Neulinge auf dem Eis: von links Marlene Morreis, Veronika Polly, Katharina Strasser, Maddalena Hirschal Foto: MDR/ORF/Hubert Mican

Sie haben noch nie einen Stein geschoben, wollen aber gleich die Weltmeisterschaft in die österreichische Provinz holen: Die nette Komödie „Curling for Eisenstadt“ erzählt im Ersten vom schrillen Plan einer schrägen Frauenmannschaft.

Stuttgart - Diesen Slogan muss man erst mal über die Lippen bringen: „Lecker, lecker, gack, gack gack – Der Hendl-Kaiser ist auf Zack!“ Aber die frisch in der Arbeitslosigkeit gelandete PR-Frau Vicky (wunderbar hyperaktiv: Katharina Strasser) hat einen kratzigen Geschäftsmann vor sich, der gleich mal klar macht: Dieser Slogan ist nicht verhandelbar. Er findet ihn kein bisschen peinlich, Herr Kaiser hat ja auch sonst seltsame Motivationssprüche parat: „Das Geschäft rennt, aber wir rennen schneller“ etwa. Auch sein deutliches Übergewicht, darf man vermuten, sieht er als positives Zeugnis für die Qualität seiner Brathähnchen.

In der Komödie „Curling for Eisenstadt“, einer seltenen Koproduktion zwischen ORF und MDR, ist Kaiser (wunderbar robust: Christoph Krutzler) die unverzichtbare Schnittstelle zwischen Vision und Wirklichkeit. Nur wenn er als Sponsor die Schatulle aufmacht, kann in der österreichischen Provinz aus dem Nichts eine Curling-Damenmannschaft entstehen. Und zwar nicht irgendein braves Wir-lernen-allmählich-Team der Newcomerinnen, sondern die beste Truppe des Landes.

Höhen, Tiefen, Hoffnungsschimmer

Außenseiter und Amateure stürmen den Spitzensport: Aus dieser Idee hat Jon Turteltaubs Kinokomödie „Cool Runnings“ mit einem Bobteam aus Jamaika und verdutzten alpinen Nationen 1993 viel Kapital geschlagen. Seitdem ist das Muster mehrfach verwendet worden, und auch „Curling for Eisenstadt“ von den Autoren Marc Schlegel und Peter Hengl sowie dem Regisseur Andreas Schmied macht kein Hehl daraus, ein Formelfilm zu sein: erst die schier unlösbare Aufgabe, dann Höhen, Tiefen, Hoffnungsschimmer, dann derbe Rückschläge und Konflikte, schließlich Versöhnung und Triumph.

Aber diese Komödie zeigt eben auch: Wenn man eine Formel mit guten Typen, mit Charme und mit Kanten umsetzt, und wenn man die Figuren nicht nur pro forma zu Sympathieträgern erklärt, sondern sie mit all ihren Ecken und Spleens selbst mag und das vermitteln kann – dann garantiert eine Formel gute Unterhaltung, statt ihr im Wege zu stehen.

Heftig unterschätzt

Vicky, die ihr Auto stets quer über mehrere Parkplätze stellt oder andere einparkt, ohne auch nur zu merken, wie egoistisch sie durch die Gegend brettert (die Kamera zeigt das nur, es gibt keinen überflüssigen Kommentar dazu), hatte einen großen Plan. Sie wollte mit einem nassforschen, vorlauten, übereifrigen und pseudo-jugendlichen Kampagnenentwurf für die Touristikwerbung von Eisenstadt die verschnarchte, einfallslose, abgeschmackte Variation der immer gleichen Postkartenbilder, die mal wieder durch den Gemeinderat gewunken werden sollte, aus dem Feld schlagen. Da hatte sie den dichten Filz der alten weißen Männer der Lokalpolitik aber heftig unterschätzt. Fristlos gekündigt, schwer blamiert und vom eigenen Vater für unfähig erklärt, will sie es nun allen zeigen.

Wie viele grässliche Chaoten und inspirierte Innovatoren entscheidet auch Vicky, bevor sie den Hauch einer Ahnung hat. Als sie mitbekommt, dass die Weltmeisterschaft im Curling in Österreich ausgetragen wird, und zwar im Heimatort jenes Teams, das als Champion die Alpenrepublik vertreten soll, steht für die PR-Frau fest: Dieses Event holt sie in ihr Kaff. Danach erst macht sie sich kurz kundig, worum es bei Curling eigentlich geht und was man dafür braucht.

Die beste Curlerin der DDR

Es wird niemanden überraschen: Vicky findet keine ausgefuchsten Curlerinnen am Ort. Sie muss ein Team aus Außenseiterinnen zusammenleimen und auch noch eine Trainerin finden. Sie stößt auf Petra Glewitz (wunderbar barsch: Maria Simon-Lade), die mal die beste Curlerin der DDR war (so kommt der Mitteldeutsche Rundfunk als Sender ins Spiel), mittlerweile aber ein meisterschaftsreifes Alkoholproblem hat. Keine Frage, damit wird sie fertig werden. Es geht hier nicht um Überraschungen und Erwartungstäuschen, es geht ganz um den Weg zum Ziel.

Beim Curling wird ein runder Stein mit Griff von einer Spielerin übers Eis in Richtung einer Zielmarke geschoben. Zwei andere Spielerinnen laufen mit die Bahn entlang und schrubbern mit Spezialbesen vor dem Stein die Eisbahn. Dieses sogenannte Wischen soll das Eis anschmelzen, soll einen Feuchtigkeitsfilm schaffen, der Geschwindigkeit und Richtung des Steins beeinflussen kann. Das Drehbuch und die Regie schrubbern vor dem erwartbar vorangleitenden Plot die Szenerie, damit aus routinemäßigen Hindernissen lebensechte Pannen werden.

Gifteln und Prahlen

Für Curling braucht man eine Eisbahn, stellt Vicky beispielsweise fest. Wie sie sich in ihrer lokalen Eishalle gleich mal Hausverbot verschafft, ist so lustig inszeniert wie ihr Ersatz kurios wird: Der Hendl-Kaiser baut ihr eine Curling-Bahn in einer Lagerhalle.

Wo deutsche Fernsehfilme oft jämmerlich daran verenden, dass die Figuren nicht ganz vom Schriftdeutsch loskommen, da knarzen, granteln, gifteln und prahlen die Provinzler hier wie so oft in österreichischen Filmen im Dialekt und energisch ruppig. Man schaut und hört ihnen gern zu, sogar beim Curling, dem langweiligsten Sport der Welt nach Golf.

Ausstrahlung: ARD, Mittwoch, 16.10.2019, 20.15 Uhr