Dicke Kumpel: von links Bernd (Fritz Roth),Paul Krüger (Horst Krause) und Ecki (Jörg Gudzuhn) Foto: ARD Degeto/Olaf R. Benold

Er ist ein Publikumsliebling: Horst Krause als Ur-Berliner Grantler Krüger. Im vierten Film der ARD-Reihe kehrt Krüger in seinen tschechischen Geburtsort zurück.

Stuttgart - Vielleicht hat Marc-Andreas Bochert damals, als er seinen Antihelden Paul Krüger in die Türkei geschickt hat, im Stillen gehofft: Aus dieser Idee kann mehr werden. In „Krüger aus Almanya“ (2015) wollte der von Horst Krauseunnachahmlich verkörperte Ur-Berliner um jeden Preis verhindern, dass sich seine geliebte Enkelin Anna mit einem Einheimischen verlobt und zur „Gebärmaschine für kleine Moslems“ wird. Nach und nach bekam das zementierte Weltbild des alten Grantlers jedoch immer tiefere Risse; am Ende kehrte er geläutert heim.

Eine Fortsetzung drängte sich förmlich auf: In „Krügers Odyssee“ (2017) musste Krüger nach Griechenland, um Annas Vater zu suchen. Auch der zweite Film war ein kurzweiliges Spiel mit Klischees und Vorurteilen, und spätestens jetzt war klar: Die Figur hat Reihenpotenzial.

Krüger gegen die Chinesen

Klugerweise haben Bochert („Stenzels Bescherung“) und seine Koautoren in den weiteren Episoden darauf verzichtet, die Grundidee zu Tode zu reiten. Die Familie spielte in Teil drei, „Küss die Hand, Krüger“ (2018) keine Rolle mehr, nun ging es um einen Freundschaftsdienst. Ohnehin sind die Geschichten ohne Krauses Kumpane kaum noch denkbar, zumal Bochert ein auch darstellerisch interessantes Trio zusammengestellt hat. Fritz Roth spielt Freund Bernd , Jörg Gudzuhn den Ecki , dessen große Stunde im vierten Film schlägt. Denn er ist zumindest nach eigener Ansicht einer der führenden deutschen Bierexperten.

Diesmal geht die Reise nach Tschechien: Krügers verstorbene Tante Vera hat ihm die Familienbrauerei im Örtchen Krygovice vererbt. Die eigens angereiste Bürgermeisterin (Jana Hora-Goosmann) beschwört ihn, sich den Betrieb erst mal anzuschauen. Sie befürchtet, dass sich „die Chinesen“ die Brauerei unter den Nagel reißen werden, und dann wäre der halbe Ort arbeitslos: weil die Investoren aus Fernost die Fabrik abreißen und teure Mietshäuser bauen könnten.

In Kafkas Behörde

Natürlich nutzt Bochert auch die vierte Reise, um Land und Leute vorzustellen, aber er hat die Rundfahrt gemeinsam mit Koautorin Ulla Ziemann (sie war schon an der „Odyssee“ beteiligt) sehr geschickt in die Handlung integriert. Als erstes müssen Krüger und Bernd zu einem Notar nach Prag. Im Gerichtsgebäude werden sie, Kafka lässt grüßen, von einem Büro zum nächsten geschickt. Eine hilflose Kakerlake ist eine weitere Kafka-Reminiszenz. Der Notar offenbart Krüger, dass er die Brauerei nur gemeinsam mit seinem Bruder übernehmen kann. Die beiden Freunde finden Emil (Christian Grashoff) in Marienbad.

Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass „Kryger bleibt Krüger“ eine Komödie ist. Doch hinter der heiteren Fassade geht es um das diffizile Thema Vertreibung, das Bochert und Ziemann zunächst nur beiläufig erwähnen, aber nach und nach in den Vordergrund rücken: Paul musste Krygovice nach dem Krieg zusammen mit seiner deutschen Mutter verlassen; sein kleiner Bruder Emil ist beim tschechischen Vater geblieben, der die Brauerei nicht im Stich lassen wollte. Verbitterung und Schuldgefühle sind damals eine unheilige Allianz eingegangen, die sich von den Eltern auf die Kinder übertragen hat.

Entzweite Brüder

Entsprechend distanziert ist die erste Begegnung der beiden Brüder: Emil ist ein fahrender Künstler, der Kinder mit Marionetten unterhält. Paul beschwört den Weintrinker, der sich vor Jahren wegen der Brauerei mit dem Vater überworfen hat, das Erbe um der Tradition und der Belegschaft Willen anzunehmen, aber Emil ist ein alter Sturkopf, der Paul zudem für einen typischen deutschen Kapitalisten hält.

Wie in allen Filmen der Reihe macht es großen Spaß, den Schauspielern bei ihrem Schaffen zuzuschauen, zumal es überhaupt nicht nach Arbeit aussieht: Während Ecki mit Wirtin Tereza (Johana Munzarova) flirtet und alles versucht, um die Versteigerung zu verhindern, bekommt Bernd von Emil eine uralte Schmerztablette gegen seinen Hexenschuss und erlebt die Rückfahrt nach Krygovice als Trip im doppelten Wortsinn. Die Dialoge sind ohnehin auch diesmal die reinste Freude. Mindestens genauso wichtig wie die schönen Bilder (Kamera: Andreas Höfer) ist die Musik (Stefan Maria Schneider, Sebastian Lang), eine schmissige Mischung aus Ska und Balkanpop, die enorm gute Laune verbreitet.

Ausstrahlung: ARD, Samstag, 18. Januar 2020, 20.15 Uhr