Doktor Hoffmann (Anton Noori) im Krankenzimmer mit Caroline (Martina Gedeck). Foto: BR//Petro Domenigg

Die Schauspielerin Martina Gedeck wird in der ARD im poetischen Fernsehfilm „Herzjagen“ als Patientin buchstäblich und im übertragenen Sinne am Herzen berührt.

Wien - Die Architektin Caroline Binder (Martina Gedeck) erfährt, dass sie wegen ihrer Herzinsuffizienz so schnell wie möglich operiert werden sollte. Nach dem Gespräch beim Herzchirurgen Paul Hoffmann (Paul Noori) flüchtet sie erst einmal auf die Krankenhaustoilette. In der Nebenkabine hustet und spuckt eine Frau, die Caroline Binder natürlich ebenfalls für „eine Patientin aus der ersten Klasse“ hält.

Erika Pielach (Ruth Brauer-Kvam) allerdings ist die Krankenhaus-Psychiaterin, die sich in den Pausen gerne zum Rauchen und Quatschen mit dem befreundeten Herzchirurgen auf dem Dachgarten trifft. Und die im Fernsehfilm „Herzjagen“ eine wichtige Nebenrolle spielt, weil die Psychiaterin der auf die Dauer doch arg anstrengenden Selbstbezogenheit der Ex-Architektin noch einen anderen Blick auf die Welt hinzufügt. Und bei der es auch nicht pathetisch und hohl klingt, wenn sie sagt: „Das Leben muss man feiern, Paul, jeden Tag. Das will ich mir nicht durch euer Mitleid vermiesen lassen.“

Angst vor der OP

Caroline Binder hat verständlicherweise Angst vor der Operation, wird von Albträumen geplagt und kippt beim Tai Chi um. Sie ruft den Chirurgen an und sagt die Operation ab („Sie leben auch nicht ewig, Herr Doktor“). Warum manche Menschen an Krankheiten festhielten wie an alten Gewohnheiten, will der Chirurg auf dem Krankenhaus-Dach wissen. „Weil sie sie brauchen“, gibt die Psychiaterin eine geradezu prophetische Antwort.

Denn Caroline entschließt sich dann doch zur OP und entwickelt trotz erfolgreichen Verlaufs obsessive Züge. Das Herz ist ja nicht nur ein lebenswichtiges Organ, sondern gibt auch metaphorisch einiges her. Aber wenn Caroline sagt: „Er hat mein Herz berührt“, ist das hier ganz wörtlich gemeint. Ihr erscheint der Arzt im Traum, sie macht ihm zuerst Vorwürfe („Sie haben mir meine Ruhe genommen“), scheint sich dann zu ihm hingezogen zu fühlen und verfolgt ihn wie eine Stalkerin über die Krankenhausflure.

Wie sich diese Frau langsam verwandelt, sich immer mehr von ihrem Mann Sebastian (Rainer Wöss) entfernt und gleichzeitig das Leiden am und mit dem operierten Herzen zur Obsession wird, wird in ruhigem Tempo, mit Gedeck’scher Grandezza und visueller Ausdruckskraft erzählt.

Damit sind nicht nur die Visionen von Caroline gemeint, die in einer Szene als Astronautin verloren durch den Weltraum schwebt. Die Kamera von Jörg Widmer macht auch aus den abgefilmten Schauplätzen besondere Orte. Das Anwesen der Binders mit seiner prachtvollen, idyllischen Atmosphäre. Das Krankenhaus-Foyer, vor dessen riesiger Glasfront der stetige Verkehrsstrom in der österreichischen Hauptstadt Wien niemals abreißt.

Gelungene Inszenierung

Elisabeth Scharangs Inszenierung der gleichnamigen Novelle von Julya Rabinowich setzt auf leise, nachdenkliche Töne und gewinnt über weite Strecken eine poetische Atmosphäre. Sehr schön Carolines Flirt mit der Straßenmusikerin, dargestellt von der österreichischen Songwriterin Clara Luzia. Und wenn die Psychiaterin ihrer Enkelin Geschichten vorliest, muss kein weiteres Wort mehr über die Tragödie einer todbringenden Krankheit verloren werden.

Man hätte sich aber in dieser österreichisch-deutschen Koproduktion (ORF/BR) noch mehr solcher leichter, tragikomischer Szenen gewünscht wie Carolines spontane „Paar-Beratung“ in der Cafeteria des Krankenhauses, nach der die beiden betroffenen, unbekannten Frauen ihre Beziehung wohl überdenken werden. Und manchmal, wenn zum Beispiel der Burgschauspieler Branko Samarovski in einer einzigen Szene als Ein-Mann-Putzkolonne einen bedeutungsschwangeren Spruch raushaut („Wenn man nicht unglücklich ist, vergisst man, dass man nicht glücklich ist“), wirkt die Inszenierung auch etwas abgehoben und selbstverliebt.

Dennoch ist Scharang mit „Herzjagen“ insgesamt ein berührender Film über die Angst vor dem Tod und den Wert des Lebens gelungen.

Sendetermin: ARD, 20.15 Uhr