Keine Angst vor den Proud Boys Foto: Twitter

Donald Trump hat die rechtsextreme Gruppierung der Proud Boys mobilisiert: Auf Twitter zeigen schwule Aktivisten, was man unter ihnen zu verstehen hat.

Stuttgart - Es war einer der dunkelsten Augenblicke in der mit grotesken und finsteren Momenten nicht eben geizenden Fernsehdebatte zwischen dem amtierenden US-Präsidenten und seinem Herausforderer: Statt sich auf Nachfrage des Moderators von einer rechtsradikalen Krawalltruppe zu distanzieren, versetzte Donald Trump sie vor den Augen der Öffentlichkeit gleichsam in den Stand-by-Modus: „Stand back, stand by“ – „haltet euch zurück und haltet euch bereit“ – rief er der chauvinistischen und homophoben Schlägerbande der „Proud Boys“ zu. Falls er schlagkräftigen Beistands bedürfe, sollte das Wahlergebnis nicht zu seinen Gunsten ausfallen? So zumindest konnte man den Appell interpretieren. Was bei den Angesprochenen auch gleich als Marschbefehl ankam. Finster entschlossen präsentierten sich kurz darauf die Vertreter kernig-traditioneller Männlichkeit in T-Shirts mit der Aufschrift „Proud Boys standing by“.

Doch unter dem Hashtag der Gruppierung #ProudBoys findet man auf Trumps inoffiziellem Verlautbarungsorgan Twitter neuerdings Bilder von stolzen Jungs in einladenden Posen, die der dumpf-reaktionären Herrenrunde gegen den Strich gehen dürften: coole Typen, in roten Lackstiefeln und schrillen Stars-and-Stripes-Bodys zu jedem Abenteuer bereit, knutschende Marines, bärtige, glückliche Pärchen. In Tausenden regenbogenfarbigen Tweets wird ein Fest der gleichgeschlechtlichen Liebe gefeiert, selbstbewusst, witzig, bunt. „Stand by“ könnte danach das Motto des nächsten Christopher Street Days werden: immer bereit zur Liebe, nicht zum Krieg. Intelligenter wurde selten eine Kampagne gekapert und in ihr Gegenteil überführt.

Die Idee dazu kam von George Takei, besser bekannt als Sulu aus der Star-Trek-Reihe „Raumschiff Enterprise“, der sich immer wieder für die Belange der LGBT-Bewegung eingesetzt hat. „Was wäre, wenn schwule Jungs Fotos von sich machen würden, auf denen sie miteinander rummachen oder sehr schwule Dinge tun, und sie dann mit #ProudBoys markieren würden“, twitterte der mittlerweile 83-jährige Schauspieler, „ich wette, das würde sie ganz schön durcheinanderbringen.“

Die Proud Boys sind bei Demonstrationen gegen die „Black Lives matter“-Bewegung aufgefallen. Zu ihren Feindbildern zählen Muslime, Einwanderer, Frauen – und Homosexuelle. Doch die gewandelten bewegten Männer, die sich nun unter dem Hashtag bei Twitter tummeln, finden auch in Deutschland viele begeisterte Unterstützer. Zu ihnen zählen die offen homosexuell lebende Fernsehmoderatorin Dunja Hayali und der Wetterexperte Jörg Kachelmann. Manche Nutzer halten die Aktion gar für die schönste des Jahres: Sie zeige, wer die echten „stolzen Jungs“ sind. „Auch in Deutschland haben wir #ProudBoys, und das ist gut so“, steht über einem Bild, das den christdemokratischen Gesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Partner zeigt.

Im populistischen Normalfall ist Zweideutigkeit das Mittel der Wahl, Gewissheiten zynisch außer Kraft zu setzen. So wollte Donald Trump nach dem Debattenauftritt in der letzten Woche von den Proud Boys noch nie etwas gehört haben, die er kurz zuvor noch mobilisiert hatte. Soziale Medien bringen die biegsam gewordenen Fakten in die gewünschte Form. Der amerikanische Präsident und Twitter haben in dieser Hinsicht ihre eigene Geschichte.

Doch dass Zweideutigkeit auch eine Chance sein kann, die doppeldeutige Zeichensprache der Macht zu unterlaufen, stellt diese Aktion mit umwerfendem Humor unter Beweis. Aus einem der dunkelsten Momente des US-Wahlkampfs wird damit einer der lichtesten und buntesten. Wahrhaftig ein Grund, stolz zu sein.