Die Vampirin Mae (Jenny Wright) zieht Caleb (Adrian Pasdar) mächtig an. Foto: Arte/Studiocanal

Lange vor „Bis(s) zum Morgengrauen“ verfielen Menschen den Vampiren. Arte beweist das mit Kathryn Bigelows „Near Dark“ von 1987.

Stuttgart - Der harte Kleinstadt-Cop, der eben noch richtig fies werden wollte, überlegt es sich anders. „Geh nach Hause, sei ein guter Junge“, ermahnt er den verdreckten, blutenden, schwitzenden, zitternden Burschen, den er am Kragen gepackt hat. Und den er bis eben noch für einen zu allem bereiten Junkie auf der Suche nach dem nächsten Überfallopfer hielt. Ja, Caleb (Adrian Pasdar) ist ein netter Junge vom Lande. Aber mit seiner ersten Einschätzung lag der Cop gar nicht so falsch. Caleb ist im Hinterland von Oklahoma in ungute Gesellschaft geraten, er ist gerade dabei, sich in einen Vampir zu verwandeln.

Der Spielfilm „Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“, den Arte jetzt im Rahmen eines Blutsaugerschwerpunkts aus dem Archiv geholt hat, stammt aus dem Jahr 1987. Kathryn Bigelow, die sehr viel später mit „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ als erste Frau überhaupt einen Oscar für die beste Regie gewonnen hat, mixt hier Elemente des Westerns, des Vampirgruslers, des Film noir und des Biker-Movie (ihr Debüt hatte von einer Motorradgang erzählt, „The Loveless“ von 1981). Aber „Near Dark“ ist kein Mischmasch, er hält zusammen, er erzählt von der Verführbarkeit einer unsicheren amerikanischen Jugend, die spürt, dass das alte Leben und die alten Rollenmuster am Ende sind.

Vampire und die Zeitenwende

Das Vampirmädchen Mae (Jenny Wright), das mit einer Desperadogang Untoter durch den Westen zieht, verdreht Caleb den Kopf. Man kann „Near Dark“ also als viel besseren Vorgänger der „Bis(s) zum Morgengrauen“-Reihe sehen, als Erkundung der Anziehungskraft des ewigen Schattendaseins. Aber der von Kameramann Adam Greenberg und den Soundtrack-Lieferanten Tangerine Dream mit Zwielicht aufgeladene Film geht tiefer. Er greift zum Ende der konservativ berauschten Jahre unter Ronald Reagan das Gefühl auf, an einem Scheideweg zu stehen.

Joel Schumachers „Lost Boys“ erzählt im selben Jahr fast dieselbe Geschichte mit Elementen der Teenagerkomödie, Oliver Stones „Wall Street“ verzichtet ebenfalls 1987 auf Übernatürliches, folgt bei der Korrumpierung eines Jungbörsianers durch den Aktienzocker Gordon Gekko (Michel Douglas) aber dem Vampirfilmmuster. Bigelow zeigt bittersüß-subversiv die Alternativen: Man hockt abgeschnitten von der Moderne in der Provinz – oder schlitzt Leuten die Kehle auf, um zu überleben.

Near Dark. Arte, Montag, 21.55 Uhr. In der Mediathek des Senders noch bis 11. März, dort gibt es auch weitere Teile der Vampir-Reihe.