Bill Kaulitz von Tokio Hotel erzählt auch von Morddrohungen. Foto: RBB

Ab 2005 wurde eine Band mit Magdeburger Kids zum geliebten und gehassten Mega-Phänomen: Tokio Hotel. Die Arte-Doku „Hinter die Welt – Tokio Hotel“ zeigt, wie die jungen Musiker nach dem Ende des großen Rummels leben. Und ist überraschend interessant gerade auch für Nicht-Fans.

Magdeburg - Sie waren ab 2005 der absolute Teenieschwarm, die vier Magdeburger Jungs, die dauernd Gefahr liefen, von ihren Fans erdrückt zu werden. Und sie waren dank der Unduldsamkeit älterer Rock-, Jazz-, Blues- und Sonstwas-Fans auch die meistgehasste Band der Republik: Tokio Hotel. Oliver Schwabes Dokumentarfilm „Hinter die Welt – Tokio Hotel“ schaut nach, was Gustav Schäfer, Georg Listing sowie die Zwillinge Bill und Tom Kaulitz heute machen. Und wer nun denkt „Tokio Hotel, gibt’s die noch?“ – dem zeigt Schwabe früh ein Häuflein Fans, die in Mexico City am Flughafen bei der Welttour kreischen wie einst. Ja, Tokio Hotel gibt es noch, auch wenn die Zeiten des Irrsinns-Hypes vorbei sind. Worüber niemand glücklicher zu sein scheint als die Stars selbst.

Flucht vor den Fans

„Das war kein Leben mehr“, sagt Listing, der wie Schäfer in Ostdeutschland geblieben ist, über die Belagerung von einst, über das manchmal höchst bedrohliche Stalking, über das Leben hinter Zweimeterzäunen. Und auch die Brüder Kaulitz, die in Los Angeles wohnen, schildern diesen Umzug vor allem als Flucht vor den Fans. Es klingt ganz unkokett, wenn sie vom Genuss der Normalität sprechen, von Spaziergängen mit ihren Hunden oder einem Gang zur Führerscheinstelle, die nun alle ohne Leibwächter absolvierbar sind.

Man muss weder die alte noch die neue Musik von Tokio Hotel mögen, um zu merken: Die Band sieht sich nicht als Plastikprodukt und Abkassiermaschine. Überhaupt entsprechen die vier in keinem Moment dem Klischee der ruhmvergifteten Luxusdiven. Wenn Bill Kaulitz von seinem Respekt vor den Fans in Russland spricht, wo er vor Auftritten seines extravaganten, androgynen Stylings wegen Morddrohungen erhält, dann glaubt man ihm. „Hinter die Welt“ ermöglicht gerade Leuten, die Tokio Hotel damals so gern im Ohr hatten wie einen Angelhaken, eine überraschende Begegnung.

Ausstrahlung: Arte,
Sonntag, 22.07.2018, , 23.10 Uhr; danach eine Woche lang in der Mediathek