„Ohne Fußfesseln“ werde er von nun an kämpfen, kündigt Trump auf Twitter an, nachdem Parteikollegen ihm die Unterstützung entzogen. Seine Aktionen könnten die Republikaner nicht nur den Präsidentschaftsposten kosten.
Washington - Schmutziger als in den letzten Wochen geht es im US-Präsidentenwahlkampf kaum noch? Weit gefehlt. Jetzt könnte es erst richtig los gehen – das zumindest deutet Donald Trump im Netz an: „Es ist so schön, dass mir die Fußfesseln abgenommen wurden und ich jetzt endlich so für Amerika kämpfen kann, wie ich es will“, twitterte der 70-jährige Präsidentschaftskandidat der Republikaner am Dienstag.
So kämpfen, wie er es will – diese Strategie besteht seit Dienstag zunächst einmal darin, sein umfangreiches Repertoire an Beleidigungen nicht länger nur gegen seine Gegnerin Hillary Clinton, sondern nun auch gegen hochrangige Kollegen aus der eigenen Partei einzusetzen: „very foul mouthed“ – auf Deutsch etwa unflätig, vulgär – nennt er den republikanischen Senator John McCain auf Twitter. Den Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan bezeichnet Trump als „schwachen und uneffektiven Anführer“ der republikanischen Partei. Trump wirkt wie einer, der im Angesicht einer drohenden Niederlage wie wild geworden um sich schlägt.
„Wenn du ein Star bist, lassen sie es sich gefallen“
Der Hintergrund seiner Twitter-Attacken: Einige der wichtigsten Köpfe der Republikaner haben ihm in den letzten Tagen seine Unterstützung entzogen. Mehr als 160 Politiker seiner Partei unterstützen ihn mittlerweile nicht mehr, schreibt die „New York Times“. Senator John McCain ließ Trump am Wochenende fallen, Paul Ryans Entschluss dazu – als Sprecher des Repräsentantenhauses derzeit der mächtigste Republikaner – wurde am Montag bekannt. Seinen Kollegen empfahl Ryan, zu tun, was für sie am besten sei. Damit gab er ihnen praktisch grünes Licht, Trump im Regen stehen zu lassen.
Überraschend kam das nicht. Denn die letzten Tage verliefen desaströs für Trump: In den Umfragen liegt er mittlerweile im Schnitt etwa fünf Prozentpunkte hinter Clinton. In den USA ist das viel, weil die Stimmen in jedem Bundesstaat getrennt ausgezählt werden und alle Wahlmänner eines Staates komplett dem Sieger zugesprochen werden. Im Hinblick auf die Wahlleute sagt die Prognoseseite Fivethirtyeight deshalb voraus: Etwa 334 Wahlleute für Clinton, aber nur 204 für Trump.
Zu schaffen machte Trump vor allem ein Video aus dem Jahr 2005, das die Washington Post veröffentlicht hat: Darin ist zu hören, wie Trump sich mit sexuellen Übergriffen gegen Frauen brüstet. Einfach küssen, nicht warten, empfiehlt Trump seinem Gesprächspartner. „Wenn du ein Star bist, lassen sie es sich gefallen“, sagt Trump, und: „Ihnen an die Genitalien fassen. Du kannst alles tun.“
Enges Rennen um Mehrheit im Senat
Retten, was noch zu retten ist – das dürfte die Strategie derjenigen Republikaner sein, die Trump nun fallen lassen. Denn was im Trubel um den US-Präsidentschaftswahlkampf oft untergeht: Auch das Abgeordnetenhaus und etwa ein Drittel des Senats – diese zwei Kammern bilden in den USA die Legislative – werden im November neu gewählt.
In beiden Kammern haben die Republikaner derzeit die Mehrheit. Im Senat verfügen sie über 54 von 100 Sitzen, die Demokraten haben 44 inne und bilden eine Fraktionsgemeinschaft mit zwei Unabhängigen. Im Abgeordnetenhaus ist das Verhältnis 246 zu 186, drei Plätze sind derzeit unbesetzt. Im Senat müssten die Demokraten also nur fünf Sitze hinzugewinnen, um die Mehrheit zu erobern. Dann hätten sie etwa gute Chancen, bei der Besetzung der Richterposten für den politisch enorm wichtigen Supreme Court ihre Kandidaten durchzusetzen.
Republikaner haben die Wahl zwischen Pest und Cholera
Wenn die Unterstützung für Trump weiter bröckelt, könnte das eine Reihe von Kongressabgeordneten dazu bringen, neue Fernsehwerbespots aufzulegen. Solche, in denen sie sich selber und einen republikanisch beherrschten Kongress als besten Weg anpreisen, um eine Präsidentin Clinton in Schach zu halten. Den Anfang gemacht hat der republikanische Abgeordnete Robert J. Dold aus Illinois: In seinem neuen Werbespot schalte er demonstrativ den Fernseher ab, als eine Sendung mit Trump und Clinton zu sehen ist, schreibt die „New York Times“.
Letztendlich bleibt der Partei jetzt nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Auf der einen Seite dürfte Trump seinen Twitter-Kampfansagen nach zu urteilen in der nächsten Zeit noch unberechenbarer werden – zumal er nicht auf die finanzielle Unterstützung von den typischen großen Spendern der republikanischen Partei angeweisen ist, da er sich im Gegensatz zu anderen Kandidaten vorwiegend über viele kleinere Spenden von Privatleuten finanziert. Auch Sorgen um seine Zukunft als Politiker dürften den Multimilliardär kaum daran hindern, seine eigenen Parteikollegen zu attackieren. Sollten sich noch mehr Republikaner von Trump distanzieren, hieße das aber, die Präsidentschaftswahl für verloren zu erklären - auch keine Strategie, mit der die Partei zufrieden sein kann.