Eigentlich wollte eine britische Supermarktkette auf die Ausrottung der Orang Utans aufmerksam machen. Dann mischte sich die Medienaufsicht ein. Und nun macht das Netz für die bedrängten Affen mobil: ein geplanter viraler Coup.
Stuttgart - Was dürfen Orang Utans? Sie dürfen sterben. Genauer gesagt, elend bei lebendigem Leib verbrennen, weil ihre paar verbliebenen Lebensräume, die Wälder auf Borneo und Sumatra, per Brandrodung vernichtet werden, um Palmölplantagen hochziehen zu können. Was Orang Utans nicht dürfen: als Zeichentrickfiguren im Werbespot einer britischen Supermarktkette diese Brandrodung anprangern. Das hat jetzt die britische Medienaufsicht Clearcast entschieden, die über Werbespots wacht und nun einen Clip der Kette Iceland zurückgewiesen hat, der den Weihnachtskonsumrummel mit einem ernsten Ton durchdringen sollte: Der Spot, findet man bei Clearcast, sei zu politisch.
Das Eineinhalb-Minuten-Filmchen „Rang Tan" ist ursprünglich von der Londoner Werbeagentur Mother für die Umweltschutzorganisation Greenpeace produziert worden. Es zeigt einen jungen Orang Utan, der durchs Kinderzimmer eines kleinen Mädchens turnt, die Topfpflanzen umwirft und sich über eine Schokoladentafel und eine Flasche Shampoo ärgert. Als das Kind den Störenfried schon aus dem Zimmer weisen will, fragt es noch schnell, warum er überhaupt gekommen sei.
Was Palmöl anrichtet
Nun sehen wir extrem düstere Bilder von der Vernichtung seiner Heimat und vom Tod seiner Mutter. Als ihm alles genommen war, ist er dorthin gegangen, wo die Palmölprodukte landen, für die seine Spezies ausgerottet wird. Das kleine Mädchen verspricht nun, alle Welt zu alarmieren und den Lauf der Dinge zu ändern. Auf der Tonspur wird das alles in Reimform erzählt – von keiner geringeren als der Schauspielerin Emma Thompson. Gewidmet sei der Film, sagt der Abspann, „den 25 Orang Utans, die wir jeden Tag verlieren.“
Greenpeace hatte den Spot zunächst für eine eigene Kampagne bei Clearcast eingereicht und eine Ablehnung kassiert. Mother hat den Spot daraufhin dem Agenturklienten Iceland angeboten, ergänzt um die Selbstverpflichtung der Supermarktkette, zumindest bei ihren Eigenmarken künftig auf Palmöl zu verzichten. Das mag noch keine merkliche Verringerung der globalen Nachfrage nach dem Stoff bewirken, ist als Geste, Aufmerksamkeitsheischer und als Alternative für den Endverbraucher aber allemal interessant.
Virale Kampagne – wie geplant
Dass Iceland und Mother nach der ersten Ablehnung durch Clearcast ernstlich damit gerechnet hatten, den Clip durchzubekommen, darf bezweifelt werden. Vermutlich war genau das geplant, was nun anzurollen beginnt: eine kostenlose virale Kampagne, bei der Nutzer der sozialen Netzwerke in Auflehnung gegen die Entscheidung von Clearcast und in Solidarität mit den bedrängten Orang Utans das Filmchen „Rang Tan“ über Facebook, Twitter und jeden anderen tauglichen Kanal teilen. Auf der Homepage der Agentur Mother begrüßt einen derzeit natürlich als Leistungsnachweis ein Filmbild aus „Rang Tan“.
Solchen orchestrierten Zupfereien an den leicht reizbaren Nervenfäden der Netzwerke sollte man stets skeptisch gegenüber stehen. Aber bei einem Film, der auf die brutale Ausrottung der hochintelligenten, in komplexen sozialen Zusammenhängen lebenden Orang Utans aufmerksam macht, kann es eigentlich nur eine Reaktion geben: teilen, teilen, teilen.