Magie Handball bringt der TVB Stuttgart 1898 in die Porsche-Arena Foto: Pressefoto Baumann

Der TVB Stuttgart 1898 bleibt in der Ersten Handball-Bundesliga. Doch wie hat er es bis dahin geschafft? In Bittenfeld, einem Teilort von Waiblingen, hat alles begonnen. Leichthin könnte man es heute ein Wunder nennen.

Stuttgart - „Biddafeld, Biddafeld“ – manchen Neubesucher machten die Rufe der Handballfans in der Stuttgarter Scharrena und Porsche-Arena in den vergangenen Monaten eher ratlos. Bidda was? Bittenfeld, 1185 erstmals urkundlich erwähnt, geprägt durch wechselnde Herren – und Behauptungswillen. Seit 1975 Teilort von Waiblingen, ist Bittenfeld mit seinen 4300 Einwohnern doch so etwas wie eine eigene Welt.

Auch weil hier etwas begonnen hat, das man leichthin ein Wunder nennen könnte – der Weg vom Dorfverein in die stärkste Handball-Liga der Welt. Das Wunder aber hat Methode. „Im Profihandball“, sagt Thomas König, der das Team nach dem Aufstieg 2015 in die Erste Handball-Bundesliga übernommen hat und in der folgenden Saison die Klasse halten konnte, „ist die Professionalität im wirtschaftlichen Bereich mit den Voraussetzungen vor Ort entscheidend.“

König präzisiert: „Die Sponsorenlandschaft und die Hallensituation müssen vorhanden sein oder langfristig entwickelt werden.“ Er hat Vergleiche – schon mit dem früheren TV Kornwestheim und der TSG Ludwigshafen-Friesenheim hatte er Anläufe in den Spitzenhandball genommen. „Die Entwicklung im sportlichen und im wirtschaftlichen Bereich muss parallel laufen“, sagt er.

Begeisterung allein hätte für den Erfolg kaum gereicht

Im Rückblick scheint es fast so, als hätten die Verantwortlichen in Bittenfeld über das Forcieren neuer Strukturen die sportliche Entwicklung vorweggenommen. Schon 2008, man etabliert sich gerade erst in der noch zweigleisigen Zweiten Bundesliga, werden Team und Leitung ausgegliedert, wird die TVB 1898 Handball GmbH & Co. KG gegründet. Parallel entwickelt man Allianzen mit den Handballvereinen in der Region Stuttgart. Der Erfolg des Schulterschlusses ist messbar – über jeweils ausverkaufte Spiele in der Porsche-Arena in Stuttgart hat der TVB bald die meisten Zuschauer in der zweiten Liga.

Handballbegeisterung allein hätte für diesen Erfolg kaum gereicht – schmerzhaft hatten zuvor der VfL Pfullingen und auch der Traditionsverein Frisch Auf Göppingen erfahren müssen, wie schwer es ist, Stuttgart als Bühne des Profihandballs zu nutzen. Dabei hat man in der Landeshauptstadt selbst doch Handballgeschichte geschrieben – mit den Spielen des SV Möhringen in der Halle 6 der früheren Messe Killesberg. Das aber ist 50 Jahre her.

Gibt es eine Formel für den Erfolg? „Der TVB“, sagt Bernhard Bauer, bis 2015 Präsident des Deutschen Handballbundes, unserer Zeitung, „ist ein Verein, der Bodenständigkeit, Herz, Verstand und Leidenschaft auf wunderbare Weise kombiniert.“ So sei auch die konsequente Weiterentwicklung möglich: „Damit“, so Bauer weiter, „kann man Großes erreichen – vielleicht nicht schon morgen, aber auf jeden Fall übermorgen.“ Zum Wohl auch der Metropolregion. „Der TVB“, sagt Bauer, „ist ein Glücksfall für den Handball in der Region und in der Sportlandschaft der Region Stuttgart.“

Susanne Eisenmann (CDU), Baden-Württembergs neue Kultusministerin, hebt noch auf anderes ab. In ihrem vorigen Amt unterstützte Eisenmann 2012 öffentlich überraschend offensiv den Umzug in die im Rahmen des Umbaus der Mercedes-Benz-Arena entstandene Scharrena. Warum eigentlich? „Zu dem Zeitpunkt, als klar war, wie der Verein das intern kommuniziert und den eigenen Strukturwillen ebenso ausgewogen wie weitblickend bestätigt hat, war offensichtlich, dass der Verein insgesamt hinter diesem Umzug nach Stuttgart steht.“

Wort vom „Familienbetrieb“ macht die Runde

Vier Jahre zuvor prägt man in Bittenfeld den Markennamen, der auch aktuell für das Bundesliga-Team begeistern soll: Wild Boys. Die neuen Impulse setzt 2008 einer, der parallel noch als Spieler aktiv ist: Jürgen Schweikardt lenkt als Geschäftsführer die Geschicke der TVB 1898 Handball GmbH & Co.KG. Diskutieren muss er seine Vorstellungen mit dem Sportlichen Leiter des TV Bittenfeld und Trainer des Zweitligateams. Der heißt Günter Schweikardt und ist sein Vater. Ein Problem? „Ich glaube“, sagt Jürgen Schweikardt, „dass man sich auf  beruflichem Feld innerhalb der Familie früher deutlich macht, wenn etwas nicht so gut läuft wie in anderen Strukturen.“

Das Wort vom „Familienbetrieb“ macht die Runde, als 2012 der jüngere Bruder Michael Schweikardt vom Erstligisten MT Melsungen zum TVB wechselt. „Wir sind nicht der TV Schweikardt“, macht Jürgen Schweikardt – neben dem Geschäftsführeramt seit 2013 auch Trainer des Teams – unmittelbar nach dem Erstligaaufstieg deutlich. Pragmatisch kann man wohl von einem Erfolg der kurzen Wege sprechen.

Hartmut Jenner, Vorsitzender der Geschäftsführung des TVB-Hauptsponsors Alfred Kärcher GmbH & Co. KG, sieht die Erfolgsgründe nüchterner: „Seit Jahren verfolgen die Verantwortlichen des TVB 1898 Stuttgart eine klare Strategie und scheuen sich auch nicht davor, mutige Entscheidungen zu treffen. Mit Erfolg!“ Und weiter: „Der Aufstieg in die Erste Handballbundesliga im vergangenen Jahr war für den TVB nur der nächste logische Schritt.“ Jenner ergänzt: „Wir begleiten den Verein auch weiterhin gerne als Hauptsponsor und freuen uns auf Bundesliga-Handball in Stuttgart.“

Wie geht es weiter?

Und wie geht es mit dem TVB Stuttgart 1898 in der kommenden Saison insgesamt weiter? „Das Geschäft wird nicht mehr anders“, sagt Jürgen Schweikardt, der zur Rückrunde Johannes Bitter, Torhüter des Weltmeisterteams von 2007, vom insolventen HSV Hamburg nach Stuttgart holen konnte und mit Michael Kraus für die neue Saison einen weiteren Weltmeister von 2007 verpflichtete. „Die Vorgänge werden anders.“

Und wie will der TVB Stuttgart 1898 (Etat in der aktuellen Saison: zwei Millionen Euro) die notwendige wirtschaftliche Weiterentwicklung realisieren? „Es geht darum“, sagt Jürgen Schweikardt, „vor allem die Partnerschaften auf der dritten und vierten Ebene weiterzuentwickeln – und perspektivisch weitere Großsponsoren zu gewinnen.“ „Dazu“, weiß der Manager, „müssen wir erst einmal in Vorleistung gehen. Dieses Jahr hatten wir noch Welpenschutz, die Erwartungshaltung aber steigt natürlich.“ Auch Trainer Thomas König bleibt zurückhaltend: „Das zweite Jahr ist noch schwieriger als das erste Jahr“, sagt er. „Man kennt die Mannschaft, man wird nicht mehr unterschätzt, die Anforderungen und Ansprüche im Umfeld werden größer. Neuzugänge müssen schnell integriert werden und die ,alten‘ Spieler müssen nochmals einen Schritt nach vorne machen.“ An diesem Sonntag aber wird erst einmal gefeiert. Mit dem Tabellenzweiten SG Flensburg-Handewitt kommt noch einmal ein Großer der Liga nach Stuttgart.