Jaksch(Jakob Schreier) kann das Rauchen nicht aufgeben – das Hemdentragen dagegen schon eher. Foto: ZDF//Johannes Brugger

Was für eine Rolle! Der Schauspieler und Autor Jakob Schreier hat sie sich für die ZDF-Serie „Fett und fett“ auf den Leib geschrieben. Er spielt einen selbstmitleidigen Schluffi ohne Plan – und das als böses Generationenporträt. Aber hallo.

Stuttgart - Manchmal muss man einer Generation ganz tief in die Augen blicken, um sie zu verstehen. Ungefähr so tief, wie Enddreißiger gern in die Bierflasche gucken. Das Problem von sich und seinesgleichen hat der ewige Ex-Student Jaksch (Jakob Schreier) nicht nur erkannt, sondern eine Formel dafür gefunden: Weil es nur wenige Dinge gibt, die wirklich Spaß machen – „Essen, Trinken... oder Saufen halt, Sex und Geld“ – endet man am Ende fett und besoffen, weil das mit dem Sex und dem Geld immer schwierig ist.

Allein mit dieser Korrektur – „oder Saufen halt“ - trifft Jaksch ins Mark einer Generation, deren Hauptproblem zu sein scheint, halt am nächsten Tag nicht mehr nach Alkohol zu stinken. Und die halt immer so eher das Schlechtere dem Guten vorzieht. Das mit dem Rauchen wollte Jaksch ja auch längst sein lassen.

Das Echte und Gemeine

Jaksch ist die schluffige Hauptfigur, um die sich die ZDF-Serie „Fett und fett“ dreht - und die hat sich der Schauspieler Jakob Schreier selbst auf den Leib geschrieben. Die ersten Folgen hat er selbst produziert und ins Netz gestellt. Diese Webserie wurde so beliebt, dass das ZDF zugegriffen hat und nun sechs neue Folgen zeigt. Das Lebensgefühl junger Städter wollten die Regisseurin Chiara Grabmayr und Schreier, beides Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film München, einfangen.

Einfangen klingt gut, trifft es aber nicht. Einfangen klingt nach Umkreisen, Begrenzen. Grabmayr und Schreier gelingt das Staunenswerte, im Gegensatz zu vielen anderen ihre Geschichten einfach laufen zu lassen. Ohne Drama. Ohne Zuspitzung. Ohne Albernheit. Das Echte, das dann noch bleibt, ist so viel gemeiner.

Selbstmitleidig und falsch gewickelt

Jaksch stolpert durch sein erfolgloses Leben. Viel schlimmer: Es ist nicht nur erfolglos, sondern stinklangweilig. Er muss sich um eine kaputte Waschmaschine in der WG kümmern und ewig auf sein Handy starren. Es könnte sich ja was anbahnen. Mit dieser einen halt.

Dann hui. Passiert was. Vorstellungsgespräch halt. Als Regie-Assistent. Bei Matthias Lilienthal, dem Intendanten der Münchner Kammerspiele, der sich hier selbst spielt. Und sofort durchschaut, dass sich Jaksch ein billiges Aftershave draufgeknallt hat, um nicht nach gestrigem Suff zu miefen. Das Gespräch wirkt wie eines ohne Drehbuch - wie jedes in dieser Serie. Wie falsch gewickelt diese selbstmitleidige Generation ist, offenbart sich in Jakschs Reaktion auf Lilienthals Frage, wo Jaksch sich in fünf Jahren sieht: „Ich dachte, die Frage stellt man heute nicht mehr?“ Jakschs Entscheidungsfreudigkeit auf einer Skala von eins bis zehn? Nach langer Denkpause wird eine fünf draus. Arbeitslos geht es weiter.

Selbst die Therapeutin hat genug

Auch Jakschs Therapeutin hat inzwischen die Nase gestrichen voll. Sie ist halt sehr gelangweilt – von ihm und von allen, die sind wie er. Wie einer, der auf die Frage nach dem Verhältnis zur Mutter nur wieder stammelt: „Das wird doch heute nicht mehr gefragt?“

Jaksch kann nie sagen kann, was er will. Nur Witze erzählen, das kann er. „Wer will denn so was hören?“, pflaumt ihn die Seelenflickerin dafür an. „Ich war doch nicht sechs Jahre auf der Uni und vier Jahre in der Ausbildung, um hier die Probleme von einem Dreißigjährigen nach dem anderen anzuhören, dem es eigentlich gut geht. Die sich aber alle darüber beschweren, dass sie nicht wissen, was sie wollen, sich nicht entscheiden können und sich nicht trauen, ihre Bedürfnisse zu äußern.“ Frau Therapeutin ist fertig mit Jaksch. Mit dieser ganzen trostlosen Generation.

Wie soll das weitergehen?

Gut, dass Jaksch bald eine andere Frau trifft. Die das Baden liebt. Und diese duftenden Zusätze halt, damit sie nicht mehr nach Alkohol riecht. Wird aus den beiden was? Und wie nur um Himmels Willen? Und warum landet Jaksch dann in einem Schwulenklub? Und küsst einen Mann? Wie soll das weitergehen mit einem Kerl, der sowohl im Vorstellungsgespräch als auch bei seiner Therapeutin gnadenlos durchrasselt?

„Hören Sie noch zu?“, fragt Jaksch seine Therapeutin, als er am typischen Rumstammeln ist. Die Psychologin hat ihn abgehakt. Der Zuschauer aber will zuhören. Muss zuhören. Weil das Leben spricht. Eingefangen - im Sinne von; für ihre Sache gewonnen - haben Grabmayr und Schreier das, was diese Serie und ihre verwirrte Generation verdient hat: zuhörende Zuschauer.

ZDF,
ab 0.15 Uhr in der Nacht vom 14.10. auf den 15.10. 2019, alle sechs Folgen am Stück. In der Mediathek des Senders sind zusätzlich zu den neuen Folgen auch die alten der Webserie abrufbar.