Felix Lobedank trug von 2016 bis 2018 den Dress des TVB Stuttgart, für den er seit Januar 2023 als Co-Trainer tätig ist. Foto: imago/Fotostand/TV/B

Felix Lobedank kennt als Spieler den Kampf gegen den Abstieg, er hat mit Frisch Auf Göppingen aber auch zwei Europacuptitel gewonnen. Vor dem Derby schätzt der neue Co-Trainer des Handball-Bundesligisten TVB Stuttgart die Lage ein.

Mit jeweils 12:30 Punkten hinken der TVB Stuttgart und Frisch Auf Göppingen in der Handball-Bundesliga ihren Erwartungen weit hinterher. Müssen sie bis zum Ende um den Klassenverbleib zittern? Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den Clubs? Wer hat die besseren Perspektiven? TVB-Co-Trainer und Ex-Frisch-Auf-Spieler Felix Lobedank (38) gibt vor dem Derby an diesem Donnerstag (19.05 Uhr, Porsche-Arena/5550 Tickets sind verkauft) Einblicke.

 

Herr Lobedank, haben sie in Ihrer über 15 Jahre langen Profilaufbahn schon einmal einen solchen Sieg wie am Sonntag beim Bergischen HC erlebt?

Ich habe schon viele Handballkrimis erlebt, aber dass wir nach einer Auszeit bei noch verbleibenden fünf Sekunden, den Ball vom eigenen Kreis so spektakulär nach vorne bringen, Siebenmeter bekommen und den 26:25-Siegtreffer erzielen, daran kann ich mich nicht erinnern.

Wie sehr hat auf der Rückfahrt der Bus gewackelt?

Das Spiel war körperlich und emotional sehr aufwendig. Da durften die Jungs den Moment genießen. Wir vom Trainerteam haben die Mannschaft in Ruhe gelassen. Michael Schweikardt und ich haben uns dagegen schon auf der Rückfahrt fachlich ausgetauscht.

Nach zuvor neun Niederlagen aus zehn Spielen: Wie wichtig war der Sieg vor dem Derby?

Sehr wichtig, weil er uns ein gutes Gefühl und Rückenwind gibt. Jetzt gehen wir mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein in das Duell mit Frisch Auf.

Beide Rivalen sind mit 12:30 Zählern punktgleich auf den Plätzen 14 und 15. Wie erklären Sie sich diese desaströse Zwischenbilanz nach 21 von 34 Spielen?

Natürlich haben sich das beide Vereine ganz anders vorgestellt. Das zeigen ja auch die Trainerwechsel, die beide schon hinter sich haben. Bei Frisch Auf kommt die internationale Belastung hinzu, wir können uns ganz auf die Liga konzentrieren. Da ich aber erst seit der WM-Pause dabei bin, fällt es mir schwer, eine Analyse vorzunehmen.

Der Vorsprung auf einen Abstiegsplatz beträgt zwei Plus- und sechs Minuspunkte. Wie schwer wird der Klassenverbleib?

Da GWD Minden coronabedingt zwei Spiele im Rückstand ist, ergibt sich ein verzerrtes Bild. Sollten die Nachholspiele erst gegen Ende der Saison über die Bühne gehen, kann es erfahrungsgemäß zu ungewöhnlichen Ergebnissen kommen, da es für die großen Teams dann möglicherweise um nichts mehr geht und sie plötzlich nicht mehr wie gewohnt punkten. Der TVB und Frisch Auf sind also gut beraten, schnell zu punkten. Mit einem schönen Punktepolster lässt sich ruhiger trainieren, als wenn einem das Abstiegsgespenst im Nacken sitzt.

„HBW war Druck gewohnt“

Sie spielten vor allem mit dem HBW Balingen-Weilstetten jahrelang gegen den Abstieg. Auf was kommt es an?

Mit dem HBW war jedes Spiel ein David-gegen-Goliath-Duell. Wir waren Drucksituationen gewohnt und wussten von der ersten Sekunde an, es geht nur um eines: das nackte sportliche Überleben. Wenn du aber wie Frisch Auf mit einem hochwertigen Kader ursprünglich ganz andere Pläne hattest, ist es oft schwer, den Schalter während der Saison umzulegen.

Was bedeutet das für Donnerstag?

Wenig, denn im Derby brennt die Hütte sowieso. Wer ein höheres emotionales Level erreicht, hat gute Chancen, erfolgreich zu sein. Das gilt für den Abstiegskampf generell. Ihn zu bestehen, wird kein Selbstläufer. Denn es gibt auch Clubs wie etwa den ASV Hamm-Westfalen, die nichts zu verlieren haben.

Sie haben mit Frisch Auf 2012 und 2016 den EHF-Pokal gewonnen. Waren das Ihre sportlichen Höhepunkte?

Wenn man die Titel betrachtet, ja. Was die sportliche Wertigkeit betrifft, steht ein Klassenverbleib mit Balingen aber nicht weit hintenan.

Warum konnte Frisch Auf nach dem vierten EHF-Pokal-Titel 2017 den Erfolg nicht verstetigen und in Richtung Champions League angreifen?

Es herrscht eine extrem hohe Leistungsdichte in der Liga. Von daher ist es schwer zu planen, in die Phalanx der großen Fünf einzudringen. Vieles hängt von der Personalpolitik ab und der Frage, wie Neuzugänge einschlagen.

„In Göppingen wird Handball gelebt“

Warum schafft es auch der TVB nicht, sich in seinem achten Bundesligajahr nach vorne zu entwickeln?

Es wird auch in anderen Vereinen wie dem Bergischen HC oder dem HC Erlangen gute Arbeit geleistet, die ähnlich Ziele haben. Ich denke schon, dass es am attraktiven Sportstandort Stuttgart gelingen kann, unter die Top-10 zu kommen.

Wo liegt der Hauptunterschied zwischen dem TVB und Frisch Auf?

Frisch Auf hat eine Riesentradition, in der ganzen Stadt wird der Handball intensiv gelebt. Du kannst in deinem privaten Alltag nicht inkognito von A nach B gehen, es gibt immer wieder Begegnungen, die sich um Handball drehen. Beim TVB geht einem das in Bittenfeld und den umliegenden Gemeinden ähnlich, nicht aber am Spielort Stuttgart.

Kann der TVB die Vormachtstellung in Württemberg übernehmen?

Für die strategische Ausrichtung sind andere im Verein zuständig, aber ich glaube nicht, dass das ein großes Thema für den TVB ist. Was ich sicher weiß: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Werden Sie über die Saison hinaus als Co-Trainer tätig sein?

Der Co-Trainer ist nicht die wichtigste Personalie. Ich habe mich sehr gefreut, mit Michael Schweikardt und im Verein arbeiten zu können. Jetzt wollen wir uns sportlich stabilisieren.

Ist Ihre Zukunft von einem Weitermachen von Chefcoach Michael Schweikardt abhängig?

Das ist derzeit alles noch offen, ich kann nur sagen, dass mir die Arbeit viel Spaß macht.

„TVB gewinnt 28:26“

Ihre Tätigkeit im Gesundheitsmanagement bei der AOK haben Sie um die Hälfte reduziert. Wo liegt Ihr Schwerpunkt?

Es geht darum, in Verbindung mit Betrieben, Schulen, Kindergärten, Vereinen und Verbänden, vor allem Kindern, aber auch Erwachsenen die Freude an der Bewegung und die Vorzüge eines gesunden Lebensstils zu vermitteln. Zumal sich die Probleme durch die Pandemie verschärft haben, gerade auch mit Blick auf die Psyche.

Wo muss man ansetzen?

Wichtig ist, dass nicht isoliert gedacht wird. Kommunen sollten zum Beispiel mit Institutionen der Bildung eng zusammenarbeiten, genauso Arbeitgeber mit lokalen Vereinen.

Ihr Tipp fürs Derby?

Der TVB gewinnt 28:26.

Zur Person

Karriere
Felix Lobedank wurde am 12. August 1984 in Bamberg geboren. Er begann seine aktive Karriere beim TV Coburg-Ketschendorf. Danach wechselte er zum damaligen Regionalligisten HSC Coburg. 2005 zog der Linkshänder weiter zum damaligen Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten. Mit der Mannschaft wurde er in der Saison 2005/2006 Meister und stieg mit ihr in die Bundesliga auf. Im Sommer 2011 wechselte Lobedank zum Ligarivalen Frisch Auf Göppingen, mit dem er 2012 und 2016 den EHF-Pokal gewann. Ab der Saison 2016/17 stand der Rückraumspieler beim TVB Stuttgart unter Vertrag. Im Sommer 2018 verließ Lobedank den TVB und wechselte zum Oberligisten SG Pforzheim/Eutingen, wo er nach einer Spielzeit seine Karriere beendete. Seit Januar 2023 ist er beim TVB als Co-Trainer tätig.

Persönliches
Lobedank hat seine Arbeit im Gesundheitsmanagement bei der AOK vorübergehend um die Hälfte reduziert. Er lebt mit seiner Frau Katrina und den drei Söhnen (9, 8 und 3 Jahre alt) in Schwaikheim. Sein Hobby ist Tennis. (jüf)