Neulich in Ostberlin: Jeremy Irvine als J. Randolph Bentley in der TV-Serie „Treadstone“Foto: USA Network/Jonathan Hession Foto:  

Von Ostberlin über Alaska nach Pjöngjang und zurück. Der Actionthriller „Treadstone“ auf Amazon Prime macht Jason Bournes Agentenkollegen zu Serienstars. Wir verraten, ob sich das Einschalten lohnt.

Stuttgart - Unser Schnelltest verrät, ob es sich wirklich lohnt, sich auf eine neue Serie einzulassen. Wir haben für Sie gesehen: die erste Episode des „Jason Bourne“-Ablegers „Treadstone“.

Die Story in drei Sätzen? In den 1970ern entflieht ein US-Agent in Ostberlin einem sowjetischen Versuchslabor, das aus ihm einen kalten kommunistischen Killer machen sollte. Irgendetwas hat das aber auch mit einem geheimen CIA-Projekt namens Treadstone zu tun, das Rekruten mittels brutaler Verhaltenskonditionierung in tödliche Waffen verwandelt. Und obwohl Treadstone offiziell vor vielen Jahren eingestellt wurde, gibt es auch heute noch überall auf der Welt Menschen, die gar nicht wissen, dass sie Supersoldaten sind.

Klingt ganz schön kompliziert. Ist es auch. Der Actionthriller springt ständig zwischen den 1970ern und der Jetztzeit hin und her, irrt von Ostberlin nach Langley, von London nach Pjöngjang, macht erstaunliche Entdeckungen in Scheunen im russischen Kursk und am Nordzipfel Alaskas. Es tauchen ständig neue Figuren auf, die wild durcheinander Deutsch, Englisch, Russisch und Koreanisch sprechen.

Wer steckt dahinter? Die Serie spielt im „Jason Bourne“-Universum, das sich der US-Schriftsteller Robert Ludlum ausgedacht hat. Jason Bourne taucht in den zehn Episoden aber nicht auf. Die Idee zu „Treadstone“ stammt von Tim Kring, der hinter der Serie „Heroes“ steckt.

Wer spielt mit? Die US-Schauspieler Jeremy Irvine („Gefährten“) und Brian J. Smith („Sense8“), die Südkoreanerin Han Hyo-joo und die beiden Deutschen Emilia Schüle („Charité“) und Gabrielle Scharnitzky („Sturm der Liebe“) spielen sich in verschiedenen Zeiten bekriegende Agenten und Agentinnen.

Der Ohrwurm des Tages Das Kinderlied „Frère Jacques“ wird in „Treadstone“ zur tödlichen Waffe, zum Trigger, der bei koreanischen Klavierlehrerinnen (Han) und Bohrinselarbeitern (Smith) gleichermaßen den Killerinstinkt weckt.

Typisch deutsch? Die Handlung von „Treadstone“ beginnt in den 1970er Jahren in Ostberlin. Für den Mediziner Dr. Meisner (Martin Umbach), der mit dem US-Agenten John Randolf Bentley (Irvine) herumexperimentiert, scheint offenbar der KZ-Arzt Josef Mengele Vorbild gewesen zu sein. Deutschen Kommunisten traut die US-Serie offenbar dieselben Grausamkeiten zu wie den Nazis.

Die Konkurrenz? Die Thriller Robert Ludlums wirkten immer schon wie das nicht ganz so staatstragend und patriotisch daherkommende Gegenstück zu Tom Clancys Reißern. Zwar sind die beiden Bestsellerautoren vor einigen Jahren gestorben. Bei Amazon Prime treten ihre Politthriller nun noch einmal in Form von „Treadstone“ und „Jack Ryan“ gegeneinander an. Wer es lieber weniger politisch und dafür etwas morbider mag, ist allerdings bei „Killing Eve“ (Starzplay) besser aufgehoben.

Wird Fans der „Jason Bourne“-Filme „Treadstone“ gefallen? Auch wenn er sich große Mühe gibt: Jeremy Irvine ist kein Matt Damon. Doch abgesehen von dieser Personalie erkennt man in der Serie vieles wieder, was man aus den Kinofilmen kennt: Ständig ist einer auf der Flucht, wird zum Beispiel über die Dächer Berlins gejagt. Tim Kring liebt bedeutungsschwanger dröhnende Musik, schnell geschnittene Kampfszenen, unvermittelte Gewaltausbrüche, den Einsatz der wankenden, subjektiven Kamera, eine atemlose Dramaturgie, zeigt gerne Menschen mit starr aufgerissenen Augen in Großaufnahmen und lässt seine Geschichte am liebsten inmitten der Tristesse urbaner Beton-Ungetüme spielen. Und natürlich bahnt sich zwischen den Fronten wieder eine Hass-Liebe-Romanze an.

Die offene Frage Wird man wirklich zum willenlosen Killer, wenn man 52 Stunden nicht schlafen durfte und mit 100 Mikrogramm Psilocybin, 50 Milligramm Thorazine und 85 Mikrogramm LSD vollgepumpt wird?

Bingewatch-Faktor? Weil diese Frage nicht die einzige ist, mit der einen die Serie am Ende der ersten Episode alleinlässt, fällt es schwer, nicht gleich weiterzuschauen – auch wenn man ein bisschen den Verdacht hat, dass man sich trotz all der komplizierten Verwicklungen eigentlich unter seinem Niveau unterhält.

Gesamtnote 2-3.

Die erste Staffel des Action-Thrillers „Treadstone“ startet am Freitag, 10. Januar, bei Amazon Prime.