Regierungserklärung zum Afghanistan-Einsatz: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier verfolgen im Bundestag die Debatte. Foto: dpa

Seit der Bundestagswahl 2002 treten Kanzler und Herausforderer zum TV-Duell an. Am Sonntag kreuzen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier die Klingen.

Berlin - Seit der Bundestagswahl 2002 treten Kanzler und Herausforderer zum TV-Duell an. Doch am Sonntag liefern sich mit Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier erstmals zwei Politiker einen öffentlichen Schlagabtausch, die seit vier Jahren miteinander regieren. Wie lässt sich so Politik inszenieren?

Es wird heiß werden. Sehr heiß. Frank-Walter Steinmeier sollte nicht wie bei seinem jüngsten Auftritt in der ARD- "Wahlarena" ein viel zu warmes Hemd unterm Sakko tragen, das ihn zum Schwitzen bringt. Allzu klein ist dieses Studio in Berlin-Adlershof, wo die beiden Pulte stehen, von denen aus Merkel und Steinmeier vor allem die unentschlossenen Wahlberechtigten überzeugen sollen, ihre Stimme CDU oder SPD zu geben. Mehr als 200 Scheinwerfer, die binnen Minuten eine glühende Hitze entwickeln, und neun Kameras werden jede ihrer Gesten und Minen einfangen. Nur keine Schwäche zeigen. Jetzt zählt es.

Nahezu kämpferisch erhebt sich über dem nüchternen Ambiente der Bundesadler über dem Schriftzug "Das TV-Duell"; als reckte er Fäuste. Kämpferischer gar als Merkel und Steinmeier? Als Kanzlerin und Stellvertreter? Als CDU-Vorsitzende und SPD-Spitzenkandidat? Steinmeier muss punkten, zeigen, warum er einen besseren Kanzler abgäbe als die Amtsinhaberin. Das ist ohnehin das Los des Herausforderers, aber in Steinmeiers Fall liegen die Dinge komplizierter. Der Sozialdemokrat gilt als kenntnisreicher Politiker, der als Kanzleramtschef von Gerhard Schröder quasi mitregierte - als Wahlkämpfer kommt er nur mittelprächtig an. "Das TV-Duell ist Steinmeiers letzte Chance", glauben viele politische Beobachter. "Ich bin selbst gespannt, ob er es schafft zu zeigen, für welche Themen er politische Leidenschaft entfacht", meint Maybrit Illner, eine der vier Moderatoren von ARD, ZDF, RTL und Sat1.

Auch Merkel ist nicht dafür bekannt, sich allzu gekonnt zu produzieren. Dennoch ist sie in Umfragen beliebter als ihr Herausforderer. "Aber wir werden fragen, warum die CDU davon nicht profitieren kann", kündigt Illners Kollege Frank Plasberg an.

Wie viel Hebamme, wie viel Provokateur die Moderatoren spielen werden, um die "Kombatanten" - so der durchaus ernst gemeinte Jargon - vor laufenden Kameras aus der Reserve zu locken? Die Fernsehsender wollen einen Showdown, koste es, was es wolle: "Zwei, die miteinander arbeiten, begegnen sich zum ersten Mal als Wahlkämpfer", ruft ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, während die Privaten jubeln: "Am Sonntag kulminiert die Spannung des ganzen Wahlkampfs. Wir wollen auch zeigen, was diese Politiker für Menschen sind."

Was Merkel davon hält? "Die beiden werden es verstehen, auf die jeweiligen Erfolge ihrer Politik in der Großen Koalition hinzuweisen", heißt es so nonchalant wie kurz angebunden aus dem Kanzleramt. "Wir werden nicht vormittags zusammen regieren und nachmittags rücksichtslos aufeinander losgehen", ergänzt Steinmeier mit der einem Außenminister gebührenden Diplomatie. Als bestünden Zweifel daran, setzt er noch nach: "Ich habe persönlich nichts von einem Wüterich."

So wird die Republik vom Duell nicht erschüttert werden. Doch wird das Wahlvolk danach wissen, woran es an den beiden ist? Die Themen liegen inmitten der globalen Krise auf dem Tisch: die Weltwirtschaft, ihre Folgen für deutsche Unternehmen, für Arbeitnehmer und die öffentlichen Haushalte. Arbeitsmarkt, Soziales, Steuerpolitik, Bildung, Außen- und Verteidigungspolitik. Pro Thema setzt es eine Einstiegsfrage - je nach Antwort wird weitergefragt.

Die Spielregeln sind einfach. Ganz anders als vor den TV-Duellen Edmund Stoiber-Schröder (2002) und Schröder-Merkel (2005), als Sender wie Parteizentralen reichlich Anstalten machten, Bedingungen stellten und ein viel zu starres Korsett entstand. Am Sonntag wird nachgehakt, nicht nur abgefragt. Je 90 Sekunden dürfen Merkel und Steinmeier auf jede Frage antworten - gern auch kürzer, präziser. Das erste Mal werden die Rede-Zeitkonten nach einer halben Stunden verglichen, fortan nach jeweils 15 Minuten: Niemand soll bevorteilt werden. Steinmeier muss die wichtige Auftaktfrage parieren, während Merkel das letzte Wort haben darf.

2005 schalteten sich knapp 21 Millionen deutsche Wahlberechtigte ins TV-Duell ein; drei Jahre zuvor waren es 15 Millionen. Tut bitte nicht so, als wählten die Deutschen den Kanzler, mag mancher einwenden. Doch am Sonntag wird es so wirken, denn es geht neben der Macht auch um Zuspitzung, also um Quoten. Von der Zuschauerzahl wird sich das Politikinteresse der Deutschen ableiten lassen. Das wissen auch die Spitzenleute von FDP, Grünen und Linkspartei. Der Liberalen-Chef Guido Westewelle fordert die Absage des Duells, weil er, Claudia Roth und Oskar Lafontaine außen vor bleiben. In trauter Einigkeit sagen sie: "Merkel und Steinmeier stellen sich nicht der Opposition. Das ist demokratieunwürdig." Doch ein Duell ist keine Klausur. Und heiß wird es im Studio ohnehin.