Er sah nicht immer wie jedermanns Traumschwiegersohn aus: Schock-Rocker Alice Cooper Foto: Getty

Alice Cooper war mal der wildeste Mann im Rockgeschäft. Besorgte Eltern hielten ihn für einen Abgesandten der Hölle. Die Musikdoku „Super Duper Alice Cooper“ zeigt einen ganz anderen Durchgeknallten.

Phoenix - Schockschwerenot, die satanischen Horden sind los! Dachten sich jedenfalls besorgte Eltern in den siebziger Jahren, als Poster und Platten von Alice-Cooper-Poster in den Teenager-Zimmern auftauchten. Lange Haare waren noch der geringste Schulordnungsverstoß dieses wilden Typen, dem Arte jetzt einen Dokumentarfilm widmet. Ein wenig war Alice Cooper zwar geschminkt und aufgetakelt wie ein Arme-Leute-Kind, das sich zu Fasching mit Lumpen als Disney-Prinzessin herausputzen wollte. Aber das mischte sich mit dem Stil eines besonders hemmungslosen Leichendiebs aus einem alten Horrorfilm und dem Gebaren eines frisch aus der Zwangsjacke geschlüpften sadistischen Serienmörders. Zur Cooper-Schminke gehörte teerdicke schwarze Farbe um die Augen, als quelle da seelische Finsternis unter seinen Lidern hervor. Obendrein wurde überall berichtet, dieser Durchgedrehte bringe bei seinen Auftritten unschuldige Tiere um.

Der Dokumentarfilm „Super Duper Alice Cooper“ belegt noch einmal, dass es so eine Scheußlichkeit, halb als Unfall, halb als Rauschexzess, tatsächlich gegeben hat, 1969, bei einem Open-Air-Konzert in Toronto. Cooper warf ein angeblich zufällig auf der Bühne gelandetes Huhn in die Menge, die das arme Tier zerfetzte und in Einzelteilen zurück auf die Bühne warf. Die Verdrehung, Cooper beiße bei seinen Shows regelmäßig Tieren den Kopf ab und trinke ihr Blut, wurde wichtiger Image-Bestandteil der Band, die gerade etwas Neues erfand: den Schock-Rock. Und mit „School’s out“ einen Hit lieferte, den immer neue Generationen entdecken.

Mit den Beatles fing alles an

Ein preiswürdiger Geniestreich ist die von Reginald Harmeka, Sam Dunn und Soct McFayden inszenierte Dokumentation nicht: Dafür erzählt sie zu brav chronologisch, und gerade in der zweiten Hälfte wird ihre zurückgelehnte Entspanntheit der Dramatik des Materials nicht ganz gerecht. Der reale Mensch Vincent Furnier wird da von seiner Kunstfigur Alice Cooper förmlich aufgefressen. Drogenexzesse ruinieren den Mann so, dass er noch in Ruhemomenten so wirr und aufgedreht ist wie früher in den exaltiertesten Momenten seiner Show.

Angefangen hat dieses besondere Kapitel Rockgeschichte rührend bieder: Vier Jungs aus Phoenix, die gar keine Instrumente spielen konnten, wollten 1964 eher pantomimisch bei einem Schulfest mit geliehenen Perücken als Beatles-Imitatoren auftreten. Als ihnen auffiel, das das so ganz ohne Musik dann doch nicht gehen würde, fragten sie einen fünften, der wegen Rauchens auf dem Schulhof schon als ganz harter Hund aufgefallen war und zudem drei Griffe auf der Gitarre klopfen konnte, ob er aushelfen könne. Dieser Glen Buxton sagte zu. Der Auftritt brachte die Mädchen zum Kreischen. Die Jungs beschlossen, das Musikmachen zu lernen.

Schöne Botschaft

„Super Duper Alice Cooper“ hat noch viele nette Anekdoten zu bieten, die zeigen, wie das Horrorimage eher zufällig entstand, als neckischer Versuch, musikalisch bessere Bands mit einer schrilleren Show auszustechen. Der heute 70-jährige Cooper alias Vincent Furnier hält seit einem Radikalentzug 1983 Show und Leben wieder strikt getrennt. Die schöne Botschaft: Bitte Schock-Rock nicht als ernste Kampfansage an alle Werte missverstehen.

Ausstrahlung: Arte, 12. Oktober 2018, 21.55 Uhr. Danach bis 27. Oktober 2018 in der Mediathek des Senders.