Im Einsatz für den TV Wetzgau: Helge Liebrich. Foto: dpa

In der modernen Ellbogengesellschaft sind Freundschaften am Arbeitsplatz eher selten. Die Spitzenturner Sebastian Krimmer und Helge Liebrich bilden da eine Ausnahme – ohne Konkurrenzkampf geht es aber nicht. An diesem Samstag treffen die beiden mit ihren Teams in der Bundesliga aufeinander.

Stuttgart - Helge Liebrich fühlt sich geschmeichelt ob des Lobes, das sein Trainingspartner Sebastian Krimmer für ihn parat hat: „Helge ist ein sehr guter Mehrkämpfer, der an allen sechs Geräten eine hochwertige Übung anbieten kann“, betont Krimmer. Die Vorlage nimmt der Gingener gerne an und zeigt, dass er nicht nur sportliches, sondern auch schauspielerisches Talent besitzt, indem er sich scheinbar bierernst vergewissert, ob es in Ordnung sei, während eines Interviews „zu weinen“ – vor Glück versteht sich. Liebrich sei ein echter Spaßvogel, meint daraufhin Trainingspartner Krimmer. „Wenn Helge mal nicht da ist, merkt man das gleich. Mit ihm hat man immer was zu lachen“, sagt er.

Die Turner kennen sich bereits seit ihrer Kindheit und trainieren nun gemeinsam in Stuttgart unter Trainer Valeri Belenki. Doch nicht nur die Leidenschaft für ihren Sport teilen sich die beiden, sondern auch denselben Freundeskreis und ab und zu auch die Couch in der Wohnung von Krimmer – weil „die so schön ist“, wie Helge Liebrich betont.

Auch wenn das Verhältnis der Athleten noch so harmonisch ist – an diesem Samstag ist vorübergehend Schluss damit. Dann kommt es zum Showdown in der Turn-Bundesliga (ab 17 Uhr/Scharrena) zwischen den beiden, die zwar gemeinsam trainieren, in der Elite-Liga jedoch Konkurrenten sind. Denn Liebrich startet für den TV Wetzgau, Krimmer für den MTV Stuttgart.

Besondere Brisanz erhält das Duell dadurch, dass beide Mannschaften noch Ambitionen im Kampf um die Plätze ganz oben haben. Stuttgart ist momentan Tabellenführer, das große Finale mit dem Endkampf am 22. November in Karlsruhe ist das Ziel – und dann soll die deutsche Meisterschaft her. Das bekräftigt Krimmer: „Dieses Jahr ist es so weit. Wir wollen endlich den Titel holen.“

Das gelang dem Kontrahenten vom TV Wetzgau völlig überraschend in der Vorsaison. In diesem Jahr schielt das Team um WM-Teilnehmer Liebrich noch auf das kleine Finale in Karlsruhe – theoretisch kann der Gingener seinem Stuttgarter Kollegen sogar noch den Platz im großen Finale streitig machen. „Da muss aber wirklich vieles zusammenlaufen. Der MTV ist eigentlich zu stark für uns“, sagt Helge Liebrich. Denn vor allem in der Breite sind die Stuttgarter besser aufgestellt. Während das Team des angehenden Realschullehrers Liebrich Ausfälle nur schwer verkraften kann, gibt es im Team des MTV „viele Junge im Hintergrund, die notfalls einspringen“ (Krimmer).

Zu den Jungen indes gehören Krimmer (24) und Liebrich (26) nicht mehr. Liebrich war bei der WM in Nanning (China), bei der das deutsche Team im Mannschaftsfinale den achten Platz belegte, nach Fabian Hambüchen der Zweitälteste im Nationalteam. Krimmer verpasste die WM aufgrund von Zysten in beiden Schultern.

Liebrich hofft nun, dass er die deutsche Turnfahne neben Hambüchen und seinem MTV-Teamkollegen Marcel Nguyen, der zurzeit wegen eines Kreuzbandrisses verletzt ausfällt, hochhalten kann. „Noch sind Fabian und Marcel da, sie sind die Leitwölfe. Aber wenn sie mal aufhören, sind wir ja immer noch da“, meint der angehende Deutsch-, Sport- und Biologielehrer.

Liebrich weiß aber auch, dass die anderen deutschen Turner von der Strahlkraft der zwei Galionsfiguren profitieren. „Das ist schon gut, dass die zwei zurzeit noch vorneweg laufen und den anderen dadurch den medialen Druck nehmen“, sagt er. Dem pflichtet Sebastian Krimmer bei, will aber nicht unerwähnt lassen, dass es schwer wird, an die Erfolge der beiden Superstars Hambüchen und Nguyen anzuknüpfen. Große Ziele haben die beiden Freunde Krimmer und Liebrich dennoch: Als Team soll es zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio gehen – am besten gemeinsam. Denn Seite an Seite in der Nationalmannschaft haben Krimmer und Liebrich noch nie geturnt.

Zuvor stehen sich die beiden an diesem Samstag aber erst einmal in der Bundesliga gegenüber – und da wird die Freundschaft ruhen. „Verlieren“, sagt Sebastian Krimmer, „tut keiner gerne.“ Nicht einmal gegen den besten Freund.