Jula (Janina Fautz) bezweifelt, dass Hegel (Juergen Maurer) ein Mörder ist. Foto: RTL/Britta Krehl

Im TV-Thriller „Auris“ nach Sebastian Fitzek spielt Juergen Maurer auf RTL+ einen Psychiater, dem eine Stimmenprobe genügt, um Menschen zu analysieren.

Die Hauptfigur der Hörspiel- und Romanreihe „Auris“ von Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch ist ein Phonetiker mit übernatürlichem Gehör: Matthias Hegel kann akustische Signale als dreidimensionale Bilder visualisieren – er sieht, was andere nur hören. Weil er zudem Psychiater ist, genügt ihm eine Stimmenprobe, um einen Menschen analysieren zu können.

Zu Beginn der ersten Verfilmung, nun bei RTL+ zu sehen, erkennt Hegel, dass ein mutmaßlicher Kindermörder letztlich harmlos ist. Die Polizei kann den Mann dank seiner Hinweise leicht überwältigen. Das ist jedoch bloß eine Kostprobe, denn der Prolog des Thrillers mit dem Titel „Der Fall Hegel“ endet mit dem Geständnis des Phonetikers, er selbst sei ein Mörder; und damit beginnt ein Verwirrspiel, das bis zum letzten Dialogsatz ständig neue Überraschungen bereithält.

Die Hauptdarsteller sind gut gewählt

Die verzwickte Handlung von „Auris“ (lateinisch für Ohr) entpuppt sich als genial eingefädeltes Komplott. Der Österreicher Juergen Maurer spielt Hegel, und er war schon in den ZDF-Reihen „Spuren des Bösen“ (mit Heino Ferch) und „Neben der Spur“ (mit Ulrich Noethen) mit seiner düster-melancholischen Aura der perfekte Gegenentwurf zu den Hauptfiguren. Eine ähnlich gute Wahl ist Janina Fautz als junge Netz-Aktivistin Jula Ansorge, die gerade erst für ihre Podcast-Reihe „Unschuldig verurteilt“ ausgezeichnet worden ist.

Jula glaubt zunächst an schreiendes Unrecht: Warum sollte ein prominenter und wohlhabender Psychiater eine obdachlose Frau mit 23 Messerstichen ermorden? Doch Hegel redet nicht, und über das Opfers ist nichts herauszufinden. Irgendwann wird klar, dass Hegel offenbar das Opfer einer Verschwörung geworden ist – und bald wird es noch viel perfider. Jula leidet zudem unter einem Vergewaltigungstrauma, in das angeblich ihr Bruder verstrickt war, der sich das Leben genommen hat – und wer auch immer hinter dem Komplott gegen Hegel steckt, macht sich diesen wunden Punkt Julas gnadenlos zunutze.

Das Unsichtbare wird sichtbar

Gregor Schnitzlers Inszenierung verliert nach dem mitreißenden Prolog an Kompaktheit, aber die Geschichte gleicht das locker wieder aus mit diversen verblüffenden Offenbarungen – etwa über die wahre Identität der vermeintlichen Obdachlosen (Buch: Stefanie Veith, Michael Comtesse). Der Regisseur arbeitet bei der Bildgestaltung mit verschiedenen Farbgebungen und erzeugt eine Atmosphäre ständigen Unbehagens.

Die Kamera (Ralf Noack) zeigt das Geschehen und vor allem die Gespräche gern aus einer leichten Untersicht, die das Publikum in eine unterlegene Position zwingt. Auch für die Herausforderung, das Unsichtbare sichtbar zu machen und den „Klangkörpern“ eine Form zu geben, hat der Film eine interessante Lösung gefunden.

Ein Manko sind die nicht immer überzeugenden Leistungen der jungen Nebendarsteller. Das vorzügliche Duo Maurer/Fautz ist dafür umso sehenswerter. Schnitzler und sein Team haben unter dem Titel „Die Frequenz des Todes“ bereits den zweiten „Auris“-Roman verfilmt.

„Der Fall Hegel“: Von 13.12. an abrufbar beim Streamingdienst RTL+.