Wer strahlt die Olympischen Spiele aus? Discovery und die öffentlich-rechtlichen Sender konnten sich nicht auf den Verkauf von Sublizenzen einigen. Foto: dpa

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Eurosport und den öffentlich-rechtlichen Sendern werden die nächsten Olympischen Spiele nicht von ARD und ZDF übertragen. Noch unklar ist, ob die Wettkämpfe frei empfangbar bleiben.

Berlin - Zum ersten Mal in der gut sechzig Jahre alten Geschichte des öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens werden die Olympischen Spiele nicht bei ARD und ZDF stattfinden. Die europäischen TV-Rechte für die Sommer- und Winterspiele 2018 bis 2024 befinden sich im Besitz des amerikanischen Medienunternehmens Discovery. ARD und ZDF hatten gehofft, zumindest Sublizenzen erwerben zu können, doch die Verhandlungen sind gescheitert. Woran sind die Verhandlungen gescheitert?

Natürlich am Geld. Dem Vernehmen nach hat Discovery 150 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang und der Sommerspiele 2020 im japanischen Tokio verlangt, die Schmerzgrenze von ARD und ZDF lag jedoch deutlich darunter: Mehr als 100 Millionen wollten sie offenbar nicht zahlen. Angesichts der schon seit Jahren geführten Diskussion über überteuerte Sportrechte und die durchaus umstrittene Bereitschaft von ARD und ZDF, viel Geld gerade für den Fußball auszugeben, scheint die ausnahmsweise gezeigte konsequente Haltung vernünftig. Zum Vergleich: Die Differenz von 50 Millionen Euro entspricht knapp der Summe, die das ZDF Schätzungen zufolge angeblich für die Übertragungsrechte der Fußball-Champions-League zahlt. 100 Millionen Euro wiederum lässt sich die ARD pro Saison die Bundesliga kosten. In wichtigen anderen europäischen Ländern konnte sich Discovery nach eigenen Angaben mit den öffentlich-rechtlichen Sendern einigen. Für ARD und ZDF hat die Sache übrigens einen bitteren Beigeschmack: Es war ausgerechnet Thomas Bach, der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der als Vizepräsident den „Erbvertrag“ mit dem Interessenverband der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa (EBU) gekündigt hat.

Warum hat das IOC Medienrechte im Jahr 2015 überhaupt an Discovery und nicht wie zuvor an ARD und ZDF vergeben?

Thomas Bach hatte damals erklärt, dass bei der Rechtevergabe der erste Blick des IOC den Inhalten gegolten habe. Das Discovery-Angebot mit dem Tochterunternehmen Eurosport habe sich „exakt an der olympischen Agenda 2020 orientiert“. Zugleich lobte Bach aber auch die „qualitativ exzellente Berichterstattung“ von ARD und ZDF in der Vergangenheit, jetzt gebe es aber viele neue Möglichkeiten.

Wer ist Discovery?

Das 1985 in Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland gegründete Unternehmen ist am ehesten durch den weltweit verbreiteten Sender Discovery Channel und dessen aufwendig gestaltete Dokumentationen bekannt. Später expandierte es in den Bildungsbereich und diverse andere Sparten. Mittlerweile erreicht die Gruppe nach eigenen Angaben weltweit insgesamt 2,9 Milliarden Kunden in mehr als 220 Ländern. Der Kanal war vor zwanzig Jahren eines der ersten ausländischen Programme auf Leo Kirchs später in Premiere (heute Sky) aufgegangener Bezahlplattform DF1. Ebenfalls Teil des deutschen Portfolios der Gruppe ist der frei empfangbare Männersender DMax. Als Sportsender fällt Eurosport ein wenig aus dem Rahmen des dokumentarischen Gesamtangebots; im Sport engagiert sich Discovery ohnehin noch nicht lange. Die europäischen TV-Rechte an den Olympischen Spielen 2018 bis 2024 hat sich der Konzern für 1,3 Milliarden Euro gesichert.

Was ist Eurosport?

Das Programm, das mutmaßlich von 2018 an die Olympischen Sommer- und Winterspiele zeigen wird, ist als 1989 gegründete Tochter der EBU pikanterweise ursprünglich ein öffentlich-rechtlicher Sender gewesen. Vor vier Jahren ist Discovery als Minderheitsgesellschafter eingestiegen, vor knapp zwei Jahren erhöhte das Unternehmen seine Anteile auf 51 Prozent. Das Programm wird in ganz Europa sowie im Nahen Osten und in Nordafrika verbreitet. Es ist verschlüsselt und nur gegen Bezahlung empfangbar – außer in Deutschland. Genau genommen handelt es sich um zwei Kanäle: Eurosport 1 ist hierzulande sogenanntes Free-TV, also via Kabel oder Satellit theoretisch von jedem Haushalt zu empfangen. Eurosport 2 wird dagegen nur verschlüsselt ausgestrahlt. Das Programm ist unter anderem Teil des kostenpflichtigen Angebots von Unitymedia und wird auch via Sky verbreitet. Von der kommenden Saison an wird Eurosport, vermutlich auf Kanal 2, exklusiv die Freitagsspiele der Fußballbundesliga übertragen. Weitere Angebote sind Eurosport HD sowie die zusätzlichen HD-Optionskanäle Eurosport 360, auf denen parallel unterschiedliche Sportveranstaltungen übertragen werden. Dieses Angebot gibt es nur via Sky. Im Internet bietet Eurosport noch die kostenpflichtige Online-Plattform Eurosport Player (Abogebühr pro Jahr: 59,99 Euro) an.

Bleibt Olympia frei empfangbar? Das ist die derzeit spannendste Frage, und eine endgültige Antwort gibt es noch nicht. In einer Eurosport-Mitteilung heißt es, man garantiere „eine umfassende Verbreitung der Olympischen Spiele in Deutschland“. Der Sender verspricht zudem, er werde die Anforderungen des IOC sogar noch übertreffen. Laut IOC-Vorgaben muss der Rechteinhaber bei Winterspielen 100 Stunden und bei Sommerspielen 200 Stunden im frei empfangbaren Fernsehen übertragen. Das war früher, als das IOC die Rechte an die EBU vergeben hat, gewährleistet. „Die größten Momente und die deutschen Medaillenentscheidungen werden bei Eurosport im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein“, versichert der Sender in einer Stellungnahme; das wichtige Wörtchen „live“ taucht dabei jedoch nicht auf.

Wie kriegt Eurosport die vielen Wettbewerbe in den Griff?

Mit dem Scheitern der Verhandlungen hat sich Eurosport einer eleganten Lösung beraubt. Gerade während der Sommerspiele werden ständig diverse Wettkämpfe parallel ausgetragen. In Rio de Janeiro haben ARD und ZDF das Problem gelöst, indem sie die vermeintlich weniger interessanten Sportarten parallel auf mehreren Livestreams in ihren Internetangeboten gezeigt haben. Das hatte jedoch zur Folge, dass etwa eine Tennisübertragung mit Hinweis auf die Fortsetzung im Internet zugunsten eines Fußballspiels mittendrin abbrach. Bei einem Smart-TV, also einem Fernsehgerät mit einfachem Internetzugang, gestaltet sich das „Umschalten“ ins Internet allerdings schwierig, und je nach Gerät und Übertragungsrate werden gerade schnelle Sportarten rasch zur ruckeligen Zumutung. Bei einer Rechteteilung zwischen Eurosport und den beiden öffentlich-rechtlichen Systemen hätten die Sender gut miteinander kooperieren können: hier das Tennismatch, dort das Fußballspiel. Noch hat sich Eurosport nicht geäußert, wie es mit der ungeheuren Programmfülle, die aus drei Dutzend Sportarten und Hunderten von Einzelwettkämpfen besteht, umgehen wird. Da Discovery Deutschland als Sendergruppe über verschiedene Kanäle verfügt, können immerhin verschiedene Wettbewerbe parallel im Fernsehen übertragen werden; auch der Männersender DMax soll für die Spiele genutzt werden. Aber es ist wohl davon auszugehen, dass einige Veranstaltungen bei Eurosport 2 sowie auf der Online-Plattform Eurosport Player und somit unter Ausschluss jenes Teils der Öffentlichkeit laufen, der Olympia im TV auch weiterhin kostenlos empfangen will.

Was machen ARD und ZDF mit dem gesparten Geld?

Die Antwort ist einfach: nichts. Die Sendezeit muss ja trotzdem mit Programm gefüllt werden. Selbst wenn beide Programme im Sommer vorzugsweise Wiederholungen zeigen: auch die kosten Geld. Zudem wird der Sparzwang in den nächsten Jahren eher noch zunehmen. Das eingesparte Geld wird daran nichts ändern, zumal die Summe gemessen am gesamten Gebührenaufkommen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro pro Jahr gar nicht so eindrucksvoll ist. ARD und ZDF haben die Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen übrigens noch nicht vollends aufgegeben.

Ist Olympia ein Präzedenzfall?

Gut möglich. Sportrechte werden immer teurer. Die Übertragungsrechte für die nächsten beiden Fußballweltmeisterschaften werden ARD und ZDF Schätzungen zufolge jeweils mehr als 200 Millionen Euro kosten. Schon jetzt sind sie beim Kampf um die Rechte an den WM-Qualifikationsspielen von RTL überboten worden. Der Tag wird kommen, da sich auch ein frei empfangbarer Privatsender die geforderten Summen nicht mehr leisten kann. Fußballspiele von besonderer Bedeutung, also zum Beispiel Finalspiele mit deutscher Beteiligung, müssen zwar im frei empfangbaren Fernsehen übertragen werden, aber alle anderen Partien könnten irgendwann im Pay-TV verschwinden.