Das war ein Gerangel: Der Spielfilm-Doku-Mix „Baden gegen Württemberg“ im SWR erzählt sehr unterhaltsam von den Versuchen, Baden-Württemberg zu verhindern.
Es geht ums Ganze. Um Tradition und Zukunft, um Identität und Freiheit. Und was einem sonst noch an großen Worten einfallen mag. „Meine lieben Badenerinnen und Badener“, intoniert ein kleiner, bebrillter Mann mit über den Schuhen arg krempelnden Hosen. Sein verschmitztes Näseln legt nahe, dass „meine lieben“ keine Floskel ist, dass tatsächlich eine Empfindung gemeint ist. Aber es fehlt diesem Leo Wohleb, Staatspräsident des nach dem Untergang des Dritten Reiches eingerichteten Landes Südbaden, jener donnernde Weltgestaltungswahn, der die Massen begeistert.
Der französische Besatzungsoffizier, der sich in „Baden gegen Württemberg“, einem sehr sehenswerten Doku-Spielfilm-Mix des SWR, diesen Probelauf einer Rede anhört, ist denn auch unzufrieden. Er stellt eine Weinkiste vor Wohleb, der brav darauf steigt. Erhöht auf einem Feldherrnhügel, der heutige Betrachter eher an den kleinen Grasbuckel erinnert, auf dem Charlie Brown in den „Peanuts“-Comics seine Baseball-Niederlagen erleidet, setzt er neu an: „Meine lieben Badenerinnen und Badener ...“. Es geht ums Höchste. Es geht darum, die Entstehung des Landes Baden-Württemberg zu verhindern.
Aufgeteilt von Siegermächten
„Baden gegen Württemberg“ erzählt aus einer Zeit, in der ein Südweststaat, ein prekäres Projekt war. Die Siegermächte, die funktionierende Infrastrukturen brauchten, aber kein unkontrolliert erstarkendes Deutschland wollten, hatten den Südwesten in drei Bereiche geteilt: Württemberg-Baden, regiert aus Stuttgart von Reinhold Maier, Württemberg-Hohenzollern, regiert aus Tübingen von Gebhard Müller, und Südbaden, regiert aus Freiburg von Leo Wohleb. Aus drei Ländern eines zu machen, schien keinesfalls allen eine Jahrhundertidee zu sein.
In „Baden gegen Württemberg“ spielt Christian Pätzold den zwinkernd bauernschlauen, drängend patriarchalischen Maier. Ob Pätzold mit einer Zigarre wedelt, streng durch seine Brille schaut oder bloß das Weinglas hebt, man spürt, dass Maier aus einer anderen Ära kommt: dass in ihm eine von der Diktaturerfahrung beflügelte Wertschätzung für die Demokratie mit altem obrigkeitsstaatlichen Denken verknüpft ist.
Verirrte Heimatliebe
Gebhard Müller, dem der Schauspieler Richard Sammel eine leicht verkrampfte Zurückhaltung gibt, nicht das Verschlagene des Intriganten, aber das Konzentrierte des Schachspielers in schwieriger Lage, sitzt zwischen den Stühlen. Wohlebs Vorbehalte gegen eine selbstgefällige, herablassende egoistische Regentschaft der Stuttgarter Schwaben über die anderen Landesteile zu deren Nachteil, spürt er auch in sich selbst. Aus Gründen pragmatischer Staatsräson, aus Weitsicht, was die Chancen von Mini-Bundesländern anginge, hat Müller sich aber für die große Lösung entschieden.
Leo Wohleb aber ist nicht umzustimmen, und man kann gar nicht hoch genug preisen, wie Stefan Preiss den so leicht karikierbaren kleinen Mann unter dem altmodisch hohen Zylinder spielt: nicht als geltungssüchtigen Provinzfürsten, nicht als wichtigtuerischen Gnom, sondern als die Verkörperung verirrter Heimatliebe, als zu giftiger Bosheit fähigen Gemütsmenschen, der sich zur Verteidigung von etwas aufgerufen sieht, das so bedroht gar nicht ist, wie er meint. Vorangetrieben wird er von der französischen Besatzungsmacht, die ebenfalls keinen starken Südweststaat will, sondern eine selbstständige, frankophile Grenzregion.
Strippenzieher und Gezogene
Auf diese Komplikationen und Interessen weist der Autor und Regisseur Andreas Köller hin, breitet sie aber nicht aus. Das ist eine richtige Entscheidung, denn die Quellenlage ist höchstwidersprüchlich, und die 90 Filmminuten sind so schon vollgepackt. Interviews mit Historikerinnen und Biografen sowie Quellen der Zeit rufen uns in Erinnerung, in welchem Umfeld das Ringen ums neue Land ablief: Versorgungsengpässe, Flüchtlingszustrom, Trümmerchaos. Auch das lange verschwiegene Thema der Massenvergewaltigungen durch französische Soldaten wird knapp, aber eindrucksvoll angerissen.
Immer wieder sehen wir Männer, Strippenzieher und Gezogene zugleich, in wechselnden Besetzungen verhandeln, streiten, tricksen. Die dunklen Räume und schweren Möbel sind mehr als Dekoration, erzählen von einer Honoratiorenwelt, die ums Demokratische ringt. Dem setzt das Drehbuch Szenen aus dem jungen Frauenfunk entgegen, um daran zu erinnern, dass eine reine Männerriege ohne Zögern und Skrupel über Frauen mitbestimmt. Daher auch der volle Titel: „Baden gegen Württemberg. Männer, Macht und Frauenfunk“. Das ist clever gemacht, behält bei aller historischen Sorgfalt aber den Humor im Blick. Schon der herrlichen Szene wegen, in der Reinhold Maier über eine Karikatur von sich in Badehose schimpft, sollte man das anschauen.
Baden gegen Württemberg. SWR-TV, Freitag, 21 Uhr. Bereits in der Mediathek.
Der Gründungstrick
Entscheidung
Am 25. April 1952 wurde die Neugründung von Baden-Württemberg ausgerufen. Dem war eine Volksabstimmung vorangegangen – an der gründlich gedreht worden war.
Teilung
In Südbaden, einem von drei Teilländern, war eine Mehrheit gegen die Vereinigung. Also teilte man per Bundesgesetz drei Länder in vier Stimmbezirke: So gab es eine Dreiviertelmehrheit der Bezirke für Baden-Württemberg.