Bob Hanning ist Trainer des italienischen Nationalteams und Geschäftsführer der Füchse Berlin. Vor dem Duell in Stuttgart spricht er über den TVB, seine Zukunft und die des Handballs.
Für Bob Hanning ist es ein besonderes Spiel. Als Geschäftsführer des deutschen Meisters Füchse Berlin trifft er am Sonntag beim Duell in Stuttgart (15 Uhr/Porsche-Arena) auf Simone Mengon. Der TVB-Spielmacher ist die Schlüsselfigur in der von ihm betreuten italienischen Nationalmannschaft.
Herr Hanning, wie sehr freuen Sie sich auf das Duell in Stuttgart mit dem Schlüsselspieler Ihres Nationalteams?
Die Wahrheit ist ja, dass wir vor der Saison auch großes Interesse daran hatten, Simone zu den Füchsen zu holen. Aber er hat sich entschieden, mit seinem Trainer aus Eisenach zum TVB zu gehen.
Nachvollziehbar?
Ich finde den Weg und die Entwicklung von ihm weiter sehr gut. Was Welthandballer Mathias Gidsel für die dänische Nationalmannschaft ist, ist Simone für meine Italiener. Und natürlich freue ich mich, ihn zu sehen, weil es einfach Spaß macht, ihm beim Handballspielen zuzuschauen. Er ist ein absoluter Vollprofi, du kannst dir als Trainer keinen besseren Führungsspieler wünschen.
Hat Sie es nicht in der Ehre gekränkt, dass er sich gegen die Füchse entschieden hat?
Nein, gar nicht. Wenn du das Gefühl hast, du bist für das eine noch nicht bereit, und das andere kann dir mehr geben, dann ist das eine sehr kluge Entscheidung. Zur Strafe habe ich dann seinen Zwillingsbruder Marco aus Selestat zum 1. VfL Potsdam geholt (lacht). Er ist auch ein spannender Spieler, der über sehr viel Talent verfügt.
Hatten Sie auch mal über Misha Kaufmann als Trainer bei den Füchsen nachgedacht?
Dazu gab es nie einen Anlass, wir waren gut besetzt und sind gut besetzt. Unabhängig davon verfolge ich seine Arbeit, Misha Kaufmann ist ein Glücksgriff für den TVB Stuttgart.
Derzeit steht der Club aber nur bei mageren 4:12 Punkten.
Die Dinge lassen sich nicht immer nur an Punkten messen, sondern auch an Entwicklungen. Misha hat dem Verein die Stabilität gegeben, die er dringend braucht. Der TVB ist ein toller Club. Ich bin sicher, die Ehe zwischen beiden wird sich sehr positiv entwickeln. Er wird Stuttgart noch sehr gut tun.
Warum?
Weil er ein besonderer Typ ist, weil er Akzente setzt, Ideen hat, sich auch traut, Dinge umzusetzen und dafür auch ins Risiko geht.
Eine Parallele zu Ihnen?
Das weiß ich gar nicht, ne. Ich finde Vergleiche ohnehin nie so gut. Aber ich mag eben Menschen, die eine Vision haben, die bereit sind, dafür – im übertragenen Sinn hätte ich fast gesagt zu töten – nein, zu leben.
Birgt das nicht auch Risiken?
Ja, weil diese Herangehensweise nicht für jeden Verein und jeden Menschen das Richtige ist, aber es bietet eben auch riesige Chancen.
Haben Sie persönlich durch die Trennung von Sportvorstand Stefan Kretzschmar nun eigentlich mehr zu tun?
Nein, Nicolej Krickau ist in Doppelfunktion Vorstand Sport und Trainer, ist mit mir in engem Austausch und bereitet alles vor. Da herrscht eine sehr gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten.
Ist das eine Dauerlösung?
Ja, weil wir uns bewusst für diese Doppelrolle entschieden haben. Es ist ja kein Geheimnis, dass Paul Drux meine Funktion ab der Saison 2028/29 übernehmen wird. Er steigt ab Sommer 2026 mit ins Unternehmen ein, kümmert sich um Sport und Geschäftsführung und hat zwei Jahre Zeit, in die Aufgabe komplett reinzuwachsen.
Danach sind Sie komplett raus?
Ja, nur was ich danach mit meinem Leben anstelle, habe ich noch nicht entschieden. Da ist alles vorstellbar – außer, dass es so bleibt wie es ist. Meine Gesellschafteranteile gehen schon im Dezember an einen sehr guten Freund von mir über.
Wie lange läuft Ihre Vereinbarung mit Italien?
Bis 9. Februar 2029, bis zum Ende der WM in Deutschland und Frankreich – sofern sich Italien qualifiziert. Die Vereinbarung ist bekanntlich aber jederzeit bei einer guten Rotwein-Flasche Tignanello beim Italiener in Rom aufzulösen (lacht).
Haben Sie sonst noch einen Lebenstraum?
Weniger zu arbeiten. Dieses Tempo der vergangenen 20 Jahre werde ich nicht mehr gehen. Ob ich dann noch einmal eine Bundesligamannschaft trainiere, in eine andere Sportart wechsle oder in die Wirtschaft – das alles ist völlig offen. Ich weiß nur, dass es in der heutigen Zeit immer weniger Menschen gibt, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Noch weniger sind bereit, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, aber dafür gibt es immer mehr Menschen, die keine Verantwortung tragen wollen, zu allem aber eine Meinung haben, es besser wissen und es in den sozialen Medien auch noch kommentieren.
Stichwort unpopuläre Entscheidungen. Nach der Trennung von Stefan Kretzschmar und Meister-Trainer Jaron Siewert ist Ihnen bundesweit Kritik um die Ohren geflogen. Gewundert haben dürfte Sie das nicht – oder?
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich dazu nicht mehr äußern möchte. Für jeden ist ersichtlich, dass bei uns eine Ruhe herrscht, wie nirgendwo anders. Das soll auch so bleiben.
Was trauen Sie der Nationalmannschaft bei der EM 2026 zu?
Bei den Kadermöglichkeiten, die wir haben, muss eine deutsche Mannschaft das Ziel Medaille zumindest formulieren und daran glauben. Ich traue ihr zu, ein solches Ziel zu erreichen.
Gerd Butzeck kandidiert bei der Wahl im Dezember in Kairo als Nachfolger von Hassan Moustafa. Hat er eine Chance, Präsident des Handball-Weltverbandes (IHF) zu werden, und wie wichtig wäre ein Wechsel für den Handball?
Eines vorneweg: Wie der DHB Gerd Butzeck positioniert hat, hat mir nicht gefallen. Es gibt keinen Menschen im Welthandball, der mehr getan hat für den deutschen Handball als Hassan Moustafa. Alle, die über ihn schimpfen, sollten sich bewusst machen, dass der deutsche Handball, da wo er heute steht, ganz eng verbunden ist mit dem Wirken von Hassan Moustafa.
Das machte er aber nicht ohne Eigennutz.
Natürlich – das Thema, dass der Handball Deutschland braucht, ist auch Teil der Wahrheit. Aber was wären wir gewesen ohne die Wild Card für die WM 2017, als wir am Boden lagen? Diese Freikarte war der Booster für alles. Hinzu kamen die vielen großen Turniere im eigenen Land, keine andere Nation durfte so viele Heim-Welt- und Europameisterschaften ausrichten wie Deutschland. Ich habe nichts gegen die Nominierung von Gerd Butzeck, er hat schon viel bewirkt im Handball. Ich hätte mir nur gewünscht, dass man Hassan Moustafa vorher darüber informiert und er es nicht aus der Zeitung erfährt. Alles andere ist ein demokratischer Prozess und völlig in Ordnung.
Welche Impulse könnte ein Wechsel bringen?
Wichtig ist, dass sich nicht in Europa etwas verändert, sondern in der Welt. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir es schaffen, Handball zu einer Weltsportart zu machen, so wie das der Basketball ist. Wir müssen die Märkte erobern.
Wie soll das in Ländern funktionieren, in denen der Handball null Tradition hat?
Ganz kluge Köpfe müssen ganz kluge Dinge tun. Dann kannst du auch Sportarten in Ländern voranbringen, in denen sie aus der Tradition heraus keine große Rolle spielen. Wenn du der Sportart helfen willst, muss das gelingen. Das muss die Aufgabe des Weltverbands sein, egal ob Hassan Moustafa, Gerd Butzeck oder ein Dritter an der Spitze steht.
Zur Person
Karriere
Bob Hanning wurde am 9. Februar 1968 in Essen geboren. Nach zahlreichen Trainerstationen übernahm er 2005 den insolventen Hauptstadtclub Füchse Berlin und führte ihn als Geschäftsführer in die Bundesliga, in die Champions League und 2025 zur ersten deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Von 2013 bis Oktober 2021 war der frühere Assistent von Heiner Brand Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). Von 2021 bis 2024 trainierte er den 1. VfL Potsdam, seit Januar 2025 die italienische Nationalmannschaft.
Persönliches
Hanning ist ledig. Seine Hobbys sind Theater, Pferde und (schrille) Pullover. (jüf)