Die 16-Jährige weiß noch nicht, wie es nach ihrem Rücktritt weitergeht Foto: dpa

Das Stuttgarter Turntalent Kim Janas (16) beendet nach drei Kreuzbandrissen die Karriere – und spürt neben Traurigkeit auch Erleichterung.

Stuttgart - Noch hat Kim Janas ihr Zimmer in der Theodor-Heuss-Kaserne in Bad Cannstatt nicht geräumt. Noch hält sich die 16-jährige Turnerin des MTV Stuttgart offen, wie es nach ihrem Rücktritt vom Leistungssport mit ihrem Leben weitergeht – und ob und wann sie in ihre Heimatstadt Halle zurückkehren wird. „Ich fahre Weihnachten nach Hause und werde dann entscheiden, wie alles weitergeht“, sagt Kim Janas in ihrer kurzen Mittagspause am Wirtemberg-Gymnasium. Sie will sich jetzt noch mehr auf die Schule konzentrieren, abtrainieren und endlich auch mal mit den Freundinnen chillen. Jetzt hat sie die Zeit dafür. Denn seit dem 17. November ist alles anders.

Bei der Qualifikation zum Weltcup in Cottbus hatte sie beim Abgang nach einer perfekten Kür vom Stufenbarren kurz nach der Landung ein Stechen im rechten Knie gespürt und geahnt, dass der Wettkampf nicht gut enden wird. Ein letztes Lächeln für die Kampfrichter, dann humpelte Kim Janas von dannen. Wenig später stand fest, dass sie sich bei einem Wettkampf nie wieder einem Publikum präsentieren wird – denn bei der Untersuchung Anfang der Woche in Stuttgart hat sich herausgestellt, dass es sich bei der Verletzung um eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes handelt.

Knie halten der Belastung nicht mehr stand

Es war bereits ihr dritter Kreuzbandriss. Im Februar dieses Jahres verletzte sich Kim Janas auch noch schwer am linken Ellenbogen. „Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen, aber meine Knie halten der Belastung einfach nicht mehr stand“, sagt Kim Janas, „es wird nicht leicht für mich, das Turnen zurückzulassen, aber für mich und meinen Körper ist es einfach besser so.“

Klar ist: Wer Leistungssport betreibt, der braucht sehr viel Vertrauen in den eigenen Körper, und genau das ist Janas verloren gegangen. Auch ihre Stuttgarter Kollegin Kim Bui hatte sich nach einem Kreuzbandriss zurückgekämpft, turnt jetzt aber wieder stabil. „Das ist auch Typsache. Beim Turnen geht die Belastung schon in den Grenzbereich – und nicht jeder Körper hält das aus“, sagt Dieter Bubeck vom Sportinstitut der Uni Stuttgart. Bei Kim Janas waren die Kreuzbänder vor zwei Jahren durch eigenes Sehnenmaterial ersetzt worden. Es hat nicht geholfen.

Die Entscheidung aufzuhören fiel auch deshalb, weil sich da „irgendwann ganz viel im Kopf abspielt“, sagt Janas. „Und natürlich spielt die Angst dann auch eine Rolle.“ Mit Verständnis reagierte die Bundestrainerin Ulla Koch: „Natürlich ist das ein Verlust für das Turnen, aber es ist im Sinne ihrer Gesundheit“, sagte sie.

Der Deutsche Turnerbund (DTB) jedenfalls verliert mit Kim Janas eine herausragende Athletin. Experten hatten ihr eine großartige Zukunft prophezeit, bisweilen fiel auch das Wort Jahrhunderttalent. In einer Sportart wie dem Turnen, in der sich der deutsche Verband mit übermächtigen Nationen messen muss, hätten sie ein Toptalent wie die ehemalige MTV-Athletin gut gebrauchen können. Auch Kim Janas beschleicht Wehmut. „Natürlich bin ich traurig, weil ich mir den den Traum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen nicht mehr erfüllen kann“, sagt sie.

Aufbruch in ein neues Leben

Jetzt kommt also notgedrungen der Aufbruch in ein neues Leben, in einen Alltag ohne feste Trainingszeiten. Und ohne die ständige Angst, dass der Körper den Anforderungen nicht gewachsen sein könnte. Irgendwie werde sie diese neue Sorglosigkeit auch genießen können, sagt Janas. Claudia Krimmer, die Teammangerin beim MTV Stuttgart hat dennoch einen Wunsch. „Ich hoffe dennoch, dass Kim dem Turnen nicht verloren gehen wird“, sagt sie. Die Reaktion von Janas dürfte Krimmer beruhigen. „Ich werde dem Turnen treu bleiben. Vielleicht beginne ich eine Trainerkarriere oder mache vielleicht auch den Kampfrichterschein“, sagt sie.

Der MTV Stuttgart jedenfalls reagierte schnell auf den Abschied seiner Athletin. Der Titelverteidiger der Deutschen Turnliga (DTL) kompensiert den Ausfall mit der Niederländerin Erythora Thorsdottir. Die 18-Jährige wird an diesem Samstag (14 Uhr) beim DTL-Finale in der Arena in Ludwigsburg an die Geräte gehen. „Wir haben uns mit Erythora verstärkt um unser Ziel, die Verteidigung des Meistertitels, nicht zu gefährden“, sagt die Trainerin Marie-Luise Probst-Hindermann. Kim Janas übrigens wird auch in der Halle sein und ihre Kolleginnen anfeuern. Es ist ein erster Schritt, eine neue Rolle anzunehmen.