Geschäfte beim Karneval: der Amtsleiter Stüssgen (Joachim Król, li.) und der Unternehmer Asch (Rainer Bock) Foto: WDR/Frank Dicks

Der satirische Spielfilm „Der König von Köln“ erzählt, wie ehrbare Leute kriminelle Netzwerke bilden und ans große Geld wollen. Dabei verarbeitet der Drehbuchautor Ralf Husmann („Stromberg“) auch die reale Pleite von Karstadt/Quelle.

Stuttgart - Bei Korruption und Karneval, da machen alle mit, lernen wir in „Der König von Köln“ über eine fröhliche Stadt am Rhein. Wobei das keine zwei getrennten Lebensbereiche sind, sondern eher eine Arbeitsgemeinschaft aus Treibhaus und Schlingpflanze: Auf Karnevalssitzungen werden zwischen Schnaps und Alaaf bedenkliche, halbseidene und rabiat illegale Geschäfte ausgebrütet, eingefädelt, manchmal gar besiegelt. Hinterher schaut man dann vielleicht noch im Bordell vorbei: Gemeinsame Verfehlungen sind ein gutes Fundament für Ich-komm-hier-nicht-mehr-raus-Kumpaneien.

Zwischen Über- und Untertreibung

Was dieser fiktionale Teil des ARD-Themenabends „Kölscher Klüngel“ erzählt, das ist nicht aus der Luft gegriffen. Gerade die schrilleren Teile bewegen sich nah an den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaften und an Erkenntnissen aus mehreren Gerichtsprozessen entlang. Und das ist auch ein wenig das Problem des „Königs von Köln“. Obwohl mit dem Drehbuchautor Ralf Husmann(„Stromberg“, „Dr. Psycho“) und dem Regisseur Richard Huber („Dr. Psycho“) zwei Grimme-Preisträger am Werk waren, die wissen, wie man aus deutscher Wirklichkeit erhellende Satire macht, schlingert dieses Korruptionsstück manchmal etwas verloren zwischen Über- und Untertreibung dahin. Die realen Verhältnisse sind so grotesk, dass man gar nicht weiß, wie man ihnen gerecht werden und wie man sie verzerren soll.

„Der König von Köln“ verknüpft zwei Geschäftsvorgänge der großen Korruptionsmaschine miteinander. Zum einen sehen wir, wie der Tausendsassa Josef Asch (Rainer Bock), genannt der Polier, der allen nützlichen Menschen gerne große Gefallen tut und noch größere Gegengefälligkeiten einfordert, Lothar Stüssgen (Joachim Król), den Leiter des Baurechtsamts, nach seiner Pfeife tanzen lässt. Und wie er, als Stüssgen für längere Zeit dienstunfähig wird, dessen Stellvertreter auswählt und diesen Andrea di Carlo (Serkan Kaya), der eigentlich anständig bleiben will, zu sich in den Sumpf zieht und ihn erpressbar macht.

Der größte Coup

Zum anderen sind wir mit dabei, wie Asch, der in der Privatbank Hoppenheim eine dämonisch-tyrannische Beraterrolle innehat, seinen größten Coup plant. Man will das auf drei Milliarden geschätzte Privatvermögen der weltfremden Kaufhauserbin Valerie Dickeschanz wegschläucheln. Dazu gibt man vor, ihr bei notwendigen Umbauprozessen in einer sich wandelnden Konsumwelt zur Hand zu gehen, und schleust den Topmanager Middeldorf bei ihr ein, der dem großen trudelnden Betrieb so die Adern öffnen soll, dass das Lebensblut in die Fässer von Hoppenheim & Co. fließt.

In diesem Handlungsstrang lässt sich leicht die Arcandor-Affäre wiedererkennen, jener Fall von Missmanagement, der Karstadt und Quelle in den Untergang riss und erhebliche Teile des Privatvermögens der Großaktionärin Madeleine Schickedanz vernichtete. Wer sich aber noch an die Namen der echten Akteure erinnert – Schickedanz, Middelhoff, Oppenheim, Esch –, der mag erschrecken ob der vermeintlich schalen Namenswitzelei. Blödelt hier etwa alles auf diesem Vorschulniveau schlichtester Wortverdrehung vor sich hin? Ist der Film selbst von jenem vollsuffkompatiblen Karnevalshumor durchseucht, der im Leben einiger seiner Figuren eine große Rolle spielt?

Hinter den Pappnasen

Zugegeben, diese Namen sind dürftig albern. Ansonsten aber sind es gerade die begnadeten Albereien, die dem „König von Köln“ seine schönsten Momente bringen. Die Typen sind schamlos, ihre Jovialität ist Masche, ihre Gemütlichkeit Fassade, ihre marode Toleranz – sie heften noch die größten Schweinereien unter „leben und leben lassen“ ab – die Absage an allen Anstand. Eigentlich müsste man ihnen die Pappnasen wegwischen und mit den Bildern und Tonarten des Mafiathrillers von ihnen erzählen.

Husmann und Huber aber machen manchmal sehr gelungene Karikaturen aus den Figuren. Wenn der Bankenvorstand etwa hört, dass man der Firma von Frau Dickeschanz die Kaufhausimmobilien billig abknöpfen kann, um sie ihr dann für sittenwidrige Summen zurückzuvermieten, bricht ein Jubelsturm der Gier und Selbstgefälligkeit los, und man sieht in den Fratzen der feinen Herrschaften mehr als Sucht nach Geld. Es geht um Macht, um das Gefühl, durchtriebener zu zu sein als andere und darum, ohne Rücksicht über sie hinwegfahren zu dürfen.

Kindische Raubtiere

Manchmal ist der „König von Köln“ bloß achtbar gemachtes Schulfernsehen über Netzwerkbildung zum Schaden der Allgemeinheit. Aber ab und an wird er einfallsreich respektlos, entkleidet die Millionenschieber ihrer Attitüden oder ihrer hämischen Unangreifbarkeit. Der Baulöwe Asch etwa zeigt Middeldorf als Leistungsbeweis eine seiner Großbaustellen, einen Komplex öffentlicher Gebäude, für den er die Stadtkasse schröpfen wird. Middeldorf aber jammert im Schlamm der Baustelle darüber, dass seine rahmengenähten italienischen Schuhe das wohl nicht überstehen werden. Woraufhin Asch ihn in eine Schubkarre setzt und übers Gelände kutschiert, was der so Chauffierte für ein wunderbar originelles Erlebnis hält.

Da wird mitten im Raubtierkapitalismus ein kindischer Zug deutlich, das Ich-vernarrte Verhalten von Blagen, denen nicht entschieden genug Grenzen gesetzt werden. Ein hinderndes Einschreiten gibt es hier kurz, dank einer mutigen Staatsanwältin – aber der Abspann verweist darauf, dass in Köln bald wieder Karneval sei.

ARD,
Mittwoch, 20.15 Uhr. Im Anschluss ab 21.45 Uhr läuft die Reportage „Der Milliarden-Maurer vom Rhein“ über Josef Esch.