ARD-Wettermoderator Kachelmann hat seinen Abschied vom Bildschirm angekündigt.

Stuttgart -  Er galt als der Wegbereiter des unkonventionellen Wetterberichts. Wo früher die Herren des Deutschen Wetterdienstes allabendlich meist staatstragend über das nächste Tiefdruckgebiet philosophierten und dabei der Anzug so akkurat saß, als könne selbst ein Tornado nicht für Turbulenzen sorgen, revolutionierte Jörg Kachelmann die tägliche Wettervorhersage. Mal nahm er eine Katze auf den Arm, die vor laufenden Kameras durchs Studio lief und moderierte auch mit dem Tier weiter, als sei nichts passiert. Mal sprach er vom "Sauwetter" oder griff so energisch nach den Blumenkohlwolken, als wolle er sie aus der virtuellen Wetterkarte reißen. Dass der gebürtige Schweizer bei diesem Moderationsstil selten gekämmt und meist mit verwuschelten Haaren auftrat, dass sein Krawattenknoten - wenn er überhaupt dieses Kleidungsstück trug - im Regelfall windschief am Hemd hing, das alles waren seine Markenzeichen. Die Zuschauergemeinde teilte sich in Fans und Feinde. Künftig werden beide Lager auf ihn verzichten müssen.

Kachelmann hat am Mittwoch angekündigt, nicht mehr auf den Bildschirm zurückzukehren. Und zwar unabhängig davon, ob er seinen Prozess vor dem Landgericht Mannheim gewinnt oder verliert. "Ich werde nach all dem keine Wettersendung mehr moderieren können", sagte der TV-Wetterfrosch der "Bild"-Zeitung. Kachelmann wird bekanntlich vorgeworfen, eine frühere Freundin in der Nacht zum 9. Februar dieses Jahres in deren Wohnung in Schwetzingen brutal vergewaltigt und dabei mit einem Messer bedroht zu haben. Tagsdrauf war er zu den Olympischen Winterspielen nach Vancouver geflogen. Als er am 20. März in Deutschland wieder landete, war der 52-Jährige am Flughafen Frankfurt verhaftet worden.

13 Verhandlungstage sind in dem spektakulären Verfahren inzwischen vorbei, nächste Woche wird der Prozess vor der 5. Strafkammer fortgesetzt. Eine Armada von Gutachtern sitzt im Gerichtssaal und beobachtet jede Regung des potenziellen Opfers. Wie das Verfahren ausgeht, mag derzeit niemand prophezeien. Das Kachelmann-Lager ist mehr denn je von einem Freispruch überzeugt, weil die Aussagen der Ex-Geliebten unglaubwürdig seien und sie sich damals, nach der Verhaftung Kachelmanns, bei den Vernehmungen in Widersprüche verstrickt habe und Aussagen korrigieren musste. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ist hingegen überzeugt, dass sie dem TV-Mann die Tat nachweisen kann und das Gericht unter Vorsitz von Richter Michael Seidling dies am Ende auch so sieht.

Ansehensverlust ist zu  groß

Schon seit Wochen war spekuliert worden, was aus Kachelmann nach dem Prozess wird. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe, dann wäre die Fernsehkarriere ohnehin beendet. Aber was passiert im Fall eines Freispruchs? "Nach all dem, was bekannt geworden ist, wird er so schnell nicht auf den Bildschirm zurückkehren können", sagte ein Freund des Moderators schon vor Wochen angesichts diverser Enthüllungen über Kachelmanns zahlreiche Liebschaften und seine Liebespraktiken. Welchen Ansehensverlust das erzeugt hat, hat Kachelmann nun offenbar auch selbst eingesehen: "Nachdem Staatsanwaltschaft und Medien mein angebliches Privatleben gewaltsam öffentlich gemacht haben, wär's mit dem Blumenkohlwolken-Onkel wohl schwierig. Das Kapitel Fernsehen ist dadurch für mich beendet worden."

Auffällig an dieser Äußerung: Der einst so beliebte Moderator gibt anderen die Schuld an der Entwicklung. Offenbar hatte er lange Zeit noch gehofft, durch den angestrebten Freispruch auch in der Öffentlichkeit rehabilitiert zu werden und seine TV-Karriere fortsetzen zu können. Nun aber, da sich der Prozess in Mannheim noch mindestens bis zum 21. Dezember hinziehen wird und der Name Kachelmann nicht mehr mit Sonnenschein und Unwettern, sondern nur noch mit Sex und privaten Unzulänglichkeiten in Verbindung gebracht wird, hat Kachelmann selbst den Aus-Knopf gedrückt.

Insider hatten diese Selbsteinschätzung schon länger erwartet, aber darauf getippt, dass er sie erst gegen Prozessende öffentlich machen würde. Der jetzige Zeitpunkt überrascht deshalb. "Das kommt ganz schlecht", hieß es am Mittwoch aus dem Umfeld des Angeklagten, "mit dem Gericht redet er nicht, aber mit dem Boulevard-Blatt redet er". Zur Erinnerung: Während der Untersuchungshaft im Mannheimer Gefängnis und vor Prozessbeginn hatte Kachelmann stets betont, er habe seine ehemalige Freundin nicht vergewaltigt, sondern sei unschuldig. Im Prozess selbst schweigt er aber seit dem ersten Verhandlungstag am 6. September.

Die Verträge laufen weiter

Auch die ARD, bei der Kachelmann mit seiner Firma Meteomedia seit Jahren regelmäßig vor der "Tagesschau" und nach den "Tagesthemen" das Wetter präsentierte und wo er immer wieder auch den Wetterbericht in den dritten Programmen wie im SWR moderierte, wurde vom angekündigten Rückzug kalt erwischt. "Jörg Kachelmann hat uns im Vorfeld nicht informiert", so eine Sprecherin der ARD-Programmdirektion in München. Man habe seine Aussagen "zur Kenntnis" genommen, werde sich in der Sache aber erst nach Prozessende äußern. Zugleich beeilte sich der öffentlich-rechtliche Senderverbund mitzuteilen, das TV-Aus würde nichts an der aktuellen Praxis ändern, wonach das ARD-Wetter wie seit Wochen im Wechsel von Kachelmanns Kollegen Claudia Kleinert, Alexander Lehmann und Sven Plöger präsentiert wird. "Die Verträge für die Wettersendungen laufen mit der Meteomedia AG, nicht mit Herrn Kachelmann", heißt es.

Was aber brachte Kachelmann dazu, am Mittwoch seinen Abschied vom Bildschirm anzukündigen? Seine Anwälte waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Und vor allem: Warum tat er es ausgerechnet in der "Bild"-Zeitung, die seit Wochen millionenschwere Schmerzensgeldforderungen der Kachelmann-Anwälte auf dem Tisch hat, weil sie die Persönlichkeitsrechte des TV-Mannes missachtet haben soll. Selbst erfahrene Juristen rätseln über das Motiv. Möglicherweise erhoffe sich Kachelmann dadurch für die entscheidende Phase des Prozesses eine wohlwollende Berichterstattung des Springer-Massenblattes, mutmaßt ein Beobachter. "Vom Boulevard darf man niemals Dankbarkeit erwarten", zerstreut ein erfahrener Rechtsexperte diese Sichtweise. Kachelmann selbst denkt offenbar schon jetzt über den Tag des Urteils hinaus. "Ich werde noch viele Menschen um Verzeihung bitten müssen", sagt er und nennt einen Vorsatz: "Wenn ich in Zukunft eine Beziehung führe, werde ich monogam leben." Oder er werde erst einmal mit seiner Mutter zusammenwohnen. Vielleicht muss aber auch sie warten, weil ihr Sohn ganz woanders wohnen wird. Im Gefängnis.