlich, dass es diese Krankheit gibt – aber man blendet das im Alltag oft aus“, sagt der Student.

Die lebensrettende Aktion ähnelt einer Dialyse. Kammerers Blut lief über eine Maschine, die Stammzellen aussondert. Nebenher schaute der Student Fernsehen. „Die Entnahme war entspannt, die Mitarbeiter kümmern sich sehr gut um einen“, sagt er. Fünf Stunden dauerte der Krankenhausaufenthalt, dann durfte er heim.

Chance auf ein zweites Leben

„Ich bin glücklich, dass alles so gut verlaufen ist“, sagt Kammerer. Er würde jederzeit noch einmal helfen. Ob der junge Mann mit seiner Tat aber tatsächlich einem Patienten das Leben gerettet hat, ist noch nicht sicher. Auch nach der Transplantation kann es zu Komplikationen kommen, beispielsweise wenn das Immunsystem des Patienten die körperfremden Zellen abstößt.

Nach deutschen Richtlinien dürfen sich der Spender und sein Patient erst nach zwei Jahren kennenlernen. Trotzdem konnten Kammerer und sein genetischer Zwilling bereits miteinander Kontakt aufnehmen. In einem anonymen, handgeschriebenen Brief bedankte sich der Krebskranke bei ihm. „Er hat mir erklärt, wie sein Leben aussieht, wie es seiner Familie dabei geht und dass er sich für meine Spende bedankt“, sagt Kammerer. Der Medienstudent schrieb zurück: Hey, gern geschehen.

422 potenzielle Spender

Insgesamt ließen sich bei der Typisierungsaktion an der Hochschule der Medien im November 422 potenzielle Stammzellenspender registrieren. Studierende hatten die Aktion in einem gemeinsamen Projekt organisiert. Dass sich binnen so kurzer Zeit eine Übereinstimmung fand, hält Phillip Lang, hauptverantwortlich für die damalige Veranstaltung, für ungewöhnlich. „Ich dachte nicht, dass das so schnell geht. Ich finde es klasse, dass sich aus unserer Gruppe jemand gefunden hat“, sagt er.

Für Lang ist das ein Ansporn, die Aktion zu wiederholen. Sie ist für ihn aber auch ein Erfolg, weil die DKMS mit viel weniger Resonanz gerechnet hatte – nämlich nur mit 200 Neuregistrierungen. „Wir haben das Ergebnis damals verdoppelt. Besser hätte es nicht laufen können“, sagt Lang.