Schwerbewaffnete Soldaten schrecken die Bewohner einer stillen Provinz auf Foto: ZDF

Im norwegischen Achtteiler „Elven“ ist die tiefgefrorene Provinz wieder mal Schauplatz krasser Verbrechen. Verstörende Geheimnisse mischen sich mit atemberaubender Natur.

Norwegen - Wer aus deutscher Perspektive an Norwegen denkt, hat flugs ein Bündel Klischees im Sinn: idyllische Weiten, Elche, Bäume, Fjorde, die vielleicht mal eines dieser pittoresken Postschiffe aus der Hurtigruten-Reklame durchmisst, ansonsten aber: Menschenleere. Falls sich doch mal jemand in die Wildnis verirrt, dann friedfertige Naturburschen mit weichem Kern unter harter Schale, zu denen ein Jagdgewehr passt, ganz gewiss aber kein schweres Kriegsgerät. Da ist es fraglos ein Kulturschock, wenn tarnfleckuniformierte Soldaten dauernd mit Schnellfeuerwaffen im Anschlag durch die norwegische Fernsehserie „Elven“ patrouillieren und arglose Bewohner der russischen Grenzregion verstören.

Wobei – arglos? Wenn ein Unbekannter gleich zu Beginn des Achtteilers Leichenteile vom „Fluss aus der Kälte“, wie es im Untertitel heißt, aufklaubt; wenn ein Mädchen die fehlende Hand findet und kurz darauf tot im militärischen Sperrgebiet liegt; wenn der mutmaßliche Täter offenbar willentlich von Soldaten getötet wird, die eigentlich gar nicht scharf munitioniert sein dürften; wenn sich aus so viel roher Gewalt also ein heillos verknotetes Geflecht aus Verbrechen von heute und längst vergangener Zeit entspinnt – dann wird wie so oft im Krimi skandinavischer Herkunft deutlich: An Europas eisigem Nordrand ist niemand frei von Verantwortung für gewohnt brutale Untaten. Fast niemand.

Alle sind verwickelt

Im Alleingang nämlich macht sich der eigensinnige Landpolizist Thomas Lønnhøiden nun an drei Donnerstagen auf Arte daran, die „Mauer des Schweigens“, wie es in diesem Genre gern heißt, zu durchbrechen. Ein schwieriges Unterfangen. Zumal der eigene Vater und dessen Bruder in diesem Abwehrbollwerk drin hängen, so wie das Militär diverser Dienstgrade, Geheimagenten bis tief in den ehemaligen KGB, dazu Lønnhøidens Kollegen, die Presse, ja selbst der Pastor und seine Schäfchen – alle, wirklich alle sind hier irgendwie verwickelt, alle wirken rätselhaft, alle scheinen mitschuldig und schauen auch vorwiegend so drein.

In seiner opaken Unzugänglichkeit gleicht der Handlungsort von „Elven“ der TV-Legende „Nummer 6“, die vor gut 50 Jahren ein psychedelisches Dorf voller Freaks und Gaukler zum Gefängnis eines entführten Spions gemacht hat. Langsame Kamerafahrten durch die Schönheiten der norwegischen Landschaft machen die Serie zum Erlebnis. Wie üblich im skandinavischen Krimi ist die Optik auch ohne das ewige Sonnenlicht, mit dem sich ZDF-Melodramen zwanghaft selbst verkleistern, atemberaubend.

Kauzige Menschen in der Wildnis

Das Team um Regisseur und Chefautor Arne Berggren („Hotel Cæsar“) hat seinem Werk eine ergreifende Aura verpasst, die von der herausragenden Klanggestaltung von Geirmund Simonsen akustisch verstärkt wird. Doch so mitreißend die Atmosphäre auch ist, so überfrachtet wirkt bisweilen der verschwörungstheoretisch aufgeplusterte Inhalt. Und als wollten die deutschen Übersetzer das Durcheinander künstlich entschleunigen, drosselt ihre Synchronisation permanent das im Original ziemlich rasante Sprechtempo, als stünden sämtliche Protagonisten unter dem Einfluss sedierender Drogen.

Bei der Erstausstrahlung in Norwegen Ende März ist „Elven“ mit nur 212 000 Zuschauern ziemlich durchgerasselt. Vielleicht ist selbst das heimische Publikum langsam doch leicht genervt von all den monströsen Krimi-Untaten kauziger Menschen in der skandinavischen Wildnis. Wobei „Elven“ keinesfalls missraten ist. Es gewinnt der lieb gewonnenen Konstellation aus toller Landschaft und krassen Verbrechen nur zu wenig Neues ab. Genau das wäre dringend mal nötig.

Arte,
ab 23. August donnerstags um 20.15 Uhr jeweils mehrere Folgen. Abrufbar in der Mediathek bis 21. November 2018.