Im Wasser liegt auch im Alter ihr Glück: Die Seniorenschwimmer Erich Liesner (li.) und Hans-Jürgen Schmidt Foto: ZDF/Eisenburger

Hans-Jürgen Schmidt, 68 und Erich Liesner, 86, sind Seniorenschwimmer aus Essen. Der Dokumentarfilm „Erich und Schmitte – Entscheidend is am Beckenrand“ wird aber keine Sportdoku. Hier wird heiter und traurig, weise und entspannt vom Wert der Freundschaft erzählt.

Essen - Um schlafen zu können, spottet der 68-jährige Seniorenschwimmer Hans-Jürgen Schmidt über seinen 86-jährigen Vereinskameraden Erich Liesner, brauche der jede Nacht zwei Ibuprofen und drei Schlaftabletten. Erich, den bei der Vorbereitung auf die Meisterschaften in London im Trainingslager auf Teneriffa die Bandscheiben plagen und der gerade noch einmal nachgezählt hat, wie viele Schmerztabletten ihm bleiben, kann und will das gar nicht bestreiten. Bemerkungen über die Einschränkungen des Alters und über wachsende Mühen kommentieren die beiden Essener Schwimmer mit Sätzen wie „Da sachste watt Wahres“.

Der Regisseur Stefan Eisenburger hat mit „Erich und Schmitte – Entscheidend is am Beckenrand“ keinen Dokumentarfilm über ganz und gar verbissene Selbstoptimierer gedreht, die das Altwerden nicht wahrhaben wollen. Erich und Schmitte sind nur Männer, die nicht gleich klein beigeben, die an den Freuden – und Freunden – von einst mit Mumm festhalten.

An der Einsamkeit noch mal vorbei

Die alten Schwarz-Weiß-Fotos, die in die Kamera gehalten werden, zeigen: Diese Leben wurden im Wasser geführt. Die Badehose war für Erich und Schmitte immer der Dienstanzug des Glücks. Erich erzählt, wie er nachts, wenn er mit Schmerzen aufwacht, als erstes denkt, er dürfe jetzt aber kein Licht anmachen, sonst werde er seine Frau aufwecken. Die ist zu diesem Zeitpunkt schon 11 Jahre tot. Wenn die Kamera Erich durch die große Wohnung folgt, nimmt sie immer auch die Lücke wahr: Hier hat Erich einmal nicht alleine gewohnt. Unaufdringlich wird deutlich, dass dieser Film auch Unglück und Einsamkeit hätte finden können – wären da nicht die Schwimmkameradschaften.

Doch halt, das ist nicht die ganze Wahrheit. Stefan Eisenburger, der Filmstudent, der hier seine Abschlussarbeit drehte, ist ab und an im Gespräch mit Erich und Schmitte zu hören, tritt sogar vor die Kamera – und das wirkt hier gar nicht eitel oder formatsprengend. Wenn Eisenburger schließlich mit Erich auf der Wohnzimmercouch sitzt und die beiden angeregt eine Fußballübertragung schauen, thematisiert der Film sich selbst. Dann wird offengelegt, dass diese Dreharbeiten das Seniorenleben nicht von außen dokumentieren, sondern nun entscheidend gestalten.

Der große Schock

Mehr noch: die Kamera verfolgt, wie sich da eine weitere Freundschaft über die Generationen hinweg bildet. Erich und Schmitte freuen sich altmodisch nicht darüber, dass der Bildapparat ihre Leben vielen Unbekannten herzeigen wird, sondern über den Besuch durch die Filmemacher. Das wäre im Zeitalter der Selfie-Egomanen auch dann extrem rührend, wenn der Film nicht einen großen Schock bereit hielte.

Im einen Moment steht der betagte Erich noch unter einer Dusche und sagt zum Regisseur, der müsse in vier Wochen wiederkommen. „Dann bin ich wieder voll dabei.“ Wie er „Hoff ich!“ dazusetzt, das enthält nicht nur den Was-will-man-machen-Zweifel am Zustand seiner Bandscheiben. Es drückt auch aus, dass Erich gefasst damit rechnet, dass für ihn jederzeit und schnell alles zu Ende gehen könnte.

Größeres im Blick

Dann aber verkündet eine Texttafel den Tod des jungen, nicht des alten Mannes. Stefan Eisenburger ist während der Dreharbeiten tödlich verunglückt. „Erich und Schmitte“ ist von den drei befreundeten Filmemacherinnen Hannah Dörr, Janina Jung und Carina Mergens zu Ende gebracht worden. Eine Szene am Grab lässt ahnen, wie wichtig es war, dass Erich und Schmitte auch diese harte Wende nicht alleine schwimmen mussten. Mit Bahnenzeiten und Ranglistenplätzen hat dieser Schwimmfilm wirklich nichts zu tun. Er hat sehr viel Größeres im Blick.

Ausstrahlung: 3 Sat, Montag, 19. November 2018, 22.20 Uhr