Jürgen Höller (Mitte) nutzt die Posen der Erweckungsprediger. Foto: NDR

Der faszinierende Dokumentarfilm „Der Motivationstrainer“ in der ARD zeigt Jürgen Höller bei der Einpeitscher-Arbeit. Dieser Mann verspricht, den Weg zu Glück und Reichtum weisen zu können.

Stuttgart - Sähe man diese Bilder ohne Ton, man wäre sich gewiss: Hier ist einer der berüchtigten US-Fernsehprediger am Werk, ein Seelenkneter im Turbogang, der mit Gottes Hilfe Unglück, Angst und Sorgen wegpusten möchte – eine ansehnliche Spende vorausgesetzt. Aber der Mann, der da mit biblisch großen Gesten, mit ständigem Ganzkörperjauchzen das Publikum in mächtigen Hallen und kleinen Seminarräumen in ein neues Leben zu reißen verspricht, ist kein Handelsvertreter für himmlische Segnungen. Er leiht sich den Erweckungsprediger-Habitus für den Dienst an einer weltlichen Dreifaltigkeit: „Lebensenergie, Glück und Umsatz“.

So beschreibt der Motivationstrainer Jürgen Höller selbst, was man sich von ihm versprechen dürfe. Immerhin, als eines seiner Vorbilder nennt er neben Nelson Mandela und Arnold Schwarzenegger auch noch Jesus Christus. Wollte man ihm mal ein personalisiertes T-Shirt schenken, wäre eines mit dem Aufdruck „Niemals zu kleinlaut“ sicher die richtige Wahl.

Rausch und Dampfplauderei

Jürgen Höller hat nichts zu verbergen. Oder er hat die Kamera bestens unter Kontrolle, sodass der faszinierende Dokumentarfilm „Der Motivationstrainer“ nie Risse in der Fassade findet. Tatsächlich gibt es nie einen privaten Höller zu sehen. Nur einen, der auf der Bühne klatscht, hüpft, armwedelt und seinem Publikum leicht fassbare Slogans einhämmert. Dazu einen von sich selbst Berauschten, der sich hinter der Bühne mit den eigenen Methoden auf solche Auftritte vorbereitet. Obendrein einen Chef, der die stets leicht eingeschüchtert wirkenden Mitarbeiter der „Jürgen Höller Academy“ antreibt, immer noch mehr zu leisten, damit die Firma weiter nach vorne komme.

Das ist aber kein Makel dieses faszinierenden Dokumentarfilms von Julian Amershi und Martin Rieck. Die Kamera will gar keinen privaten Jürgen Höller sehen, weil es ihr um die Frage geht, was hier eigentlich wie verkauft wird. Gelegentlich kommen außer Hörweite von Höller die Besucher seiner Großveranstaltungen zu Wort, die sich zu Intensivkursen entschließen sollen. „Geld in die Hand nehmen“, das stellt Höller als Prüfstein für die Stärke des Wunsches dar, die eigene Situation zu verbessern. Manchen ist das zu oberflächlich, zu drängelig, zu viel Dampfplauderei. Andere sind fasziniert von diesem Mann, der empfiehlt, sich auf die Brust zu schlagen und dabei zu skandieren: „Ich ziehe Geld an wie ein Magnet.“

Absturz und Comeback

Falls der Augenschein nicht trügt, sind es keine Topmanager, die sich hier für die Haifischbecken der Megadeals stählen lassen. Ein Querschnitt der Bevölkerung kommt zu Höller, vielleicht auch: die etwas Verzweifelteren, die vieles andere schon probiert haben. Höller wurde 1999 zum Star der Motivationsszene, als er die Spieler von Bayer 04 Leverkusen aufpeitschen durfte. Dass es im Fußball knallhart um messbaren Erfolg ging, nicht um schöne Worte, leuchtete dem Publikum ein. Als aber 2001 der geplante Börsengang von Höllers Firma platzte, war klar: Etwas stimmte nicht mit dem schönen Schein. 2003 wurde Höller wegen Untreue und vorsätzlichem Bankrott zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.

Schon 2004 wegen guter Führung vorzeitig entlassen, baut der Gewiefte seinen Absturz heute offensiv in seine Programme ein. Er sei selbst schon ganz unten gewesen, erzählt er auch im Film, sein eigener Weg zurück bezeuge das Funktionieren seiner Methoden.

Der Meister selbst aber ahnt, dass er nicht ewig dieselben Versprechungen mit derselben Energie wird machen können. Die Kamera beobachtet ihn zu einer Zeit, da er sein System an Franchise-Nehmer in Osteuropa verkaufen will. In den Verhandlungen tritt er auf wie immer: als Mann, der das Glück patentiert hat.

Ausstrahlung: ARD, 4. September, 23 Uhr, danach ein Jahr lang in der Mediathek des Senders abrufbar