Nora kämpft sich nach einem Übergriff hartnäckig wieder ins Leben. Foto: WDR

Anhand von vier Frauenschicksalen führt „Vergewaltigt: Wir zeigen an“ vor Augen, dass sich der mühselige Kampf um Gerechtigkeit lohnen kann. Man möchte den Hut ziehen vor den Frauen, die sich der Kamera stellen.

Stuttgart - Was wurde eigentlich aus Dieter Wedel? Die Vorwürfe, der Starregisseur habe Kolleginnen jahrzehntelang sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt, verhallten so schnell, wie sie aufgepoppt waren. Dabei waren die Anschuldigungen ebenso zahlreich wie massiv. Unter Schauspielerinnen gilt Wedel schon seit Jahren als Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf. Doch von einer Boulevardzeitung befragt, will nur einer von 27 männlichen Kollegen davon gewusst haben. Auch das ZDF will in einer internen Untersuchung keine Anhaltspunkte für irgendwelche Übergriffe gefunden haben.

Der Fall war in Deutschland das traurige Ende der MeToo-Diskussion um sexuelle Gewalt gegen Frauen, die monatelang die Öffentlichkeit beherrscht hatte. Und man fragt sich: Wenn die Vorwürfe schon in einem solch prominenten Fall verpuffen, was wird dann aus den Fällen, die gar nicht erst in die Schlagzeilen gelangen?

Abschreckung oder Ermutigung?

Nur fünfzehn Prozent weiblicher Opfer, so das Ergebnis einer EU-Studie von 2014, trauen sich überhaupt, zur Polizei zu gehen. Dass die MeToo-Debatte jetzt auch nur eine einzige Frau ermutigt hat, ihre Peiniger anzuzeigen, darf bezweifelt werden. Warum dieser Schritt so schwer ist, zeigt eine 45-minütige Dokumentation, die Nicole Rosenbach für die ARD-Reihe „Was Deutschland bewegt“ gedreht hat.

Rosenbach hat vier Frauen zwischen 23 und 40 Jahren bei ihrem Kampf um Gerechtigkeit begleitet. Man möchte den Hut vor ihnen ziehen. So ein Deal mit dem Fernsehen ist ja immer eine Gratwanderung. Man macht sich vor Millionen Menschen nackt. Und man weiß nicht: Schreckt das eigene Schicksal andere Frauen am Ende womöglich doch ab? Oder macht es ihnen Mut, Widerstände zu überwinden?

Die, das zeigt der Film, sind teilweise noch größer, als man befürchtet hatte. Besonders eindrucksvoll zeigt das der Fall Anna. Sie war 19, als sie von zwei gleichaltrigen Bekannten mit Cocktails abgefüllt und gegen ihren Willen missbraucht wurde. Die Täter filmten die Tat mit ihrem Handy. Für Anna war das Segen und Fluch zugleich. Segen deshalb, weil sie ihre Anschuldigungen mit dem Video belegen konnte. Fluch deshalb, weil das Gericht sie auf Betreiben der Anwälte der Gegenseite zwang, ihre eigene Vergewaltigung noch einmal anzuschauen – mit schwerwiegenden Konsequenzen. Anna leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie sagt: „Es war schlimmer als die Hölle. Ich konnte nicht mehr vor die Tür gehen, weil ich immer noch diese Bilder vor Augen habe.“

Es geht auch um Geld

Ihr zuzumuten, den Film anzuschauen, sei rechtswidrig gewesen, sagt der Bonner Richter Klaus Haller. Er schult Staatsanwälte in Opferschutz . Ein Thema, von dem er sagt, es liege hierzulande noch brach. Viele Kollegen hätten keine Ahnung davon, was so eine Vergewaltigung für eine Frau bedeute. Das Opfer werde so ein zweites Mal zum Opfer, sagt eine Staatsanwältin, die im Film anonym bleiben will.

Geld spielt dabei keine unerhebliche Rolle. Wenn es sich der Täter leisten könne, engagiere er gewisse Star-Anwälte, „die vor Gericht eine Show abziehen, um das Opfer ein zweites Mal fertigzumachen.“ Doch was ist, wenn es gar nicht erst zum Prozess kommt?

Lisa aus Köln hat das erlebt. Ihr Vergewaltiger, eine Internet-Bekanntschaft, war schon wegen Totschlags vorbestraft. Dreieinhalb Jahre nach der Anklageerhebung hat der Prozess gegen ihn noch immer noch nicht begonnen. Der Mann ist noch immer auf freiem Fuß. Es fehlten die Ressourcen, sagt ein Sprecher des Kölner Landgerichts. Eine überlastete Justiz, eine mangelhafte Spurensicherung und zu wneig Sensibilität im Umgang mit den Opfern sind die größten Hürden auf dem Weg zur Gerechtigkeit, zeigt Rosenbachs Film. Aber auch, dass es sich am Ende trotzdem lohnt, zu kämpfen. In drei von vier Fällen wurden die Täter zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Ausstrahlung: ARD, 28. Mai 2018, 20.15 Uhr